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Folgen der Umverteilung
Falsche Rechnung - minimale Förderung - maximale Nebenwirkungen
Die im „Handelsblatt“ genannten Zahlen zur Änderung der Apothekenhonorierung ergeben keine faire Umverteilung - und vermutlich hat das BMG das bereits gemerkt. Doch auch eine richtig gerechnete Umverteilung wäre ein Problem für die Apotheken, weil die Inflation dann langfristig noch stärker wirken würde. DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn erläutert einige Hintergründe zu den kursierenden Zahlen.
Wie wirkt sich die geplante Honorarumverteilung vom prozentualen zum festen Zuschlag auf einzelne Apotheken aus? Dazu kursieren derzeit einige Modellrechnungen - doch die stehen auf einer fragwürdigen Grundlage. Ausgangspunkt der Rechnungen sind die angekündigten Erhöhungen des Festzuschlags, die am Mittwoch im „Handelsblatt“ genannt wurden. Demnach soll der Festzuschlag auf Rx-Arzneimittel zweimal um jeweils 19 Cent steigen. Doch schon eine kurze Abschätzung zeigt, dass das nicht reicht, um die Einbußen beim prozentualen Zuschlag auszugleichen.
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Offenbar hat das auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gemerkt. Vermutlich werden deshalb im Eckpunktepapier keine genauen Zahlen dazu genannt. Dort steht nur, dass die Verminderung des prozentualen Zuschlags „1:1 für eine entsprechende Erhöhung des Festzuschlags“ verwendet werden soll - siehe auch in der Analyse vom Donnerstag bei DAZ.online. Es ist also davon auszugehen, dass das BMG die Erhöhungen des Festzuschlags neu berechnen wird.
Änderung des Festzuschlags fehlerhaft
Dass die im „Handelsblatt“ genannten Zahlen nicht passen, zeigt folgende Rechnung: Aus den Daten des Notdienstfonds für 2022 ergibt sich, dass ein Cent Festzuschlag 7,55 Millionen Euro Honorar entspricht. 38 Cent Erhöhung ergeben daher 286,7 Millionen Euro. Gemäß Wirtschaftsbericht der ABDA für 2022 setzten die Apotheken 64,27 Milliarden Euro um, davon 83,8 Prozent Rx-Arzneimittel, das sind 53,86 Milliarden Euro. Der Wareneinsatz der Apotheken betrug 78,4 Prozent. Das ergibt rechnerisch einen Wareneinsatz von 42,22 Milliarden Euro. Der Anteil des Wareneinsatzes am Umsatz bezieht sich aber auf alle Umsätze, auch im OTX- und OTC-Bereich. Er entspricht nur einem Aufschlag von 27,5 Prozent. Das ist weniger als sich im OTX-Bereich gemäß AMPreisV ergibt, und auch viele OTC-Arzneimittel werden wohl mit höheren Aufschlägen kalkuliert. Der Wareneinsatz im Rx-Bereich wird daher etwas höher als 42,22 Milliarden Euro sein. Da es auch Einkaufsvergünstigungen gibt, wird der Einkaufswert zu Listenpreisen noch höher sein. Die prozentuale Honorierung ergibt sich aber aus dem Einkaufswert zu Listenpreisen. Ein Prozent davon muss also mehr als 422 Millionen Euro sein.
Auch wenn nicht alle Rx-Arzneimittel der Preisbildung nach dem Kombimodell unterliegen (z. B. Grippeimpfstoffe), ist das viel mehr als die oben ermittelten 286,7 Millionen Euro. Vielleicht hatte das BMG in der ersten Rechnung nur die GKV-Zahlen betrachtet und nicht alle Umsätze. Wie auch immer, 38 Cent reichen als Ausgleich keinesfalls. Das BMG wird neu rechnen müssen. Ansonsten wäre das Problem tatsächlich noch größer, die Umverteilung wäre dann eine Mogelpackung.
Modellrechnungen mit Tücken
Modellrechnungen, die auf der Erhöhung des Festzuschlags um 38 Cent basieren, führen daher nicht weiter. Selbstverständlich kommt dabei heraus, dass die Apotheken mehr belastet als entlastet werden. Bei dieser Rechnung gibt es praktisch nur Verlierer. Das liegt aber nicht an der Idee, sondern an einem Rechenfehler des BMG. Die Formulierung der Eckpunkte lässt vermuten, dass das BMG das gemerkt hat. Ein weiteres Problem bei Modellrechnungen ist der Kassenabschlag. Die Senkung des Kassenabschlages vermischt sich mit der Änderung der AMPreisV. Wer die Konsequenzen der einzelnen Maßnahmen erkennen will, muss daher zwei getrennte Rechnungen anstellen.
