Bei Betriebsunterbrechung

Damit das Geld nicht ausgeht

24.11.2023, 17:50 Uhr

Nach einer Flutkatastrophe, wie hier im Ahrtal, kann es länger dauern, bis die Apotheke wieder öffnet. (IMAGO / blickwinkel)

Nach einer Flutkatastrophe, wie hier im Ahrtal, kann es länger dauern, bis die Apotheke wieder öffnet. (IMAGO / blickwinkel)


Betriebsunterbrechungen (BU) sind immer eine dreifache Belastung: Ein Schaden muss behoben werden, laufende Kosten sind zu begleichen, aber Einnahmen generiert die Apotheke keine. Wenn da der Betriebsunterbrechungsversicherung die Puste ausgeht, tut das weh. 

So gut wie alle Passauer Apotheken, jene im Aartal und alle von den beiden Elbhochwassern be­troffenen Inhaber wissen es: Die versicherte Summe für die Betriebsunterbrechung war für ihre Apotheken das entscheidende Versicherungs-Kriterium für Wiedereröffnung oder nicht. Und das gilt selbstverständlich auch für andere Großschadenslagen aus allen möglichen Gründen.

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Denn schon ein kleineres Feuer im Lager, eine lecke Wasserleitung oder ein defektes Rückhalteventil im Abwassersystem, das Schmutzwasser in die Apotheke strömen lässt, massiver Vandalismus bei Einbrüchen – möglicherweise samt Spurenverwischung mit Pulver-Feuerlöschern – oder immer mehr aufkommend eine aggressive Schadsoftware in der IT: Es gibt immer mehr Ursachen für zeitweilige Apothekenschließungen. Da in der Gesundheitsbranche zudem überdurchschnittlich strenge Hygieneanforderungen herrschen und nach Schließungen die Wiedereröffnungsrevision zu bestehen ist, dauern viele schadensbedingte Betriebsunterbrechungen in Apotheken länger als in anderen Unternehmen.

Einnahmeverluste und Kundenabwanderung minimieren

Angesichts drohender Einkommensverluste und abwandernder Kunden sollten Inhaber die bestehende Absicherung gegen solche Fälle nicht nur haben, sondern diese auch kennen. Zwar haben alle Sachversicherer aufgrund statistischer Daten und eigener Erfahrungswerte für zeitlich befristete Unternehmensschließungen Standard-Betriebsunterbrechungstarife im Angebot. Doch Achtung: aufgrund der meist längeren Schließungszeiten und angesichts höherer Hygieneanforderungen oft kostenintensiveren Sanierungen sind die standard­mäßigen Versicherungssummen in aller Regel für den Apothekenbedarf eindeutig zu gering.

Das gilt insbesondere für alle sogenannten „Klein-BU-Tarife“. Das sind insbesondere so gut wie alle Betriebsunterbrechungsversicherungen, deren Schadensumme sich am angegebenen Versicherungswert der Apothekeneinrichtung orientiert – bei denen also die Versicherungssumme der Inventarversicherung ebenso die Höhe des Geldbetrages für Betriebsunterbrechungen bestimmt.

Warum 1 : 1 nicht apothekengerecht versichert ist

Das Eins-zu-eins-Verhältnis von Sachschaden zu BU-Schaden reicht für unendlich viele Branchen. Angesichts der hohen Personal-, Miet- und Betriebskosten zusätzlich zu deutlich höheren Sanierungsstandards sollten Apotheken jedoch im BU-Bereich eher 1,5-fach bis doppelt so hohe Summen versichert haben. Und sowie ein Reinraum oder Blisterautomat ins Spiel kommen, dauert es noch mal deutlich länger und kostet es noch mal mehr, die Bedingungen für eine neuerliche Betriebserlaubnis am Standort zurückzuerhalten.

Die apothekengerechte Lösung liegt deshalb allein in einer von der Inhalts- oder Werteversicherung unabhängigen „großen Betriebsunterbrechungs-Versicherung“. Denn nur dort können Sie die Versicherungssumme für die BU risikogerecht bestimmen. Doch diese apothekenspezifische Notwendigkeit ist oft nicht bekannt – weder Apothekern noch Versicherungsberatern.

Weil die Aussage „eine Police für alles … und gut is“ den meisten Apothekern sehr kommod vorkommt, wirken leider auch die ungeeigneten Klein-BU auf den ersten Blick ausgesprochen attraktiv, zudem sind sie – weil schlechter versichert – natürlich auch günstiger … Kein Wunder, dass derartig vermeintliche Paketlösungen in den allermeisten Apotheken-Ver­sicherungsordnern schlummern.

Werte-„Vollkasko“ ist wichtig – BU-„Vollkasko“ jedoch existenzsichernd

Es geht also darum, dass im Schadenfall sowohl die Werte-Kosten für den Neuwertersatz nach heutigen Beschaffungskosten als auch die monatlich auflaufenden Kosten der Apothekenschließung gedeckt sind. In der Praxis bedeutet das für den Schadenfall folgendes:

  • 1. Bei zerstörter Apotheken­einrichtung und hohem Sanierungsaufwand reicht die Versicherungssumme weder für den Werteersatz (wegen der aktuellen Preisentwicklung und/oder wegen der Zeitwertklausel) noch für die Betriebsunterbrechung. Der Inhaber braucht also bei geschlossener Apotheke sehr schnell zusätzlich eigene Liquidität.
  • 2. Bei weniger Ersatzbedarf oder kürzerer Betriebsunterbrechung ist der zusätzliche Liquiditäts­bedarf bestenfalls halbiert.
  • 3. Nur bei hinreichend geringer Ersatzbeschaffung und recht­zeitiger Wiedereröffnung geht es ohne Bankkredit-Gespräche und damit am Ende doch einigermaßen gut aus.

