Vorbeugen statt therapieren

Welche Präventionsdienstleistungen können Apotheken anbieten?

20.11.2023, 07:00 Uhr

Blutdruckmessungen in der Apotheke sind ein bewährtes Präventionsangebot (Foto: Karanov images/AdobeStock)

Blutdruckmessungen in der Apotheke sind ein bewährtes Präventionsangebot (Foto: Karanov images/AdobeStock)


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach möchte die Kompetenz der Apotheken in der Prävention besser nutzen und hat auch schon einige Ideen dazu. Aber welche Präventionsdienstleistungen können Apotheken leisten? Eigentlich alle! Nur nicht immer und unter allen Umständen! Warum? Das soll in diesem Beitrag erläutert werden. 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat im Rahmen des diesjährigen Deutschen Apothekertages in Düsseldorf das Thema Prävention wieder einmal aufs Tableau gebracht. Sicherlich nicht exklusiv nur für uns Apotheker, sondern im Rahmen seiner Ideen rund um das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM): für sein zukünftiges Mega-Präventionsinstitut, das ab 2025 dazu beitragen soll, die beschämenden Statistiken in Sachen Lebenserwartung, KHK- und Diabetes-Mortalität für ein so hoch entwickeltes Land wie Deutschland aufzubessern. Der nach wie vor negative Abwärtstrend bei den großen Volkskrankheiten muss gestoppt werden, wozu aus seiner Sicht auch die Apotheker Deutschlands sehr gut beitragen könnten.

Das ist erfreulich, weil es der wissenschaftlichen Evidenz entspricht. Allerdings ist es zeitgleich berufspolitisch herausfordernd, weil es uns wieder einmal vor die Frage stellt, ob wir es interprofessionell, kollegial und somit effizienter gemeinsam mit unseren Partnern im ärztlichen Heilberuf schaffen oder es lieber alleine machen sollen. Und es kommt zu einem nicht gerade günstigen Zeitpunkt, weil es ein schwacher Versuch des Ministers ist, von den derzeitig unabdingbaren Honorarforderungen der Apothekerschaft abzulenken. 

Tab. 1: Themenvielfalt im Bereich der Prävention
ADHS
Alkohol
Allergieprävention
Alzheimer
Apotheke macht Schule und Apotheke ist Klasse!
Arzneimittel, Nutzen und Risiken
Betriebliche Gesundheitsförderung
Bewegung
Darmkrebs
Demenzfreundliche Apotheke
Diabetes mellitus
Ernährung für Grundschüler
Ernährung für Kinder: Vitamin-Detektive
Frauengesundheit
Gicht
Herzensangelegenheit 50+
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Impfen
Interaktionen zwischen Nahrung und Arzneimitteln
Kindergesundheit und Kindernotfälle
Klasse2000
Läuse
Lebererkrankungen
Männergesundheit
Natur gesund erleben
Osteoporose
Psychische Gesundheit
Rauchen
Schlafstörungen
Schwangerschaft
Seniorengesundheit
Sonne und Sonnenschutz
Stillen
Sucht
Trinken
Tuberkulose
Zahngesundheit
Zecken

Prävention in der Apotheke? Nichts Neues!

Sehr wohl setzen sich Apotheker „schon immer“, nicht nur sekundär- und tertiärpräventiv in Tagen der Krankheit, sondern auch gesundheitsfördernd und primärpräventiv in Tagen der Gesundheit ein: als Lotsen und Begleiter für ihre Patienten und Kunden. Sie sind damit ein wesentlicher Garant der Volksgesundheit, was auch dem „Code of ethics for pharmacists“ der International Pharmaceutical Federa­tion (FIP) und unseren Berufsordnungen entspricht und in diesen auch schriftlich bezeugt ethischen Widerklang findet. Und sie tragen maßgeblich zur Verbesserung der nach wie vor in großen Teilen der Bevölkerung mangelhaften Gesundheitskompetenz (das neue Schlagwort: „Health Literacy“) bei.

Weiterbildung!

Der Bereich Prävention und Gesundheitsförderung ist dem Berufsstand so wichtig, dass es hierfür über die Appro­bation hinaus eine eigene Weiterbildung mit Durch­führungsempfehlungen der Bundesapothekerkammer und zudem eine Zusatzqualifikation zum Präventionsmanager WIPIG® gibt.

