Warten auf das Pflegestudiumstärkungsgesetz

„Dringlichkeitsliste“ wirkt noch nicht

Berlin - 04.12.2023, 17:50 Uhr

Rezepturarzneimittel, weil ein dringliches Kinderarzneimittel fehlt? Ein Engpasszuschlag für die herstellende Apotheke ist dafür nicht vorgesehen. (Foto: ABDA) 

Rezepturarzneimittel, weil ein dringliches Kinderarzneimittel fehlt? Ein Engpasszuschlag für die herstellende Apotheke ist dafür nicht vorgesehen. (Foto: ABDA) 


Anfang November hatte das BfArM seine aktualisierte Dringlichkeitsliste für Kinderarzneimittel veröffentlicht. Sie werde „voraussichtlich“ ab dem 1. Dezember gelten, hieß es zu diesem Zeitpunkt. Doch geknüpft ist die Liste an Regelungen des Pflegestudiumstärkungsgesetzes – und das ist noch nicht in Kraft getreten, sodass die Liste bislang noch nicht für Apotheken relevant ist. Erst wenn das Gesetz gilt, eröffnen sich für Apotheken neue Austauschmöglichkeiten für die dort gelisteten Arzneimittel. Einen Engpasszuschlag gibt es in diesen Fällen aber nicht, nicht einmal 50 Cent.

Die „Dringlichkeitsliste Kinderarzneimittel Herbst-Winter 2023/24“ findet sich auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Liste enthält wichtige Arzneimittel, für die in dieser Wintersaison wegen steigender Infektionszahlen eine erhöhte Nachfrage eintreten könnte. Und eine Situation, wie wir sie in der vergangenen Erkältungszeit erlebt haben, wollen alle unbedingt vermeiden. Doch welche konkrete Bedeutung hat die Anfang November aktualisierte, und laut BfArM mit der ABDATA abgestimmte, Liste - und ab wann gilt sie?

Das BfArM nennt als Gültigkeitsdatum den 1. Dezember 2023. Allerdings hatte das BfArM schon Anfang November, als es die Liste veröffentlichte, auf deren Zusammenhang mit dem Pflegestudiumstärkungsgesetz hingewiesen: Die Dringlichkeitsliste ist nämlich die Basis für neue Austauschmöglichkeiten für Apotheken, die mit diesem kürzlich verabschiedeten Gesetz geschaffen wurden. Eine Änderung in § 129 Sozialgesetzbuch V – konkret: ein neuer Absatz 2b – sieht vor, dass Apotheken die dort gelisteten Arzneimittel gegen ein wirkstoffgleiches Fertig- oder Rezepturarzneimittel, auch in einer anderen Darreichungsform, austauschen dürfen, wenn das abzugebende Arzneimittel nicht verfügbar ist. Sie ermöglicht damit weitere Formen des Austauschs, als sie zuvor mit dem Arzneimittellieferengpassgesetz (ALBVVG) in § 129 Abs. 2a SGB V eingeführt wurden. 

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Doch dieses Gesetz ist bislang nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, sodass auch die Liste für die Apotheken rein praktisch noch nicht zum Tragen kommt. Das bestätigt auch ein ABDA-Sprecher auf DAZ-Nachfrage. Die Veröffentlichung kann jederzeit erfolgen – wenn es so weit ist, tritt das Gesetz am Tag darauf in Kraft. Vorschnell sollten die Apotheken daher nicht nach den neuen Vorgaben austauschen. Zumal auch das Retaxverbot für den Austausch nach dem neuen § 129 Abs. 2b SGB V erst gilt, wenn das Gesetz wirksam ist.

Sehr viel einfacher wird es nicht

Es bleibt allerdings zu hoffen, dass der Austausch nicht allzu häufig nötig ist – denn wirklich einfach wird es den Apotheken auch hier nicht gemacht. Wie schon bei den ALBVVG-Austauschregeln (§ 129 Abs. 2a SGB V) sind hier zunächst die zwei unterschiedlichen Großhandelsabfragen durchzuführen (nur eine, wenn die Apotheke nur von einem Vollversorger beliefert wird) und es ist überdies die Abgaberangfolge des Rahmenvertrags zu prüfen. Für „normale“ nicht verfügbare Arzneimittel hatte letzteres das Bundesgesundheitsministerium unlängst klargestellt. Und da die Formulierung in der neuen Regelung des Absatz 2b entsprechend von der Nichtverfügbarkeit eines „nach Maßgabe des Rahmenvertrags“ abzugebenden Arzneimittels spricht, ist es bei den Kinderarzneimitteln nicht anders.

Keine Vergütung vorgesehen

Überdies gibt es für diesen speziellen Austausch nicht einmal 50 Cent. Diesen mit dem ALBVVG eingeführten Engpasszuschlag hat die Apothekerschaft von Anfang an als Missachtung ihres tagtäglichen Engagements begriffen. Von einem „Affront“ und einem „schamlosen Betrag“ sprach die ABDA-Präsidentin. In ihrer Stellungnahme zum ALBVVG hatte die ABDA 21 Euro für das Engpassmanagement eingefordert. Während des Gesetzgebungsverfahrens zum Pflegestudiumstärkungsgesetz spielte der Zuschlag dann offenbar gar keine Rolle. Vielleicht wurde er vergessen – vielleicht auch einfach als irrelevant erachtet. Jedenfalls gibt es für den Austausch von Dringlichkeitslisten-Arzneimitteln, zum Beispiel gegen ein Rezepturarzneimittel, keine 50 Cent. Das räumt auch das Bundesgesundheitsministerium auf Nachfrage ein: „Der Zuschlag nach § 3 Absatz 1a der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) i.H.v. 50 Cent wird aktuell nur für den Austausch eines verordneten Arzneimittels nach § 129 Absatz 2a geregelt“. Zuständig für eine etwaige Nachbesserung hält es sich jedoch nicht. Denn die Sprecherin schreibt weiter: „Die AMPreisV liegt in der federführenden Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz“. Eine Nachfrage der DAZ beim Wirtschaftsministerium, ob es eine Änderung plant, sodass es auch für den Kinderarzneimittelaustausch 50 Cent gibt, wurde bislang noch nicht beantwortet.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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