Systeme für effiziente Kommunikationswege im Gesundheitswesen

KIM oder TIM – was eignet sich wofür?

Stuttgart - 23.01.2024, 07:00 Uhr

Direkte Kommunikation wird immer wichtiger: Auch heute schon sind viele Leistungserbringer über Messenger, meist vermutlich WhatsApp, miteinander vernetzt. (Foto: Rene La/peopleimages.com)

Direkte Kommunikation wird immer wichtiger: Auch heute schon sind viele Leistungserbringer über Messenger, meist vermutlich WhatsApp, miteinander vernetzt. (Foto: Rene La/peopleimages.com)


In der zweiten Januarwoche wurden laut TI-Dashboard der Gematik über sieben Millionen E-Rezepte registriert. Die Anzahl der insgesamt eingelösten E-Rezepte liegt damit bei über 30 Millionen. Der Anstieg beim Einlösen der E-Rezepte im TI-Dashboard zeigt eine exponentielle Kurve – auch wenn noch nicht alles rund läuft.

Das E-Rezept dient auch dazu, den Informationsaustausch zwischen Patienten, Arzt und Apotheke in Bezug auf Arzneimittel und Therapie zu vereinfachen. Es löst dabei das bisherige Muster-16-Papierrezept ab. Dieses wiederum hatte im Jahr 1998 seinen Vorgänger, den Rezeptblock, ersetzt und dabei die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen zur Verschreibung in eine strukturierte Form gebracht. Das E-Rezept überführt nun diese Struktur vom Papier in ein digitales Format. Dadurch sollten die Vorgaben der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) noch effizienter zu erfüllen sein.

Kommunikation zum Schutz der Gesundheit

Informationsaustausch ist eine Form der Kommunikation, die im Gesundheitswesen von höchster Relevanz ist. Insbesondere die Patientensicherheit ist gefährdet, wenn therapierelevante Informationen nicht ihren Weg von einem Leistungserbringer zum anderen finden. Das E-Rezept spielt in diesem Digitalisierungs- und Effizienzsteigerungsprozess für Apotheken sicherlich die zentrale Rolle. Nicht zuletzt deswegen, weil durchschnittlich 85 Prozent aller Kundenvorgänge auf ärztlichen Verordnungen basieren. Neben dem E-Rezept gibt es daneben aber noch zwei weitere Dienste in der Telematikinfrastruktur, die Apotheken unbedingt kennen sollten: KIM und TIM.

KIM steht für „Kommunikation im Medizinwesen“ und ist der einheitliche Standard für die elektronische Übermittlung medizinischer Dokumente [1]. TIM wiederum ist die – nicht offizielle – Abkürzung für den TI-Messenger, der als neuer Standard für einen sicheren und interoperablen Instant Messenger im deutschen Gesundheitswesen etabliert werden soll [2]. Die Idee hinter KIM ist einleuchtend und schlüssig: der Daten- bzw. Informationsaustausch im Gesundheitswesen soll erleichtert werden. Dazu setzt man auf etablierte Kommunikationswege, im Fall von KIM auf E-Mails. Durch die Telematikinfrastruktur (TI) verfügt jeder an sie angeschlossene Leistungserbringer über Komponenten wie den Konnektor, der eine sichere Verbindung zur TI aufbaut, sowie ein Kartenterminal, den Heilberufsausweis und eine SMC-B-Karte als Institutionsausweis. Letztere Komponenten dienen der Authentifizierung der Institutionen und Anwender und können auch für qualifizierte elektronische Signierung verwendet werden – beispielsweise von Nachrichten, die über KIM verschickt werden.

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Neben dieser TI-Grundausrüstung wird zur Teilnahme an KIM benötigt:

  • ein KIM-Anbieter,
  • ein KIM-Clientmodul,
  • eine KIM-Adresse und
  • ein Eintrag im Verzeichnisdienst (VZD) der TI.

Die KIM-Anbieter sind im Gematik-Fachportal zu KIM gelistet [3], darin finden sich unter anderem die meisten Anbieter von Apotheken-Warenwirtschaftssystemen. Da eines der erklärten Ziele von KIM ist, Informationen ohne Medienbrüche aus einem Primärsystem, beispielsweise dem Praxisverwaltungssystem (PVS) des Arztes, in ein anderes Primärsystem, beispielsweise das Apothekenverwaltungssystem (AVS) in der Apotheke, zu übermitteln, sollten Apotheken dieses Thema primär mit ihrem Warenwirtschaftsanbieter besprechen.

