Neues Bestätigungsschreiben für Apotheker

HES-Infusionslösungen bleiben, aber mit Auflagen für Apotheken

Stuttgart - 23.11.2023, 09:15 Uhr

Bei den Handelsnamen Volulyte 6 %, Voluven 6 % und Voluven 10 % handelt es sich um Hydroxyethylstärke(HES)-Infusionslösungen. (Screenshot Fresenius Kabi)

Bei den Handelsnamen Volulyte 6 %, Voluven 6 % und Voluven 10 % handelt es sich um Hydroxyethylstärke(HES)-Infusionslösungen. (Screenshot Fresenius Kabi)


Hydroxyethylstärke(HES)-Infusionslösungen sind in der Apotheke vor Ort sicherlich kein gängiges Arzneimittel – und doch dürften einige Apotheker*innen schon einmal davon gehört haben, werden doch seit rund 10 Jahren immer wieder Rote-Hand-Briefe dazu verschickt. Der letzte hatte eigentlich verkündet, dass sie ab November 2023 nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Stattdessen wird aber nun neben anderen Maßnahmen ein neues Bestätigungsschreiben für Apotheker eingeführt.

Zugelassen sind HES-Infusionslösungen für die Behandlung von Hypovolämie, die durch akuten Blutverlust verursacht wird – wenn die Behandlung mit alternativen Infusionslösungen (Kristalloiden) allein nicht ausreicht. Aufgrund des Risikos von Nierenschäden und Todesfällen bei bestimmten Patientengruppen wurde auf EU-Ebene vor einiger Zeit eigentlich das Ruhen ihrer Zulassung angeordnet. Deutschland gab den Krankenhäusern aber zuletzt noch bis zum 24. November 2023 Zeit, sich umzustellen. Doch laut einem aktuellen Rote-Hand-Brief hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nun das Ruhen der Zulassungen HES-haltiger Infusionslösungen wieder aufgehoben. Der Grund: Zwei neue Studien zeigen keine Unterlegenheit von HES gegenüber anderen kristalloiden Infusionslösungen. Unter anderem Apotheker*innen müssen jetzt aber einige neue Auflagen erfüllen und ihr Wissen auffrischen.

Sie sollen sich ebenso wie ärztliches Personal intensiv mit den Gegenanzeigen von HES-Infusionslösungen beschäftigen und mit weiteren Maßnahmen zur Minimierung der Risiken vertraut machen: „HES-haltige Infusionslösungen sollen nicht eingesetzt werden, wenn kein akuter Blutverlust vorliegt (Prophylaxe). Dies gilt auch für die Vorbereitung der Herz-Lungen-Maschine auf die extrakorporale Zirkulation bei herzchirurgischen Patienten sowie für die Vorbeugung der Hypotonie bei Frauen, die sich einem Kaiserschnitt unterziehen“, schreibt die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Bestehende Inhalte in den Produktinformationen von HES-haltigen Infusionslösungen im Zusammenhang mit der Verwendung bei Frauen, die sich einem Kaiserschnitt unterziehen, sollen entsprechend entfernt werden.

Einführung eines neuen Bestätigungsschreibens für Apotheker

Das BfArM betont außerdem, dass „es unbedingt erforderlich ist, dass HES-haltige Infusionslösungen ausschließlich in den zugelassenen Indikationen und gemäß den Inhalten der verpflichtenden jährlichen Schulungen angewendet werden“. Die jährliche Wiederholung der Schulung und das Absolvieren eines Tests zur Dokumentation des Trainingserfolgs über die ESAIC-Plattform (academy.esahq.org/volumetherapy) werden zudem verbindlich. Speziell Apotheker*innen, die HES-haltige Produkte bestellen, müssen nun bestätigen, „dass HES-haltige Produkte nur an akkreditierte Krankenhausabteilungen/-institutionen (z. B. Anästhesiologie und Notfallmedizin) abgegeben werden. Die Abteilungen sind im Bestätigungsschreiben anzugeben“. Wie es heißt, werden bereits akkreditierte Krankenhäuser/Institutionen von den Zulassungsinhabern von HES-haltigen Infusionslösungen kontaktiert, und der zu beliefernde Apotheker werde aufgefordert, ein Bestätigungsschreiben vorzulegen. Der Link zum neuen Bestätigungsschreiben für Apotheker*innen soll dabei zur Verfügung gestellt werden. 

Werden drei Monate nach Aufhebung des Ruhens der Zulassung die Bestätigungsschreiben der Apotheke nicht vorgelegt, erfolgt keine Lieferung mehr durch die Unternehmen, auch nicht an vormals akkreditierte Institutionen.

Ganz grundsätzlich lautet die Botschaft im Rote-Hand-Brief:


„Verwenden Sie keine HES-haltigen Infusionslösungen, wenn kein akuter Blutverlust vorliegt (Prophylaxe).“

Rote-Hand-Brief vom 21.11.2023 


Literatur 

Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). 47/23 Information der Hersteller: Rote-Hand-Brief zu Hydroxyethylstärke(HES)-haltigen Infusionslösungen: Weitere Maßnahmen zur Minimierung von Risiken im Zusammenhang mit der Off-label-Anwendung und zur Bestätigung bestehender Beschränkungen. Stand 21.11.2023, www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/amk/ 

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Rote-Hand-Brief zu Hydroxyethylstärke (HES)-haltigen Infusionslösungen: Maßnahmen zur Minimierung von Risiken im Zusammenhang mit der Off-Label-Anwendung. Stand 21.11.2023, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2023/rhb-hes.html 

Moll D. Hydroxyethylstärke-Infusionslösungen behalten in Deutschland vorerst ihre Zulassung. DAZ.online 01.07.2022, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/07/01/hydroxyethylstaerke-infusionsloesungen-behalten-in-deutschland-vorerst-ihre-zulassung


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Bürokratischer Schwachsinn

von Holger am 24.11.2023 um 12:22 Uhr

Jeder Anästhesist ist sich des Risikos aber auch des Nutzens des Einsatzes von HES bewusst. Wollen wir jetzt demnächst für jedes irgendwie risikobehaftete Arzneimittel (und das ist Ende wohl die Mehrheit) ein jährliches Spezialtraining und Erfolgsbestätigung mit dreifachem Durchschlag einfordern? Dann sollten wir bitte als erstes eine neue Behörde gründen, die das ganze verwaltet - ich melde mich freiwillig für deren Leitung :)

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