ABDA-Brandbrief ans Bundesgesundheitsministerium

Datenqualität, Freitextfelder, Retax – wo es beim E-Rezept hapert

Berlin - 19.12.2023, 17:50 Uhr

ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf: Damit es beim E-Rezept rund läuft, ist noch einiges zu tun. (Foto: ABDA)

ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf: Damit es beim E-Rezept rund läuft, ist noch einiges zu tun. (Foto: ABDA)


Die ABDA betont zwar immer wieder, dass die Apotheken bereit fürs E-Rezept sind, zuletzt hat sie aber auch auf Anlaufschwierigkeiten hingewiesen. Nun zeigt Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, der Chefin der BMG-Digitalisierungsabteilung in einem Brief auf, wo für die Apotheken die höchsten Hürden für eine erfolgreiche E-Rezept-Einführung liegen. Lösungsvorschläge hat sie ebenfalls parat.

Im kommenden Jahr soll das E-Rezept für die allermeisten Arzneimittel Pflicht werden. Das betont das Bundesgesundheitsministerium (BMG) immer wieder. Schon jetzt steht im Gesetz (§ 360 SGB V), dass seit dem 1. Januar 2022 Vertrags(zahn)ärzte verschreibungspflichtige Arzneimittel elektronisch zu verordnen haben und Apotheken verpflichtet sind, diese E-Rezepte zu bedienen. Mit dem Digitalgesetz soll dieses Datum nur mit Blick auf die Apotheken gestrichen werden – denn diese sind bekanntlich längst „E-Rezept-ready“. Aber das allein reicht nicht für einen reibungslosen Ablauf von Ausstellung bis Abrechnung. Jüngst hat auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in der „Apotheken Umschau“ darauf hingewiesen, dass es noch Anlaufschwierigkeiten beim E-Rezept gebe. 

Nun hat ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf, zuständig für den Geschäftsbereich Ökonomie, der Chefin BMG-Abteilung Digitalisierung und Innovation, Susanne Ozegowski, einen Brief geschrieben. In dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, macht Korf deutlich: Obwohl sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) unermüdlich bemüht und Probleme thematisiert habe, gebe es noch immer solche, die nicht abschließend gelöst seien. Sodann zeigt sie die wesentlichen Hürden auf.

Datenqualität: Mehr Mitsprache gefordert

Zum einen lasse bei vielen Verordnungen die Datenqualität zu wünschen übrig. Ursächlich hierfür sind unter anderem die sogenannten FHIR-Verordnungsprofile, die im Zusammenspiel mit den technischen Anlagen des Bundesmantelvertrags für die Ärzte zu viel Interpretationsspielraum ließen. Der DAV habe bereits darum gebeten, in den Verhandlungen zur technischen Ausgestaltung der E-Verordnung mindestens ins Benehmen gesetzt zu werden. Schließlich sind die Verordnungen in den Apotheken Grundlage allen Handelns. „Dass die Apothekerschaft hier kein Mitspracherecht besitzt und trotz konstruktiver Vorschläge nicht ausreichend gehört wird, ist inakzeptabel“, betont Korf. Diese Unzulänglichkeiten erschwerten auch die Umsetzung in den Praxisverwaltungssystemen. Korf bittet daher erneut, den DAV in die entsprechenden Verhandlungen einzubinden.

Kritische Freitextfelder

Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt der ABDA sind die Freitextfelder der E-Rezepte, die z. B. für die Berufsbezeichnung oder Dosierangaben genutzt werden können. Schließlich geht es bei der Digitalisierung darum, Daten so zu strukturieren, dass sie automatisiert verarbeitet werden können. Freitextfelder laden hingegen ein, willkürlich genutzt zu werden. „Bemühungen unsererseits, hier Anpassungen zu erwirken, werden leider weitestgehend ignoriert“, schreibt die ABDA-Geschäftsführerin. Ihr Lösungsvorschlag: Die Nutzung von Freitextfeldern sollte auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Die Nutzung strukturierter Daten müsse verpflichtend sein, wo immer dies möglich ist. Auf jeden Fall sollte Apotheker*innen, die Freitextverordnungen beliefern, mehr Spielraum bei der Abgabe ermöglicht und die Retaxationsmöglichkeiten der Kostenträger deutlich eingeschränkt werden.

