Nach Kritik von Kassen und Patientenschützern

Chef des Virchowbunds verteidigt Arztpraxis-Streik zwischen den Jahren

Stuttgart - 27.12.2023, 14:00 Uhr

Zwischen den Jahren sollen Praxen nicht nur wegen Urlaub, sondern auch aus Protest geschlossen bleiben. (Foto: imago images / Bihlmayerfotografie)

Zwischen den Jahren sollen Praxen nicht nur wegen Urlaub, sondern auch aus Protest geschlossen bleiben. (Foto: imago images / Bihlmayerfotografie)


Ärzteverbände haben dazu aufgerufen, Hausarzt- und Facharztpraxen bundesweit zwischen den Jahren geschlossen zu halten, um gegen die Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu protestieren. Kritik an der Aktion kam von der Stiftung Patientenschutz und dem GKV-Spitzenverband. Der Bundesvorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich, hat den Streik am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“ verteidigt. 

Nicht nur die Apotheken gegen gehen die aktuelle Gesundheitspolitik auf die Barrikaden. Auch die niedergelassenen Ärzte sind mehr als unzufrieden. Deswegen haben Ärzteverbände, wie der Virchowbund, daher Ende November dazu aufgerufen, Hausarzt- und Facharztpraxen diese Woche zwischen Mittwoch und Freitag geschlossen zu lassen – allerdings dürften zwischen den Jahren die meisten Praxen ohnehin Ferien machen. Die Aktion ist Teil der Kampagne „Praxis in Not“, die von mehr als 20 Verbänden unterstützt wird. Der Bundesvorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich, hat den Streik am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“ verteidigt. Er beklagte dort überbordende Bürokratie. „Hier muss endlich mal der Gordische Knoten durchschlagen werden, damit die Praxen entlastet werden von Dingen, die uns von den Patienten abhalten“, sagte Heinrich. „Denn unsere vordringlichste Aufgabe ist natürlich, sich um die Menschen zu kümmern. Und dafür brauchen wir mehr Zeit und weniger Zeit für Papier.“

Mehr zum Thema

Gegen Lauterbachs Gesundheitspolitik

Protest: Arztpraxen nach Feiertagen geschlossen

„Systematischer Wegfall von Leistungen“

Freie Heilberufe senden SOS auf gemeinsamer Pressekonferenz

Rückblick 2023: Proteste stärken Bündnis mit Landespolitikern

Apothekenprotest: Nur der Anfang?

Der Virchowbund der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte konnte am Mittwoch keine Angaben zur Zahl der beteiligten Praxen machen, weil der Streik dezentral organisiert werde. Man rechne aber mit bundesweit mehreren Zehntausend geschlossenen Praxen, erklärte eine Sprecherin. Die Praxen waren dazu aufgerufen worden, ihre Patienten über die Schließung zu informieren, auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen und für Vertretung für dringende Notfälle zu sorgen.

In vielen Praxen gebe es einen Aufnahmestopp, weil das Geld zur Behandlung fehle, erklärte Heinrich. Viele Ärzte gingen deswegen früher als geplant in Rente. Er bemängelte die Streichung der sogenannten Neupatientenregelung zu Jahresbeginn, die Ärzten seit 2019 besondere finanzielle Anreize bot, damit sie neue Patienten aufnehmen und kurzfristig zusätzliche Termine anbieten. Nun würden für einen Euro an Leistungen für neue Patienten nur noch 70 Cent bezahlt.

Kein Verständnis bei der GKV

Der GKV-Spitzenverband, der die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen vertritt, reagierte mit Unverständnis. „Wenn die Ärzteschaft mit der Gesundheitspolitik über Kreuz liegt, dann ist es weder angemessen noch fair, die Patientinnen und Patienten vor geschlossenen Praxistüren stehenzulassen. Und das gerade in einer Zeit, wo wir in Deutschland Spitzenwerte bei Atemwegserkrankungen haben“, sagte Sprecher Florian Lanz der Deutschen Presse-Agentur. „Am Geld kann es jedenfalls nicht liegen, denn die Ärzte-Honorare der gesetzlichen Krankenkassen werden im kommenden Jahr um rund zwei Milliarden Euro steigen.“ Im Gegensatz zu den Apotheken gibt es bei Arztpraxen nämlich einen regelmäßigen Anpassungsmechanismus.

Auch der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte vor Belastungen für Betroffene. Der ärztliche Bereitschaftsdienst sei in diesen Wochen stark eingeschränkt, da die Kassenärztlichen Vereinigungen die Verträge mit den Poolärzten gekündigt hätten. „Tatsächlich gilt es, die Mediziner mehr zur Kasse zu bitten, die beim Notdienst nicht mitmachen wollen“, verlangte er. „Gerade im ländlichen Raum treffen die Aktionen vor allem alte und schwache Menschen. Andere Freiberufler würden grundsätzlich nicht gegen ihre Kunden streiken.“

Lauterbach will sich mit den Hausärzten im Januar zu einem Krisengipfel treffen, um über die beklagte Überlastung und die viele Bürokratie in den Praxen zu beraten.

Protestpause bei der Apothekerschaft

Die ABDA hatte nach dem Protestmonat November erst einmal eine Protestpause angekündigt, u, Gespräche mit der Politik zu führen. Wie lange das vor dem Hintergrund der kurz vor Weihnachten bekannt gewordenen Eckpunkten für eine Apothekenreform noch Bestand hat, bleibt abzuwarten.


dpa-afx / jb
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Ärztestreik

von Wolfgang Steffan am 29.12.2023 um 9:07 Uhr

Der Virchow-Bund hat völlig Recht mit seinem Streik.
Ich wollte, die Apothekerschaft würde auch einmal so streiken. Dann erst bewegt sich etwas, und das wollen wir
schließlich. Beispiel: Der teuere Quatsch namens Präqualif..
Sogar die Politiker sind sich einig, daß dieser Unfug gewaltig
reduziert werden muß, aber, bewegt sich denn etwas ??
Daß es den Herrschaften, denen ein Streik, wann immer er
stattfindet nicht paßt, ist doch klar. Auch der Chef der Lokführergewerkschaft
hat meine Sympathie, denn, ein Streik der nicht weh tut, ist
kein Streik !
Und jetzt sollen wir auch noch die Ausweise der Kunden
kontrollieren, gratis natürlich !
Der Worte sind genug gewechselt- sind wir denn die Sklaven der Krankenkassen ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.