Umverteilung ohne Konzept
Doch wie würde sich die geplante Honoraränderung auswirken, wenn das BMG die Zahlen korrigiert? Wenn die Honorierung „1 zu 1“ umgestellt wird, müssen sich Gewinne und Verluste ausgleichen. Für Apotheken, in denen sich die Preise der Rx-Packungen wie im gesamten Arzneimittelmarkt verteilen, würde sich kurzfristig (!) nichts ändern. Vor- und Nachteile würden sich ausgleichen. Vermutlich gilt das für sehr viele Apotheken. Wer überdurchschnittlich viele Packungen mit überdurchschnittlichen Preisen abgibt, wird dagegen Nachteile haben. Das betrifft keineswegs nur Hochpreiser, sondern schon Arzneimittel mit Einkaufspreisen im hohen zweistelligen Euro-Bereich. Der Durchschnittseinkaufswert der Rx-Arzneimittel kann hier als Orientierung dienen. Steuerberater sind jetzt gefragt, ihre Mandanten zu informieren, wo der Durchschnittseinkaufswert ihrer Rx-Arzneimittel im Vergleich zu anderen Apotheken liegt. Das wird die wesentliche Orientierungsgröße für die anstehenden Abschätzungen sein.
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Da sich Hochpreiser erfahrungsgemäß bei einigen Apotheken häufen, werden diese die größte Belastung erleiden. Dem wird eine Entlastung bei Apotheken gegenüberstehen, deren Rx-Durchschnittseinkaufswert unter dem Branchendurchschnitt liegt. Die Abweichungen dieses Wertes nach unten in einzelnen Apotheken sind aber naturgemäß viel geringer ausgeprägt als die Abweichungen nach oben bei einigen Apotheken in speziellen Situationen. Darum wird die Umverteilung voraussichtlich für ziemlich viele Apotheken eine sehr kleine Entlastung bringen, die im Vergleich zur Kostenentwicklung kaum spürbar wird. Die positive Seite dieser Umverteilung wird so breit gestreut und dadurch so gering sein, dass sie keine wirksame Förderung darstellt.
Minimaler Effekt - maximale Nebenwirkungen
Als Förderung wirkt die Umverteilung also minimal. Ihre unerwünschten Wirkungen sind dagegen maximal. Vor allem wird eine Umverteilung zu einer festen Honorierung, die heute noch fair ist, morgen eine Belastung. Das ist genau der Effekt, der 2004 mit dem Kombimodell stattgefunden hat, für das es bis heute keinen Anpassungsmechanismus gibt. Die Inflation wirkt dann noch stärker gegen die Apotheken. Der Fehler von 2004 würde wiederholt und verstärkt, statt ausgeglichen. Das ist voraussichtlich der stärkste Effekt der Umverteilung und hier liegt mittel- und langfristig das wesentliche Problem dabei. Das ist die eigentliche Mogelpackung!
Wer kann noch Hochpreiser liefern?
Zu den Wirkungen auf die Apotheken insgesamt kommt die drohende negative Anreizwirkung in einzelnen Versorgungssituationen. Apotheken mit ungünstigen Finanzierungsbedingungen werden dann noch größere Schwierigkeiten haben, Hochpreiser-Rezepte zu beliefern. Das kann zumindest lokal zu Versorgungsschwierigkeiten führen. Als Unsicherheit bleibt die Zinsentwicklung. Sollten die Zinsen (entgegen den derzeitigen Erwartungen) weiter steigen, würde diese Belastung zunehmen.
Fazit: Viel Ärger, kein Nutzen
Das alles ergibt zwei Erkenntnisse: Erstens sind die bisher kolportierten Zahlen unhaltbar. Eine solche Umverteilung wäre eine Mogelpackung. Doch vermutlich weiß das BMG das bereits. Zweitens wäre auch eine richtig gerechnete Umverteilung ein langfristiges Problem. Der Fördereffekt wäre minimal, die Nebenwirkungen wären maximal, vor allem auf lange Sicht.
3 Kommentare
Denn Sie wissen nicht was Sie tun
von Gregor Nelles am 25.12.2023 um 15:13 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wohin soll das alles führen?
von Karl Friedrich Müller am 22.12.2023 um 15:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Wohin soll das alles führen
von Karl Friedrich Müller am 22.12.2023 um 15:41 Uhr
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