Generell weist Korf darauf hin, dass das E-Rezept der Kostenträgerseite neue Möglichkeiten für Retaxationen bietet – insbesondere, da es sich um einen neuen Prozess mit hoher technischer Detailkomplexität handele. Aktuell stünden Apotheken weitestgehend schutzlos vor dieser Situation. Unbefriedigend sei vor allem der Umstand, dass Kassen auch nach Jahren noch Retaxationen aussprechen könnten. Dies berge die Gefahr, dass Fehler nicht gemeldet werden, um später damit Kosten drücken zu können. Um diese unverhältnismäßige Gefahr für die Apotheken abzumildern, wäre eine maximale Frist zur Retaxation von einem Monat ein probates Mittel, schlägt Korf vor.

Mehr Rechtssicherheit!

Als weiteres Problem nennt die ABDA-Geschäftsführerin eine mangelnde Rechtssicherheit. Die Transformation hin zu digitalen Prozessen sei nur dann möglich, wenn gleichzeitig die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend modernisiert würden. Doch das klappt nicht immer. Zwar bemühe sich das BMG, fortlaufend die Grundlagen für Digitalisierung im Sozialgesetzbuch V festzuschreiben, vergesse dabei aber regelmäßig, dass auch Verordnungen und Gesetze der Versorgungsprozesse angepasst werden müssten. Digitalisierung, so Korf, dürfe nicht nur von der Selbstverwaltung und den Leistungserbringern gefordert werden, sondern muss auch im BMG über die Digitalisierungsabteilung hinaus Kernthema sein. Es müsse beim E-Rezept klare Vorgaben geben, welche Produkte Leistungserbringer elektronisch verordnen dürfen, welche formalen Anforderungen dabei gelten und welche Prüfpflichten sich daraus für Apotheker*innen ergeben.

Visualisierung von Verordnungen

Hilfreich für die Kommunikation wäre des Weiteren eine einheitliche Visualisierungsmöglichkeit für E-Rezepte. Der DAV habe dazu bereits den Vorschlag für ein zentrales, verbindliches Stylesheet gemacht. Auf Fachebene finde diese Idee viele Anhänger, so Korf, insbesondere dort, wo Menschen zum E-Rezept korrespondieren müssen. Derzeit seien alle „Anwender“ auf die Visualisierung in ihren jeweiligen Softwaresystemen, bis hin zur E-Rezept-App, angewiesen. Dies erschwere vor allem die Kommunikation bei Rückfragen, Klärfällen, Erstattungsanträgen und in Retaxationsangelegenheiten. Die ABDA wünscht sich auch hier gesetzliche Vorgaben.

Referenzvalidator verbindlich einsetzen

Ein weiterer Punkt ist der Referenzvalidator – ein Tool, das beim E-Rezept prüfen soll, ob der erzeugte Datensatz korrekt ist. Er biete einen Mehrwert, der von allen Seiten anerkannt werde, so Korf. Aber: „Bedauerlicherweise konnte ein verbindlicher Einsatz des Referenzvalidators an allen zentralen Punkten des E-Rezeptes nicht erreicht werden.“ Als absolut zwingend notwendig sieht die ABDA nach wie vor den Einsatz am E-Rezept-Fachdienst an. Hier komme ein alternativer Validator zum Einsatz, der keine hundertprozentige Ergebnisgleichheit zum Referenzvaldiator erreiche. „Leider kommt die Gematik hier nicht dem Beschluss nach, erstens das entsprechende Delta strukturiert zu identifizieren und dieses dann zweitens schnellstmöglich zu beseitigen.“ Auch hier soll das BMG nun nachhelfen.

Zuletzt führt Korf noch an, dass es mit der steigenden Zahl von E-Rezepten auch häufiger zu Ausfällen zentraler TI-Komponenten gebe. Aktuell betroffen seien oft die VSDM-Dienste, die für den Weg der Einlösung per Stecken der eGK nötig sind. Während in Arztpraxen schnell auf das Muster 16 als Ersatzverfahren ausgewichen werden könne, sei dies mit einem Patienten am HV-Tisch nicht ohne weiteres möglich. Hier fehle nach wie vor ein alternatives Ersatzverfahren. Es müsse auch einen technischen Support für Apotheken gebe, der sich an den Öffnungszeiten der Apotheken orientiere.

