DiGA: Apps auf Rezept

Wie die Apotheke DiGA für sich nutzen kann

24.11.2023, 07:00 Uhr

Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesen zeigt sich Deutschland nicht gerade als Pionier, trotzdem: Deutschland war das erste Land der Welt, in dem es Apps (DiGAs) als Regelleistung zu Lasten der Krankenkasse gab.  (Foto: Thomas Reimer/AdobeStock)

Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesen zeigt sich Deutschland nicht gerade als Pionier, trotzdem: Deutschland war das erste Land der Welt, in dem es Apps (DiGAs) als Regelleistung zu Lasten der Krankenkasse gab.  
(Foto: Thomas Reimer/AdobeStock)


Am 19. Dezember2019 trat das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (kurz „Digitale-Versorgung-Gesetz“ oder „DVG“) in Kraft. Mit ihm wurden erstmalig Apps ins Sozialversicherungssystem eingeführt, die auf Juristendeutsch „Digitale Gesundheits-Anwendungen“ oder kurz DiGA heißen. Welche Rolle können und könnten DiGAs in Apotheken spielen? 

DiGAs können vom Arzt verschrieben werden und werden von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet. Der Herstellers muss nachweisen, dass seine App die Versorgung der Patienten verbessert. Liegt dieser Nachweis vor, so wird die App vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datensicherheit und Datenschutz geprüft und, nach positivem Abschluss dieser Prüfung, von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. 

Deutschland als Vorreiter

Bemerkenswert dabei ist, dass sich Deutschland bis zum Zeitpunkt der Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht unbedingt als Pionier hervorgetan hatte. Das Digitale-Versorgung-Gesetz hingegen hat bei Digital-Health-Veröffentlichungen weltweit für großen Enthusiasmus gesorgt. Deutschland war das erste Land der Welt, in dem es Apps als Regelleistung zu Lasten der Krankenkasse gab. Hohe Investitionen in Apps und Start-Ups, die potentielle DiGAs (oder „digital therapeutics“ bzw. DTx, wie es auf Englisch heißt) waren die Folge.

Auch Apotheken können von DiGAs profitieren

Nur die Apotheken waren bislang außen vor. An den DiGAs verdienen sie nichts. Es ist sogar denkbar, dass es für diejenigen Indikationen, für die es DiGAs gibt, weniger Verordnungen gibt, da Ärzte die nichtmedikamentöse Therapie ohne Nebenwirkungen vorziehen. Aber das bedeutet nicht zwangsweise, dass nicht auch die Apotheke von den digitalen Gesundheitsanwendungen profitieren kann.

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Immerhin ist die Apotheke ein Ort, den man ohne vorherige Terminvereinbarung für eine fundierte Gesundheitsberatung fast rund um die Uhr aufsuchen kann. „Niederschwellig“ ist das Wort, das in diesem Zusammenhang derzeit überstrapaziert wird. Jedoch ist die Ware, die in Apotheken verkauft wird, kein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt identische Arzneimittel in jeder anderen Apotheke. Also kann – neben der empathischen, individuellen, persönlichen und situativen Beratung – das Eingehen auf Patientenbedürfnisse den Unterschied ausmachen. Hier kann sich die Apotheke profilieren und positionieren. Neben der Kernkompetenz Arzneimittel wird es deswegen zunehmend wichtig, auch andere, digitale Hilfsmittel zu kennen. Vor allem in den Fällen, in denen Patienten diese erstattet bekommen.

Tipp für die Beratung in Apotheken 

Im Katalog des BfArM gibt es aktuell 55 DiGAs. Diese im Kopf zu behalten fürs Beratungsgespräch in der Apotheke ist unmöglich. Deshalb ist die wichtigste Informationsquelle das DiGA-Verzeichnis des BfArM. Darin lassen sich jederzeit DiGAs nachschlagen samt aller relevanten Informationen, wie den Plattformen, auf denen sie zum Download bereitstehen, den Indikationsgebieten, für die sie geeignet sind und sonstigen Informationen. Um an den Kassen in der Apotheke jederzeit drauf zugreifen zu können, empfiehlt es sich daher, den folgenden Link mit der amtlichen Auflistung aller erstattungsfähigen DiGAs als Lesezeichen im Web-Browser zu hinterlegen: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis

Informationen zu therapiebegleitenden Maßnahmen gehören zu einer guten Beratung. Auf den ersten Blick scheinen DiGAs jedoch nicht für Umsatz in der Apotheke zu sorgen. Aber nichts spricht dagegen, im Rahmen einer guten Beratung weitere therapiebegleitende Produkte aus der Selbstmedikation zu empfehlen.