Auch beim KIM-Clientmodul spielen die Anbieter eine wichtige Rolle. Dieses verbindet den Konnektor mit dem Standard-E-Mail-Programm in der Apotheke. Im Idealfall aber wird das Clientmodul sogar direkt mit der Warenwirtschaft verbunden, sodass KIM-Nachrichten direkt dort ankommen und von dort versendet werden können. In der Regel liefern die Warenwirtschaftsanbieter eine vollintegrierte KIM-Funktion, die das Clientmodul enthalten. Ist das nicht der Fall, kann das Clientmodul natürlich auch separat betrieben werden, über die gängigen E-Mail-Programme wie Outlook oder Thunderbird. Die KIM-Mailadresse wird ebenfalls beim KIM-Anbieter beantragt. In der Regel genügt hierfür eine Mailadresse, die über die SMC-B-Karte an die Apotheke gebunden ist. Soll die Apotheke jedoch über mehrere Adressen kommunizieren, beispielsweise mit Heimen, Kliniken und Arztpraxen jeweils über separate Absender, so ist das ebenfalls möglich und kann ebenfalls über den KIM-Anbieter bezogen werden.

Die gelben Seiten des Gesundheitswesens: der Verzeichnisdienst

Schließlich hat noch der Eintrag im Verzeichnisdienst (VZD) der Gematik zu erfolgen. Dies übernimmt ebenfalls der KIM-Anbieter. Ein enormer Vorteil ist der Netzwerkeffekt des VZD, der vermutlich schon bald als unverzichtbar gelten wird: Je mehr Leistungserbringer dort nämlich eingetragen sind, umso höher wird der Nutzen für alle anderen. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man es sich nicht mehr erlauben kann, im VZD nicht eingetragen zu sein. Viele Apotheken, Ärzte, Krankenhäuser und Zahnärzte haben sich dort bereits eintragen lassen. Die Anzahl der laut TI-Dashboard über KIM versendeten Arztbriefe, eAUs an Krankenkassen und vor allem an KIM-Nachrichten insgesamt sprechen dafür, dass auch dieses Kommunikationstool auf dem besten Wege ist, sich dauerhaft zu etablieren.

Der VZD wird sich zu dem zentralen Adressbuch in der TI weiterentwickeln. Über ihn können die Kontaktdaten aller anderen Akteure im Gesundheitswesen gefunden werden, sofern sie an die TI angeschlossen sind. E-Mail-Adressen und Telefonnummern können ohne großen Aufwand gefunden werden. Mit zunehmender Erweiterung der TI auf andere Gesundheitsberufe, wie beispielsweise Pflegeeinrichtungen oder Physiotherapeuten, wird das VZD ein zentraler Bestandteil der TI mit konkretem Nutzen für alle Leistungserbringer, Kostenträger und auch Patienten werden. Auch beim TI-Messenger kommt er zum Einsatz (siehe unten).

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KIM oder TIM – was eignet sich wofür?

Was verschickt man über KIM?

Über KIM können sich die Nutzer Befunde wie Labordaten oder Röntgenbilder, (elektronische) Arztbriefe, Heil- und Kostenpläne, (elektronische) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder auch Abrechnungen schicken. Sofern beispielsweise ICD-10-Codes in Arztbriefen strukturiert hinterlegt sind und in das Kundenkonto in der Warenwirtschaft automatisch eingelesen werden können, sind derlei Informationen auch für Apotheken interessant und relevant. So wüsste die Warenwirtschaft immerhin bei einem hinterlegten ICD-10-Code 73.8, dass der Kunde unter einer sonstigen Laktoseintoleranz leidet und bei Arzneimitteln mit dem Hilfsstoff Laktose eine Substitution indiziert ist.

Aktuell profitieren jedoch vor allem Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen von den über KIM verschickten Informationen, da sie in deren (heil-)beruflichem Alltag eine größere Rolle spielen als in Apotheken. Interessant ist KIM vor allem für Apotheken, die eine stationäre Pflegeeinrichtung gemäß § 12a Apothekengesetz (ApoG) mit Medikamenten und dem Rezeptmanagement für Dauermedikation versorgen. Hier wurden in der Vergangenheit, zu Zeiten von Faxgerät und Papier, Ausdrucke mit Arzneimitteln, deren Reichweite beim Patienten sich dem Ende neigt, an die verordnenden Ärzte gefaxt, damit diese Folgerezepte ausstellen. In der aktuellen Kommentierung zu „KIM-Nachrichten für das E-Rezept“ [4] wird aber klargestellt, dass sowohl die Rezeptanforderung seitens der Apotheke als auch der Rezeptversand durch den Arzt „über die Pflegeeinrichtung“ erfolgen sollen. Selbst wenn die Möglichkeit der automatischen Weiterleitung aus den Systemen der Pflegeeinrichtung explizit in der Kommentierung erwähnt wird, so liegt die Schwierigkeit dieses für heimversorgende Apotheken interessanten Konstrukts ganz woanders. Für Pflegeeinrichtungen ist eine Anbindung an die TI nämlich erst ab Juli 2025 verpflichtend. Dennoch wird dieser Anwendungsfall die Arbeit für Heimversorger spürbar erleichtern.

Was sagt TIM dazu?