Die Empfehlungen der Bundesapothekerkammer geben mit dem Curriculum für die theoretischen Seminarinhalte das perfekte Rüstzeug für Kolleginnen und Kollegen, die sich im Bereich aktiv und evidenzbasiert einsetzen möchten (siehe Tab. 2). Als Heilberufler genießen Apotheker einen hohen Grad an Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung. Damit haben sie die Möglichkeit, Wissen, Einstellungen und Verhalten der Menschen positiv zu beeinflussen. Apotheker sind qualifiziert, den Gesundheitszustand der Patienten auch durch physiologisch-chemische Untersuchungen zu beurteilen. Sie arbeiten mit anderen Leistungserbringern des Gesundheitswesens zusammen und verweisen Patienten bei Bedarf an diese weiter. Apotheker können zur Prävention und Gesundheitsförderung im Besonderen beitragen durch:

  • Aufklärung über den individuellen Umgang mit Gesundheitsrisiken und -belastungen
  • Unterstützung bei der Veränderung individueller gesundheitsbezogener Verhaltensweisen
  • Screening-Maßnahmen zur Früherkennung von Erkrankungen
  • Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen, um chronisch Kranke zu befähigen, ihr Leben mit der Krankheit so gut wie möglich zu bewältigen
  • Kooperationen mit anderen Heilberuflern
  • Unterstützung beim Aufbau sowie Stärkung individueller gesundheitsbezogener Ressourcen und Fähigkeiten zur Vermeidung von Krankheiten
  • Unterstützung beim Aufbau und Stärkung gesundheitsfördernder Strukturen in Lebenswelten.

Den größten Anteil nimmt natürlich die Praxis ein.

Welche Krankheiten stehen dabei besonders im Fokus?

Seminar 4 (s. Tab. 2) dient zur Umsetzung der in den Seminaren 1 bis 3 vermittelten Grundlagen durch Übungen, Beratungsbeispiele und Diskussionen zu ausgewählten Beratungsstrategien und -programmen, zum Beispiel zu: Suchtmittelkonsum, Förderung des Nichtrauchens, gesundheitsgerechter Umgang mit Genussmitteln (Alkohol), Ernährung, Einsatz physiologischer Nährstoffe in der Prävention, Asthma/COPD, Osteoporose, KHK/Blutdruck/Fettstoffwechselstörungen/Diabetes, Prävention des metabolischen Syndroms, Screening-Methoden, Reisegesundheit/Impfungen, gesund altern. Dies wird um die optionalen Aufbau­module zum Präventionsmanager WIPIG® erweitert.

Der gegenseitige Austausch und das Lernen aus den Projekten trägt maßgeblich zum erfolgreichen Einsatz in diesem Bereich bei. Wenn Sie sich für die breite Palette der Betätigungsmöglichkeiten für Apotheker interessieren, informieren Sie sich über die Projekte von 190 Präventionsmanagern hier: www.wipig.de/archiv/item/uebersicht-der-themen-stand-juli-2019. Die Corona-Zwangspause ist beendet, im Januar 2024 legen wir wieder los und sind auf die vielen Projekte gespannt, die im Laufe der Zeit sicherlich spannende neue Aspekte mit sich bringen werden.

Die Weiterbildung ist im Vergleich zu vielen anderen unspezifischen „Public-Health“-Angeboten genau für die Apotheker zugeschnitten. So findet sich auf DAZ.online unter dem Titel „Public Health – auch ein Thema für Apotheker:innen“, ein Interview mit Esther Luhmann vom Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) mit der Frage: „Welche Weiterbildungsmöglichkeiten und Berufs­felder gibt es für pharmazeutisches Fachpersonal in diesem Bereich?“ Sie kennen die Antwort: „Diejenigen, die sich (...) weiterbilden möchten, können sich an das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen (...) wenden.“

Die Bayerische Landesapothekerkammer und das WIPIG sind 2024 bundesweit die einzigen Veranstalter dieser Weiterbildung. Weitere Informationen und das Programm im Detail finden Sie hier: www.blak.de/fort-und-weiterbildung/weiterbildung/bereichsweiterbildung oder auch unter „Veranstaltungen“ auf S. 99 dieser DAZ-Ausgabe.

