Tut gut oder reicht nicht aus?

Branche reagiert auf Pharmastrategie

Berlin - 13.12.2023, 16:45 Uhr

Standort gestärkt, Versorgung vergessen? (Foto: imago images / Lobeca)

Standort gestärkt, Versorgung vergessen? (Foto: imago images / Lobeca)


Einiges lässt sich die Bundesregierung in der vergangenen Zeit einfallen, um die Pharmaindustrie auf ihre Seite zu ziehen – zuletzt mit einer eigens für sie erdachten Standortstrategie. Aber was sagen die Branchenvertreter zu den Vorstellungen der Regierung?

Die Bundesregierung will den Pharmastandort Deutschland stärken. An diesem Mittwoch beschloss das Kabinett eine Pharmastrategie, mit der laut Pressemitteilung „die Rahmenbedingung für die Herstellung und Entwicklung von Arzneimitteln verbessert, die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangetrieben, Anreize für die Ansiedlung von Produktionsstätten in Deutschland gesetzt und Innovationsprojekte der Pharmaindustrie gefördert“ werden sollen.

Erste Reaktionen aus der Industrie ließen nicht lange auf sich warten – und fielen gespalten aus. Pro Generika kritisierte in einer Pressemitteilung, dass damit zwar der Standort, nicht aber die Grundversorgung gestärkt werde. Das Problem der Lieferengpässe werde nicht angegangen. Das Vorgestellte sei nicht neu, sondern „eine Ansammlung bereits auf den Weg gebrachter Maßnahmen“, so Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika. Diese würden aber „bei weitem“ nicht ausreichen, „um die Versorgung zu stabilisieren“.

Pro Generika: Wo bleibt Versorgungssicherheit?

Die Regierung müsse sich der Versorgungssicherheit annehmen. Als die Politik den Kostendruck bei Kinderarzneimitteln gelockert habe, habe sie verhindert, dass noch mehr Hersteller aus der Produktion aussteigen. „Das muss eine Blaupause für andere Arzneimittel sein.“

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Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (Vfa) hingegen sieht in der Pharmastrategie „eine große Chance für den Standort Deutschland – für die Industrie, gesamtwirtschaftlich und für die Stärkung unserer technologischen Souveränität“. Das sagte der Präsident des Verbands, Han Steutel. Das Signal sei „dringend notwendig“ für „wichtige Innovationsaktivitäten“.

Vfa: „Wichtiger und großer Schritt“

Mit der Pharmastrategie betone die Bundesregierung, dass „die pharmazeutische Industrie als Schlüsselsektor und Leitindustrie der deutschen Volkswirtschaft für die Gesundheitsversorgung sowie für den Wirtschaftsstandort von großer Bedeutung ist“, so Steutel. Gleichzeitig sieht er aber auch ein Eingeständnis der Regierung, dass Deutschland im internationalen Vergleich zurückgefallen ist. Das Konzept sei aber ein „wichtiger und großer Schritt“. Es komme nun auf „die Umsetzung und den Willen aller Beteiligten an“.

BAH: „Wertschätzung lange vermisst“

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Hubertus Cranz, erklärte, die Anerkennung als eine Leitindustrie der deutschen Volkswirtschaft „tut gut“. Eine derartige „Wertschätzung“ sei „lange vermisst“ worden. Aber nun müssten „konkrete Schritte folgen und vor allem neue Belastungen vermieden werden“.

Die Bedingungen für die Pharmabranche hätten sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Cranz denkt da unter anderem an die AMNOG-Leitplanken und den Kombinationsabschlag. Wichtig sei auch, dass die EU die Pharmaindustrie zukünftig nicht weiter belaste.

BPI: Arzneimittelversorgung bleibt „Mammutaufgabe“

Bereits einen Tag bevor das Kabinett die Strategie beschlossen hatte, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Kai Joachimsen, es bleibe die „Mammutaufgabe“, „die Arzneimittelversorgung in ihrer Breite sicherzustellen und den für Deutschland und Europa enorm wichtigen Pharmastandort bei Forschung, Entwicklung und Produktion zu stärken“.

Die Branche brauche „verlässliche und auskömmliche Rahmenbedingungen. Inzwischen könne die Industrie nicht einmal mehr zuverlässig die Grundversorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen. Es sei jahrzehntelang nur darum gegangen, „ob ein Medikament möglichst billig ist – und es war egal, wo es hergestellt wurde“. Man hab sich „mit deutscher Gründlichkeit überreguliert“.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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