Abschließend schreibt Korf an Ozegowski: „Bitte betrachten Sie dieses Schreiben als Ausdruck unseres Interesses an einer rechtssicheren, zeitnahen und nutzerorientierten bundesweiten Einführung des E-Rezeptes. Wir vertrauen darauf, dass diese Anliegen ebenfalls in Ihrem Interesse liegen und unsere Vorschläge Widerhall finden“.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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12 Kommentare

E Rezepte

von Helga Amann am 21.12.2023 um 19:26 Uhr

Von Anfang an war ich der Meinung, dass die Einführung des E Rezeptes die betriebswirtschaftliche Situation der Apotheken enorm gefährden wird und ich sehe mich jetzt bestätigt bei all den Kommentaren und Beschreibungen aus der Praxis.
Uns , als Letzte in der Kette, beißen die Hunde!
Die Einzigen, die davon profitieren sind die Datensammler , die die Patienten noch gläserner machen wollen und die Krankenkassen, die noch leichter ihre Retaxationswut wegen minimaler Formfehler an uns austoben können.
Das pro Argument der angeblichen Zeitersparnis und Schnelligkeit beim
E-Rezept ist geradezu lächerlich !!
Kann alle Kollegen verstehen, die es leid sind!
Wir als Apothekerschaft müssten vielmehr zusammenhalten und gegen diese vielen Risiken, die uns je aufgezwungen werden vorgehen.
Wo bleibt die unternehmerische Freiheit, wenn ich das finanzielle Risiko tragen muss für etwas auf das ich keine Entscheidungsfrreiheit habe und was mir aufgezwungen wird!!!

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AW: E Rezepte

von Elke Steinmeyer am 21.12.2023 um 22:18 Uhr

da kann ich nur zustimmen !! Wir alle sind mehr als Leistungs erbringer für Digitalisierung!
Ärzte und Apotheker und sämtlich Mitarbeiter : wir können uns zusammenschliessen !Gemeinsam sind wir stark / siehe Treckerdemo!

Kaisers neue Kleider 2.0

von Hermann Balleis am 21.12.2023 um 4:43 Uhr

Jeder weiß dass es nicht klappt. Aber es traut sich von den Funktionären keiner was zu sagen.

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Geeeeeht , aber reden wir von Geld....

von Thomas B am 20.12.2023 um 9:27 Uhr

Nach einem halben Jahr eRezept kann man sagen, im Großen und Ganzen geeeeht es grade mal so....
Kinderkrankheiten werden nach und nach verschwinden, auch Unsicherheiten wie die (Ver)sicherung der Datensätze sollten lösbar sein.....
Was sich aber sicher nicht bessern wird, ist der immense ZUSÄTZLICHE Zeitaufwand für die Bearbeitung. Hier ist dringendst Handlungsbedarf! Die Bearbeitung eines eRezepts erfordert vom Abrufen bis zur Abrechnung im Schnitt annähernd die doppelte Arbeitszeit wie ein klassisches Papierrezept. Hauptverantwortlich dafür ist zum Einen die Technik selbst durch den Zeitbedarf beim Abrufen und Abschliessen, zum Andern die extrem umständliche Dokumentation, wenn einmal etwas nicht nach Schema F geht, zB bei der Bearbeitung von Lieferengpässen. Diese Zeiten werden sich auch durch Übung nicht nennenswert verkürzen lassen und müssen daher zwingend bei der längst überfälligen Honoraranpassung zusätzlich miteinbezogen werden!

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e-rezept

von ratatosk am 20.12.2023 um 8:28 Uhr

Man kann es kurz zusammenfassen.
Karl will einen Erfolg rausposaunen, egal ob es funktioniert, bei dieser Materie kann man leicht über den Erfolg lügen.
Die GKV will retardieren, hier ist das ideale Feld fürs großflächige Abzocken, also kein Eifer beim Optimieren der Programme.
Die Gematik kann es nicht oder will es nicht richtig machen, da überfordert und wohl auch Druck vom Cheffe.
Ein paar falsche Code des lächerlichen QR Codes bei teuren Medikamenten, Insolvenzgefahr bei Apotheke, Boni bei GKV, für die bestimmenden Stellen bei der Gesundheitspolitik, alles in bester Ordnung.
Bearbeitung von mehreren Rezepten dauert weil länger als mit Papier - und das soll der Fortschritt sein - nur in D bei der deutschen Politik.
Wir sperren daher in Kürze die einzige Apotheke im Ort zu, traurig aber unumgänglich, machen uns für die Honks doch nicht mehr zum Affen. Soll doch Karl den Kioskhausmeister spielen.