Tab. 2: Curriculum der Weiterbildung 
SeminarThemaStunden
1Verständnis von Gesundheit und deren Einflussfaktoren4
2Grundlagen der Prävention und Gesundheitsförderung12
3Motivation zur Verhaltensänderung – Theorie und praktische Umsetzung24
4Praxis der Prävention und Gesundheitsförderung24
5Netzwerkbildung und Darstellung der Prävention und Gesundheitsförderung in der Öffentlichkeit4
6Projektmanagement, Konzeption und Vorstellung der Projektarbeiten12

Strategien für die tägliche Beratungspraxis

Mit der wissenschaftlichen Arbeit rund um die Aktion Herzensangelegenheit 50+ konnte das WIPIG – Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen der Bayerischen Landesapothekerkammer in Kooperation mit dem Institut für Fettstoffwechsel und Hämorheologie Windach, der Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die Möglichkeiten von „Preventive Care“ aus der Apotheke in Zusammenarbeit mit dem Arzt aufzeigen. Das Projekt zur Vorbeugung von Herzinfarkten bei 50- bis 70-Jährigen wurde von 13 Apotheken in Oberfranken und der Oberpfalz von 2010 bis 2012 durchgeführt. Dabei wurden individuelle kardiovaskuläre Risikofaktoren bei 50- bis 70-Jährigen erfasst und es wurde nach einem Jahr geprüft, ob deren Ausprägung durch die individuelle Präventionsbegleitung von Apothekern vermindert werden konnte. Aus den Ergebnissen wurde ein Konzept (s. Abb. 1) erarbeitet, das jeder Apotheke eine sinnvolle Präventionsbegleitung und wertvolle Empfehlungen ermöglicht.

Gute Tipps und Strategien für die tägliche Beratungspraxis aus diesem Konzept lassen sich einfach umsetzen und passen zu den ersten Ideen des Gesundheitsministers, vor allem auch jüngere Menschen mit Gutscheinen zu Screenings in die Apotheke zu führen. Der Apotheker dient sowohl als erster Filter zur Früherkennung und Beratung, ggf. aber auch zum Arztverweis sowie zur langfristigen Begleitung. Warum Gesamtkonzepte wie diese in ihrer Gänze aber immer noch nicht umgesetzt werden, liegt an den Rahmenbedingungen. Bislang fehlten dazu eine ausreichende Honorierung, Personal und politische Konsequenz. Der Hauptgrund, die ablehnende Haltung der GKV gegenüber Präventionsdienstleistungen aus der Apotheke, konnte mittlerweile überwunden werden. Erstmals während der Corona-Pandemie, als scheinbar nur noch die Krankenhäuser und in der ambulanten Versorgung allen voran die Apotheken den Staat vor dem Gesundheits-Kollaps bewahrten, wurde auch so manchem Kritiker klar, welch immens wichtige Rolle die Apotheken im Gesundheitswesen spielen. Der eine oder andere Politiker hat es vielleicht unterlassen ‒ aber sogar unser Papst hat den Apothekern für ihren Einsatz gedankt.

Abb. 1: Ein Konzept für die Praxis – Herzensangelegenheit 50+

Mit dem Impfen ist ein wichtiger Schritt getan

Welch wichtige, unterstützende Rolle die Apotheker also bei der Vermeidung von Infektionserkrankungen spielen können, ist offenkundig: nicht nur, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, durch Masken, Desinfektions- oder Arzneimittel, sondern auch deutlich zuvor, durch präventive Maßnahmen wie dem Impfen. Das zeigten viele Länder schon deutlich vor Deutschland, indem sie Apotheker für das Impfen einsetzten. Dieser wichtige Schritt ist nun mit den Grippe- und Corona-Impfungen auch in Deutschland getan. Die internationalen Erfahrungen ergänzt um Daten aus den Modellprojekten zur Grippeschutzimpfung belegen die hohe Akzeptanz der Apothekenimpfungen in der Bevölkerung. Erste Evalua­tionen der vergangenen Impfsaison zeigen dies klar: Für jeden Dritten war die Impfung in der Apotheke die erste Grippeimpfung überhaupt. Viele geimpfte Personen hätten sich ohne dieses Angebot aus der Apotheke nicht impfen lassen.

