In niedriger Dosierung sicher und verträglich

Amitriptylin – eine Option gegen Reizdarm

Stuttgart - 21.11.2023, 10:45 Uhr

(Symbolfoto: HASPhotos / AdobeStock)

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Etwa 5 bis 10% der Menschen weltweit leiden an einem Reizdarmsyndrom. Dieses kann sich neben Durchfall und Verstopfung auch in Form von Schmerzen oder Blähungen äußern. Therapiert wird individuell und symptomorientiert. Inwiefern auch niedrig dosiertes Amitriptylin bei Reizdarmsyndrom wirkt, hat eine Wissenschaftlergruppe aus Groß­britannien untersucht.

Neben pflanzlichen Arzneimitteln und krampflösenden Wirkstoffen empfehlen die aktuellen Leitlinien bei Reizdarmsyndrom unter anderem Antidepressiva als Schmerzmodulatoren. Sie beeinflussen nicht nur die gastrointestinale Motilität, sondern wirken sich auch positiv auf komorbide psychische Störungen aus. 

Trotz guter Evidenz werden trizyklische Antidepressiva in der hausärztlichen Praxis immer noch verhalten eingesetzt. So gaben in einer Umfrage lediglich 10 % der Hausärzte in Großbritannien an, dass sie solche Therapeutika zur Behandlung des Reizdarmsyndroms verordnen, und nur etwa die Hälfte der befragten Hausärzte glaubte, dass sie in dieser Indikation wirksam sind.

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In einer aktuellen Phase-III-Doppelblindstudie wurde niedrig dosiertes Amitryptilin als Therapieoption gegen Placebo über sechs Monate untersucht. Alle 463 Teilnehmer aus Großbritannien waren über 18 Jahre alt (mittleres Alter: 48,5 Jahre), wiesen verschiedene Formen des Reizdarmsyndroms auf und litten trotz Ernährungsumstellung und Lebensstilberatung sowie der Gabe von lös­lichen Ballaststoffen, Laxanzien und krampflösenden oder durchfallhemmenden Arzneimitteln weiterhin an Symptomen (Irritable Bowel Syndrome Severity Scoring System[IBS-SSS]-Score ≥ 75 Punkte; Skala umfasst 0 bis 500 Punkte). 1 : 1 randomisiert erhielten die Probanden über sechs Monate entweder einmal täglich 10 mg des tricyclischen Antidepressivums oder Placebo. Alle Teilnehmer konnten in Eigenregie unter telefonischer Beratung die Dosierung innerhalb der ersten drei Wochen auf maximal 30 mg Amitriptylin bzw. Placebo titrieren. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift „The Lancet“ publiziert.

Signifikante Symptomverbesserung

Es zeigte sich in der Intention-to-Treat-Analyse, dass sich die Symptome nach einem halben Jahr in der Verumgruppe signifikant verbessert hatten im Vergleich zu Placebo (Differenz IBS-SSS-Score = -27,0 Punkte, 95%-Konfidenz­intervall = -46,9 bis -7,10 Punkte, p = 0,008). Insgesamt hatten 46 Teilnehmer (20%) in der Amitriptylin-Gruppe und 59 Teilnehmer (26%) in der Placebogruppe die Studie vorzeitig abgebrochen, 30 bzw. 20 Teilnehmer davon wegen unerwünschter Ereignisse. Am häufigsten berichteten die Probanden in der Verumgruppe über anticholinerge Nebenwirkungen, einschließlich Schläfrigkeit und Mundtrockenheit. Die Autoren schlussfolgern, dass niedrig dosiertes Amitriptylin bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms sicher und verträglich und Placebo überlegen ist. Sie empfehlen deshalb, das Antidepressivum häufiger bei Reizdarmsyndrom in der hausärztlichen Praxis einzusetzen, als das bisher der Fall ist.

Empfehlungen zu Amitriptylin in der aktuellen deutschen Leitlinie zum Reizdarmsyndrom (RDS)

„Das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin sollte bei Erwachsenen zur Therapie von Schmerzen und globaler Symptomatik (mit Ausnahme von Obstipation) eingesetzt werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]“ 

„Amitriptylin ist zwar nicht zur Therapie des RDS, aber zur Therapie chronischer Schmerzen im Rahmen eines Gesamttherapiekonzepts zugelassen. Daher ist die Verschreibung bei einem schmerzdominanten RDS ein Gebrauch innerhalb der Zulassung.“ (dm)

Literatur

Ford AC et al. Amitriptyline at Low-Dose and Titrated for Irritable Bowel Syndrome as Second-Line Treatment in primary care (ATLANTIS): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. The Lancet 2023, doi: 10.1016/S0140-6736(23)01523-4

Update Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM), AWMF-Registriernummer: 021/016, Stand: Juni 2021


Marina Buchheit-Gusmão, Apothekerin
redaktion@daz.online


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