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Freitext Verordnungen

von Andreas Grünebaum am 19.12.2023 um 21:26 Uhr

Gerade erst gestern ein Rezept aus einer nahegelegenen Praxis über diverse Verbandstoffe (!).
Merke: der Arzt könnte über die Freitextverordnung auch den aktuellen Asterix Band "verordnen" können, ohne dass das System in der Praxis eine Fehlermeldung geben würde. Wenn aber dies doch in unserer WaWi sofort als Fehler erkannt wird, warum dann nicht von der Praxissoftware?
P.S.: der Kunde zog es bei einer Differenz von 20 Euro vor, lieber als Selbstzahler einzukaufen, als in die Praxis zurück zu gehen.

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AW: Freitext Verordnungen

von Luisa janssen am 20.12.2023 um 7:50 Uhr

Auch BTM gehen als Freitextverordnungen, zum Beispiel Cannabisrezepturen, ohne, dass die EDV in der Apotheke Alarm schlägt. Da kann man nur auf sehr wache Mitarbeitende hoffen. Sonst rutscht so etwas am ende auch noch durch und man steht mal wieder mit mehreren Füßen im Knast.

E-Rezept - NEIN - wir sind NICHT bereit

von Martin Straulino am 19.12.2023 um 19:41 Uhr

Leider hat die ABDA seit Jahren ihr Duckmäusertum gestärkt und herausposaunt "Wir sind bereit" und damit auch noch die Ärzteschaft irritiert und brüskiert, obwohl die viel schlauer waren, indem sie beim E-Rezept aus sehr gutem Grund gebremst haben. Da hilft ein wenig guter Wille von Frau Korf jetzt auch nicht mehr.

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E-Rezept

von Dr. Radman am 19.12.2023 um 19:39 Uhr

Das e-Rezept entwickelt sich langsam zu einer Katastrophe.

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AW: E-Rezept

von STEPHAN gARRECHT am 21.12.2023 um 18:29 Uhr

Keine Bange,das wird sich noch beschleunigen

Wow!

von Eimer Langsdorf am 19.12.2023 um 19:24 Uhr

Kurz vor Weihnachten wacht sogar der DAV auf!
Bislang lässig gefahren und jetzt soll alles "böse" am eRezept sein...
Es war seit Monaten abzusehen, dass das katastrophal werden wird: vom Referenzvalidator hat man nichts mehr gehört geschweige denn gesehen und die gematik behauptet auf Ihren Werbeseiten stolz&fest, dass alle eRezepte korrekt ausgestellt würden (Prüfung bei Eingabe, soso). Freitextverordnungen - ein Widerspruch in sich in einer digitalen Anwendung. "Schnelligkeit" beim Abruf - wer von einem Patienten 9 Medikamente (also 9 eRezepte) auf einmal abgeruft, kann sich parallel erst einmal einen Kaffee kochen und vielleicht den wartenden Patienten auch damit beglücken - Zeit ist ja genug, trotz 100mBit-Leitung.
Das Ding ist eine Farce mit Ansage und das mitten in die Liefer-/Engpassproblematik hinein.
Versagen des BMGs, der gematik und eines tiefschlafenden DAVs...

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Versicherung der Datensätze gegen Verlust

von Luisa Janssen am 19.12.2023 um 19:23 Uhr

Darüber hinaus scheint es nach wie vor keine Möglichkeit zu geben, die eRezepte gegen Verlust auf dem Weg bis zur Abrechnung zu schützen. Falls eben doch mal ein Server abraucht oder sie sonst wie verloren gehen. Aussage Versicherung: Rezepte liegen nicht physisch vor und sind daher im Grunde nicht gegen Verlust versicherbar. Aussage Software-Anbieter: es gibt aktuell noch keine rechtssichere Lösung. Gelackmeierter, wenn es passiert: Diejenige Apotheke, deren Datensätze verschwinden, so dass sie die abgegebenen Arzneimittel nicht nachweisen kann und nicht erstattet bekommt. Vollkommen inakzeptabel und hochgradig riskant.

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