Im Fokus: die großen Volkskrankheiten

Aber bleiben wir noch bei den großen Volkskrankheiten. Im ganz besonderen Fokus steht die Volkskrankheit Nummer 1: Diabetes mellitus. Auch hier gibt es mit den Studien GLICEMIA-1 und GLICEMIA 2.0 eine wissenschaftliche evaluierte und in renommierten Fachjournalen publizierte Evidenz für die Präventionsarbeit in der Apotheke. Für das Screening stehen im primärpräventiven Bereich beispielsweise der FIND­RISK-Fragebogen zur Verfügung. Mit diesem erfolgt eine Abschätzung des Zehn-Jahres-Risikos, einen Diabetes mellitus Typ-2 zu entwickeln. In der Sekundärprävention ist schon lange die niedrigschwellige, in jeder Apotheke machbare, aber natürlich Schwankungen unterliegende Blutzuckermessung etabliert. Für den sekundär- und tertiärpräventiven Bereich gibt es die HbA1c-Messungen. Diese Messungen, die im Rahmen von GLICEMIA 2.0 zur Ermittlung des primären Endpunktes der Studie dienten und sehr zu empfehlen sind, spiegeln aber gleichzeitig ein systemimmanentes Problem wider. Solange es keine ausreichende Honorierung gibt, entscheiden sich nur wenige Apotheken aus Kostengründen für die Anschaffung dieser Hightech-Messgeräte.

GLICEMIA 2.0 umfasst drei persönliche Beratungsgespräche inklusive Screening (Blutdruck, Blutzucker, HbA1c-Wert, Körpergewicht und -umfang), Medikationsanalysen sowie sechs Gruppenschulungen mit präsentationsfertigen Vorträgen. Ziel des Programmes ist es, die Lebensqualität der Patienten durch eine nachhaltige Lebensstilmodifikation zu verbessern und deren Risiko, an Folge- bzw. Spätschäden zu erkranken, zu vermindern. Es bedient die Themen Bewegungssteigerung, Ernährungsumstellung, Medikations­management und ggf. Raucherentwöhnung. Auch mit diesem Konzept kann die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker zum Wohl der Patienten befördert werden.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Ärzten?

Im Rahmen unserer Studien würde ich diese einmal mit „vornehmer Zurückhaltung“ umschreiben. In den Projekten war es uns wichtig, dass die Studienapotheker ihre umliegenden Ärzte mit entsprechenden Informationen versorgten und selbstverständlich, wenn nötig, auch auf den Arzt verwiesen wurde. Die Reaktionen reichten von Verwunderung über Zurückhaltung bis zur selten befürwortenden Zusprache, ernsthafte Probleme gab es keine. Einerseits, weil die guten Regeln der Aufgabenteilung beachtet wurden, andererseits sicherlich auch, weil intensive Betreuungsprogramme, einmal abgesehen von Diabetikerschulungen durch darauf spezialisierte Praxen, auch die meisten Ärzte nicht leisten können.

Derzeit erleben aber leider immer noch zahlreiche Apotheken, die mit dem Impfen beginnen wollen, eine entsprechende Ablehnung durch Arztpraxen. Wenn jedoch lange genug die positiven Effekte des Impfens in der Apotheke kommuniziert werden, die sich nachgewiesenermaßen auch förderlich auf das Impfaufkommen in den Praxen auswirken, steht zu hoffen, dass sich auch hier die anfängliche Aufgeregtheit legen wird.

Die Sprecherin des WIPIG-Institutsdirektoriums, Cynthia Milz aus Kulmbach, schreibt im Editorial von WIPIG aktuell 02/2023: „Impfen Sie in Ihrer Apotheke? Oder haben Sie noch Bedenken, wie Ihre umliegenden Ärztinnen und Ärzte reagieren? In der Grippesaison 2022/23 – konkret von Oktober 2022 bis Mai 2023 – wurden allein 62.700 Grippeimpfungen in rund 1200 öffentlichen Apotheken durchgeführt. COVID-19-Impfungen nicht mit einberechnet. Die Menschen nehmen diese Angebote dankbar an. Die einen, weil sie gar keine Hausarztpraxis haben, andere, weil sie keinen passenden Termin bekommen. Nicht alle Arztpraxen bieten COVID-19-Auffrischimpfungen an und die Patientinnen und Patienten haben Schwierigkeiten, Anlaufstellen zu finden. Apotheken können diese Auffrischimpfungen gemäß STIKO-Empfehlungen durchführen. Unsere umliegenden Ärztinnen und Ärzte wissen, dass wir impfen und reagieren entspannt. Wir überreden niemanden, sich lieber bei uns als in der Arztpraxis impfen zu lassen. Wir nehmen niemandem Patienten weg. Aber wer bei uns nachfragt, wird sehr gerne bei uns geimpft. Uns ist wichtig, dass sich die Menschen überhaupt impfen lassen und so sich und andere schützen. Gute Impfquoten sind das Ziel.“

