Ungeliebtes Reisemitbringsel

Diarrhö bei Fernreisenden – leitliniengerechte Empfehlungen für die Reiseapotheke

Stuttgart - 01.12.2023, 13:45 Uhr

Akute Durchfallerkrankungen sind bei Fernreisenden besonders häufig. (Foto: Konstanze Gruber / AdobeStock)

Akute Durchfallerkrankungen sind bei Fernreisenden besonders häufig. (Foto: Konstanze Gruber / AdobeStock)


Die S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen“ wurde überarbeitet. In einem ihrer Kapitel widmet sie sich auch Durchfallerkrankungen, die im Zusammenhang mit Fernreisen auftreten. Welche besonderen Erreger kommen hier infrage, was gehört in die Reiseapotheke und ist immer ein Besuch in der Arztpraxis nötig?

Diarrhö während oder nach einer Reise: Das ist ausgesprochen lästig, aber keine Seltenheit. Zur Klarstellung: der Wochenendausflug nach Dänemark, die Dienstreise nach New York oder der Sommerurlaub in Frankreich sind hier nicht gemeint. Vielmehr geht es um Aufenthalte in tropischen und subtropischen Regionen, bei denen je nach Region zwischen 8 und 50% der Reisenden eine Durchfallerkrankung durchmachen. In der Regel treten diese bereits im Reiseland auf, verlaufen mild oder moderat und sind nach einigen Tagen überstanden.


„Eine Reisediarrhö liegt bei ≥3 ungeformten Stühlen pro Tag im Reiseland vor. Wenn eine Diarrhö nach Reiseende persistiert, wird von einer Diarrhö beim Reiserückkehrer gesprochen.“

Aus der S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen, November 2023


Ein wesentlicher Unterschied zwischen in heimischen Gefilden und auf Fernreisen erworbenen Durchfallerkrankungen ist das Erregerspektrum:


„Bei der Reisediarrhö sollen je nach Reiseregion folgende Erreger stärker bedacht werden:  Enterotoxin-bildende E. coli-Stämme (ETEC), andere pathogene E. coli-Stämme (EAEC, EIEC), Shigellen und Protozoen (Lamblien, Entamoeba histolytica). In den letzten Jahren werden zunehmend auch Noroviren bei Reisenden beschrieben.“

Aus der S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen, November 2023


Eine persistierende Diarrhö (länger als 2 bis 4 Wochen) ist hierbei ein Indiz für eine Protozoen-Infektion (besonders Lamblien und Entamoeba histolytica). „Mit zunehmender Dauer der Diarrhö wird eine parasitäre Genese der Durchfallepisode wahrscheinlicher“, heißt es in der aktualisierten Leitlinie.

Tritt zu dem Durchfall auch Fieber auf, könnte es sich auch um eine Malaria-Erkrankung handeln. Etwa 25% der Fälle von Malaria tropica gehen mit diesem Symptom einher.

Eine antimikrobielle Therapie benötigt die Mehrzahl der Patient:innen mit Reisediarrhö nicht – sie genesen innerhalb von drei bis fünf Tagen. Bei Diarrhö mit Fieber und/oder Blutabgängen sowie bei Risikopatient:innen ist hingegen eine empirische, antibiotische Therapie angezeigt. Mittel der Wahl ist Azithromycin. Parallel werden eine Erregerdiagnostik und ggf. ein Antibiogramm durchgeführt, sodass rasch auf eine spezifischere Therapie gewechselt werden kann. Dem Antibiogramm kommt hier eine besondere Rolle zu, da sich die Resistenzlage im Reiseland stark von der hiesigen unterscheiden kann.

Was gehört in die Reiseapotheke?

Die wichtigste supportive Maßnahme bei Durchfallerkrankungen ist der Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten. Kundschaft, die vor einer Fernreise zur Beratung in die Apotheke kommt, sollte dringend empfohlen werden, Pulver zur Herstellung von oralen Rehydratationslösungen in der Reiseapotheke mitzunehmen.

Möglicherweise fragen die Reisenden auch nach „Durchfall-Blockern“ für die Reiseapotheke. Die Leitlinie spricht Motilitätshemmern wie Loperamid oder Racecadotril eine kann-Empfehlung für die kurzfristige Einnahme (maximal zwei Tage) bei ausgeprägter Symptomatik aus. Die Reisenden sollen bei Abgabe informiert werden, dass beide nur symptomatisch und nicht kausal wirken, sowie, dass die Präparate bei schweren Verläufen (Fieber, Blutbeimengungen) kontraindiziert sind. Hinsichtlich weiterer gängiger Durchfall-Mittel heißt es „Es gibt keine Evidenz für den Einsatz von Tannin, Kaolin, Pektin oder medizinischer Kohle.“

Zum prophylaktischen Einsatz von Probiotika gibt die Leitlinie aufgrund unzureichender Daten keine Empfehlung ab. Ein Antibiotikum für die prophylaktische Einnahme gehört hingegen nicht in die Reiseapotheke. Nebenwirkungen sowie die Befeuerung der Resistenzproblematik sprechen gegen den vorbeugenden Einsatz.

Schließlich sollten die Reisenden wissen, wann sie – ggf. auch schon im Reiseland – ärztlichen Rat aufsuchen sollten. Dies ist der Fall bei:

  • schweren Verläufen (Fieber, Blutabgang, anhaltendes Erbrechen, unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, schlechter Allgemeinzustand)
  • einer Diarrhödauer länger als fünf Tage und
  • besonderen Risikokonstellationen (Säuglinge, Senior:innen, Immunsuppression).

Literatur

S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. November 2023. register.awmf.org/de/leitlinien/detail/021-024


Dr. Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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