Eine Betriebsunterbrechung bedeutet immer, dass der Inhaber ohne aktuelle Einkünfte die laufenden Kosten bestreiten muss. Ansonsten bringt ihn die geschlossene Apotheke vergleichsweise schnell in finanzielle Nöte. Genau davor sollte eine Betriebsunter­brechungsversicherung aber verlässlich schützen.

Eine große BU allein ist dennoch kein Ruhekissen

Sie haben für Ihre Apotheke/n eine große BU abgeschlossen? Das ist erst mal gut. Aber dann ist noch die Frage zu klären, wie sich deren Versicherungssumme über den Schadenszeitraum aufteilt. Konkret: Ob vertraglich vereinbarte monatliche Teilsummen existieren und ob diese hoch genug sind, um die tatsächlich monatlich anfallenden Kosten abzudecken. Hier gilt, dass in vielen großen BU-Tarifen Tageshöchstentschädigungen festgelegt sind. Das ist für Apotheken inakzeptabel, denn der Versicherer sollte zugebilligt haben, so lange alle jeweils im Monat an­fallenden Kosten zu tragen, bis die vereinbarte Versicherungssumme aufgebraucht ist, natürlich innerhalb der vereinbarten Höchstunterbrechungsdauer.

Versicherung zahlt oft nur für Sachschäden

Und noch eine Einschränkung sollte bekannt sein: Betriebsunterbrechungspolicen leisten nur für Betriebsunterbrechungen infolge versicherter Sachschäden. Selten auch – aber das ist für Apotheken entscheidend – bei Betriebsunterbrechungsverlängerungen aufgrund missglückter Wiedereröffnungsrevision. Für nicht-sachschadenbedingte Schließungen wie Ausfall vom Inhaber oder bei Pandemien kommen Sie jedoch nicht auf.

Schließlich noch ein Hinweis: Viele Betriebsunterbrechungsversicherungen sind nur für kürzere Unterbrechungen konzipiert. Meist ist der Rohertrag bis zur maximalen Versicherungssumme von einer Million Euro versichert. Dies ist nicht selten zu knapp bemessen. Es ist eher empfehlenswert, wenn die Absicherungs­summe sich in einem Korridor von 25 bis 33 Prozent des Jahresumsatzes minus Materialeinsatz bewegt. Apotheker mit Sonder­risiken wie Reinräume, Blister­zentren oder Versandhandel sollten die Versicherungssumme noch höher ansetzen.

Das letzte Wort hat die Versicherung

Sie sehen: Wenn Sie den aktuellen Stand Ihres Betriebsunterbrechungs-Schutzes nicht kennen, wird Sie im Schadenfall der Ver­sicherer mit allen Lücken, Eng­pässen und Fallstricken bekannt machen, die im BU-Kleingedruckten vereinbart sind. Bitte lassen Sie es nicht so weit kommen, denn dann kommt zum absolut ungünstigsten Zeitpunkt zum Schadenchaos, den Sanierungsarbeiten, den Versorgungsnöten Ihrer Kunden sowie Sorge um die Wieder­eröffnung plötzlich und unerwartet auch noch finanzieller Zuschussbedarf in stetig steigender Höhe. Wegen letzterem sind dann tatsächlich alle mir bisher bekannten endgültigen Apothekenschließungsentscheidungen nach Großschäden gefallen. Korrekte Entschädigung im BU-Fall ist also das entscheidende versicherungstechnische Existenz­sicherungs-Kriterium. Deshalb: Lassen Sie diesen Posten in Ihrem Versicherungsordner von einem unabhängigen Experten überprüfen, denn jeder Betreuer wird Ihnen voraussichtlich versichern, dass alles in bester Ordnung sei. Bestimmt auch nach bestem Wissen und Gewissen – nur dass er noch nie in die ApBetrO hineingeschaut hat …

 

Fazit

Sie brauchen eine eigenständige, sprich „große BU“, die die monat­lichen Kosten in voller Höhe übernimmt und so viele Monate leistet, wie ein Großschadenereignis für Ihre Apotheke voraussichtlich dauern wird. Kleine Apotheken sollten dafür sechs Monate plus X, größere bei Mehrbesitz neun, ohne eher zwölf Monate und Reinraum-Apotheken sicherheitshalber mehr als zwölf Monate einplanen.

Und wer dann noch die sogenannte Pharmazierat-Klausel mitversichert hat, die auch für den weiteren Hygiene-Sanierungsbedarf nach missglückter Wiedereröffnungs­revision in der Werte- und Betriebsunterbrechungs-Versicherung aufkommt, dann ist Ihre Apotheken-BU wirklich „Vollkasko“, und damit das erwünschte Ruhekissen in maximal unruhigen Schadenslagen.


Michael Jeinsen, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), Spezialmakler für Apotheken, Bereichsleiter Apo­thekenschutz beim BVSV,
redaktion@daz-online


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