Wie ist die politische Haltung?

Wie steht es um die politische Meinung im Berufsstand zur Prävention? Welche finanziellen Leistungen sind nötig? Wie können Apotheken möglichst effizient eingebunden werden?

Die alljährlich stattfindende Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker spiegelt mit ihren Anträgen und Beschlüssen immer auch gut die Stimmungslage und politische Haltung zu den vielen für unsere Berufsausübung wichtigen Themen.

Schon 2006 sprach sich die Hauptversammlung dafür aus, sich verstärkt in anerkannte Konzepte zur Prävention einzubringen. Mit dem Ziel, apothekenspezifische Angebote auch mit Konzepten anderer Anbieter zu verknüpfen, wurde zudem die ABDA beauftragt, einen Katalog neuer pharmazeutischer Dienstleistungen zu entwickeln, die künftig als Präventionsmaßnahmen in jeder Apotheke ausgeführt werden können. Der wegweisende Beschluss, einen besonderen Maßnahmenkatalog, genannt LeiKa – Leistungskatalog der Beratungs- und Serviceangebote in Apotheken, zu erarbeiten, soll an dieser Stelle herausgehoben werden. Der LeiKa ist die einfache Antwort auf die Frage, welche evidenzbasierten und somit qualitätsgesicherten (Präventions-)Dienstleistungen die Apotheken anbieten können und sollten: www.abda.de/fuer-apotheker/leika/

Es folgten Anträge in den Jahren 2012 und 2018, Apotheker gemäß §§ 20 und 20 a SGB V im GKV-Leitfaden Prävention als Anbieter aufzunehmen und zur Einbindung in die Prävention entsprechende sozialrechtliche Grundlagen für deren Honorierung zu schaffen. Im September 2023 standen dann die Anträge der Landesapothekerkammern Berlin und Hessen zur Beratung. Hessen: „Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetz­geber/Verordnungsgeber auf, Präventionsmaßnahmen stärker finanziell und strukturell zu fördern und dabei die Apotheken einzubinden und angemessen zu honorieren“.

Begründet wurde dieser Antrag u. a. mit folgenden Worten: „Damit auch in Zukunft erkrankte Menschen gut behandelt werden können, müssen entweder mehr Fachkräfte ausgebildet oder vermeidbare Erkrankungen durch Prävention und Aufklärung verhindert werden. Apotheken sind für die Bevölkerung niederschwellige Anlaufstellen für Fragen zu Arzneimitteln und Gesundheit. Sie unterstützen schon jetzt Präventionsmaßnahmen, z. B. durch Beratung zu Ernährung und Bewegung. Der Gesetzgeber hat dies bereits erkannt und die Möglichkeit zur Durchführung von Impfungen in Apotheken geschaffen. Daher ist es nur konsequent, die Expertise der Apothekerinnen und Apotheker noch weitergehend zu nutzen und finanziell mit einem angemessenen Honorar zu fördern. Perspektivisch kann die finanzielle Förderung von Präventionsmaßnahmen hohe Folgekosten im Gemeinwesen für medizinische Behandlung, Arzneimittel und Ausfall von Produktivität verhindern.“ Dieser Antrag fand breite Zustimmung und wurde angenommen.