Aber auch mit sog. Chroniker-Apps sollten sich Apotheken ungeachtet der DiGAs auseinandersetzen. Darunter versteht man Anwendungen auf dem Smartphone, die an die Arzneimitteleinnahme erinnern und rechtzeitig vor der Fälligkeit eines Folgerezept warnen. Zu Hause brauchen die wenigsten Chroniker eine solche App, denn dort ist das Einnehmen der Tabletten in den Tagesablauf integriert. Aber auf Reisen oder im Urlaub – also immer dann, wen man sich nicht der gewohnten Umgebung befindet – verhindern diese Apps ungewollt Therapieunterbrechungen. Und davon profitieren letztlich auch die Apotheken, denn jeder Patient, der seine Therapie ganz abbricht, ist auch als Apothekenkunde verloren.

Chroniker-Apps

Chroniker-Apps gibt es in den App- und Play Stores unzählige. Hier eine Empfehlung auszusprechen, welche empfohlen werden können, ist schwierig. Denn häufig stecken Start-Ups hinter den Anwendungen. Ob und an wen diese verkauft werden, lässt sich nie vorhersehen. So wurde beispielsweise die Smartpatient GmbH, von der die (sehr gute) Chroniker-App „MyTherapy“ stammt, im Jahr 2020 von Shopapotheke gekauft und gehört heute zu Redcare Pharmacy. Dennoch sind Chroniker-Apps grundsätzlich positiv zu bewerten.

Noch zu wenig Ausgaben für DiGAs

Der weltweite Markt für digitale Therapeutika wurde im Jahr 2020 auf ein Volumen von 5,09 Milliarden US-Dollar geschätzt und besitzt eine jährliche Wachstumsrate von 26,6 Prozent. Das ist verschwindend wenig Geld, wenn man die lediglich schätzbaren Kosten für Non-Adhärenz durch vermeidbare Krankenhauseinweisungen, Notfälle bis hin zur dauerhaften Pflegebedürftigkeit hierzu ins Verhältnis setzt: laut WHO können in den USA bis zu 300 Milliarden US-Dollar angesetzt werden für die Unzuverlässigkeit der Patienten, eine Therapieanordnung dauerhaft zu befolgen. In der EU lag der Wert im Jahr 2011 bereits zwischen 80 und 125 Milliarden Euro. Hinzu kommen die kaum bezifferbaren Todesfälle, da auf der Sterbeurkunde niemals stehen wird, dass der Verstorbene seine Medikamente nicht eingenommen hat.

Zu DiGAs vor Ort beraten

Mit DiGAs und Apps können Patienten dabei unterstützt werden, die von einem Arzt verordnete Therapie genauer einzuhalten. So verbessern sie die Gesundheit der Patienten ähnlich wie Arzneimittel, jedoch ohne deren Nebenwirkungen. Die Beratungskompetenz der Apotheke kann durch Wissen über DiGAs und Apps optimal ergänzt werden. Gut beratene Kunden werden es hoffentlich durch Treue vergelten. Auch können DiGAs von Patienten ohne ärztliche Verordnung bei ihrer Krankenkasse beantragt werden. Für die Erstattung ist lediglich eine ärztliche Diagnose Voraussetzung, auch hier ist die Beratung und der hinweisende Tipp in der Apotheke gefragt.

DiGAs als zukünftige pDL in Apotheken?

Doch damit hört die Zukunft digitaler Anwendungen in der Apotheke vor Ort natürlich nicht auf. Den positiven Versorgungseffekt werden auch DiGAs nur dann dauerhaft vorweisen können, wenn die Mehrzahl der Nutzer sie regelmäßig und richtig anwendet. Analogien zu pharmazeutischen Dienstleistungen sind offensichtlich. Denn die Beratung zu Gesundheits-Apps und DiGAs geht deutlich über die Verpflichtung zur Information und Beratung gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung hinaus. Darüber hinaus ist es eine Zulassungsvoraussetzung für DiGAs, die Versorgung der Versicherten zu verbessern. Warum sollte es also nicht auch als pharmazeutische Dienstleistung abgerechnet werden können, wenn Apotheken helfen, DiGAs einzurichten und Patienten dazu schulen und anleiten, diese korrekt zu nutzen?

Immerhin haben die Apotheken ihre Digitalkompetenz nicht zuletzt mit der Ausstellung der Impfzertifikate während Corona unter Beweis gestellt. E-Rezept-ready sind sie ebenfalls seit geraumer Zeit. Es ist an der Zeit, jetzt auch die digitalen Gesundheitsanwendungen zum Heimspiel für Apotheken weiterzuentwickeln.


Florian Giermann, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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