Der Antrag der Apothekerkammer Berlin hingegen, neben Schutzimpfungen gegen Grippe und COVID-19 auch weitere Impfangebote in Apotheken gesetzlich zu ermöglichen, auch um die Beratungsgespräche mit impfwilligen Personen dazu zu nutzen, weitere (insbesondere auch ärztliche) Präventionsangebote vorzustellen und für deren Inanspruchnahme zu werben (Check-Up 35, Darmkrebsvorsorge, Raucherpräven­tion, o. ä.), wurde in den Ausschuss verwiesen, sicherlich auch aus der politischen Räson heraus, durch ein allzu schnelles Vorpreschen den nach wie vor gewünschten Schulterschluss mit der Ärzteschaft nicht zu gefährden. Hoffen wir, dass diese Ausschussarbeit zugleich mit den Vorstellungen der Bundesregierung in Einklang gebracht und damit ein zukunftsfähiges Konzept für die Prävention aus der Apotheke entwickelt werden kann.

Fazit: noch immer zu wenig Prävention

Prävention wird in Deutschland noch sehr häufig institutionell wie auch im persönlichen Lebensalltag trotz aller wissenschaftlicher Erkenntnisse stiefmütterlich behandelt. Das hat jetzt auch Minister Lauterbach entdeckt und wird aktiv. Am 30. Oktober gab es erste Gespräche mit Vertretern von Ärzteschaft, ABDA und gesetzlicher Krankenversicherung, die aus seiner Sicht geholfen hätten, Missverständnisse auszuräumen. Wichtig sei, dass die Berufsgruppen und Akteure mit­einander an einer Verbesserung der Situation arbeiteten. Entsprechende Maßnahmen würden die Kosten im Gesundheitswesen senken. Lauterbach erwartet nun von Ärzten und Apothekern Vorschläge zur konkreten Umsetzung der Zusammenarbeit. Trotz kritischer Stellungnahmen einiger Ärzteverbände will er sein Gesetz unbedingt umsetzen. „Ergebnisorientiertes“ Vorgehen sei wichtiger, als „Empfindlichkeiten“ im System zu beachten.

Standespolitische Interessen können mit gutem Willen im Sinne einer optimalen Versorgung unserer Patienten mit evidenzbasierten Konzepten sicherlich auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Erfolgreiche Präventionsarbeit wird aber nur dann effizient möglich werden, wenn Apotheken nicht mehr mit einer desaströsen Unterfinanzierung zu kämpfen haben. Um in diesem Aufgabenfeld erfolgreich argumentieren und beraten zu können, bedarf es einer konzeptionellen Überzeugungskraft, klarer Ziele sowie ausreichend personeller und finanzieller Ressourcen.

Würde die Gesellschaft nicht enorme Kosten sparen, wenn sie mehr auf Prävention setzen würde? Und Sie als Apothekerin oder Apotheker? Als tagtägliche Ansprechpartner in allen Fragen rund um das Thema Gesundheit? Was investieren Sie – ganz persönlich – in Ihre eigene Prävention und Gesundheitsförderung? Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung! Werden Sie mit kleinen Schritten aktiv, qualifizieren Sie sich weiter, zum Beispiel im kommenden Jahr mit der Bereichsweiterbildung und der Zusatzqualifikation zum Präventionsmanager WIPIG®.

Auch wenn derzeit noch viele Zeichen auf Sturm stehen, können wir das lange erhoffte Ziel einer intensiveren Einbindung von Apothekern in die Prävention erreichen und uns gewinnbringend für alle Seiten einbringen. Lassen wir uns nicht unterkriegen und setzen wir uns mit allen Kräften für unseren Beruf ein. Bewahren wir unsere Zuversicht in dem was wir tun und was wir können. Mit dieser Überzeugung vermitteln wir der Regierung und unseren Mitmenschen, wer wir sind und welchen wichtigen Beitrag wir für die Gesundheit in diesem Land leisten. |


Dr. Helmut Schlager, Apotheker, Geschäftsführer WIPIG


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Welche Präventionsdienstleistungen können Apotheken anbieten?

Vorbeugen statt therapieren

Gemeinsame Fortbildung von BLAK und WIPIG zur Prävention

Apotheker aktiv in Schule und Kindergarten

Das WIPIG hat wieder 19 Apothekerinnen zu Präventionsmanagern weitergebildet

Handwerkszeug für Präventionsarbeit

Prävention 2020 in Deutschland – eine Standortbestimmung für die Apotheke

Wo stehen wir? Wohin gehen wir?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.