In vielen Berufen wird schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, mit Instant-Messengern gearbeitet. Inzwischen gibt es davon unzählige, mit zu den bekanntesten dürften WhatsApp oder der Facebook-Messenger zählen. Beide können sowohl mobil als auch auf dem Desktop betrieben werden und unterstützen die kurzfristige, formlose und asynchrone Kommunikation. Sender einer Nachricht sehen meist, wann diese gelesen wurde. Der Empfänger wiederum ist nicht verpflichtet, Aufgaben zu unterbrechen, nur um sofort zu antworten, sondern kann dies dann tun, wenn Zeit dafür verfügbar ist. Ein weiteres Merkmal, insbesondere der Formlosigkeit, sind die Abkürzungen und die Zeichen­sprache, welche in Messengern gerne verwendet werden. Ein Daumen hoch oder das Wort „ok“ symbolisieren meist Zustimmung, daneben gibt es auch noch die sog. Emojis, mit denen Gefühlszustände ausgedrückt werden können. Man mag sie kindisch finden, aber in einigen Fällen ist zumindest im privaten Umfeld eine Abstimmung mit Emojis schneller und effizienter als eine Konversation mit langen Sätzen und korrekter Interpunktion.

Tabelle: KIM versus TIM

 KIMTIM
Wofür steht’s?Kommunikation im 
Medizinwesen
Telematikinfrastuktur-Messenger (TI-Messenger)
Wie funktioniert’s?Versand von E-Mails, entweder aus der Warenwirtschaft oder über ein E-Mail-Programm. Die Mails sind über die TI verschlüsselt und signiert und können Anhänge mit einer Grüße von bis zu 25 MB enthalten.Instant-Messenger, der entweder mobil oder auf einem Desktop laufen kann. Über die TI ist dieser Ende-zu-Ende verschlüsselt.
Wofür geeignet?Austausch von strukturierten Daten wie Befunde, Arztbriefe, Arbeitsunfähigkeits-bescheinigungen, Heil- und Kostenpläne, Abrechnungen, E-RezepteAustausch von unstrukturierten Daten, Kurzmitteilungen, E-Rezept-Token
Wer kann es nutzen?Ausschließlich Heilberufe und Kostenträger mit TI-ZugangHeilberufe, Kostenträger und Versicherte
Was wird benötigt?

TI-Grundausstattung (Konnektor, Kartenleser, HBA, SMC-B) zzgl.

  • KIM-Anbieter
  • KIM-Clientmodul
  • KIM-Mailadresse
  • Eintrag in Verzeichnisdienst (VZD)
Wie nebenan
Pflicht?Für Apotheken ab April 2024Aktuell nicht geplant

Leistungserbringer sind über Messenger vernetzt

Auch heute schon sind viele Leistungserbringer über Messenger, meist vermutlich WhatsApp, miteinander vernetzt. Problematisch dabei ist jedoch, dass es keine Operabilität zwischen unterschiedlichen Messenger-Anbietern gibt. Das wird schwierig in dem Fall, in dem Gruppen sich nicht auf einen Messenger einigen können. Daneben gibt es keine einheitliche Zertifizierung zur Gewährleistung der Sicherheit. Wer garantiert einem, dass die WhatsApp-Nachricht des Kollegen aus der Erfa-Gruppe auch tatsächlich von ihm stammt? Was, wenn sein Handy gehackt oder entwendet wurde? Außerdem fehlt es den Messenger-Diensten heute an einheitlichen Vorgaben zur Authentifizierung.

Diese Punkte will die Gematik mit TIM, dem TI-Messenger lösen. Sie basieren auf dem Open Source Standard einer Organisation namens Matrix.org [5]. Im ersten Schritt sollen in diesem Jahr Angehörige von Heilberufen anbieter- und sektorenübergreifend mit dem TI-Messenger kooperieren können. Da TIM auf den VZD zugreift und die Nachrichten Ende-zu-Ende verschlüsselt sind, sind die Probleme der Sicherheit und der Authentifizierung gelöst. In weiteren Ausbaustufen von TIM sollen dann zunächst Krankenkassen und Versicherte in die TIM-Infrastruktur aufgenommen werden und auch der E-Rezept-Token soll darüber weitergeleitet werden können. In einer dritten Stufe schließlich soll auch Videochat- und VoIP-Kommunikation zur Abbildung von Telekon­silen und Videosprechstunden über TIM abgebildet werden.

Jetzt müssen die neuen Tools nur noch eingesetzt werden

„Lieber Herr Doktor, bei mir in der Apotheke steht ein Patient, den seine Smartwatch wegen eines Vorhofflimmerns alarmiert hat. Kann ich ihn schnell hochschicken zu Ihnen in die Praxis?“ könnte künftig also die Apotheke über TIM an einen Kardiologen im näheren Umfeld schreiben. Diese würde dann beispielsweise antworten: „Ja, schicken Sie ihn hoch. Wir haben eine Liege und ein EKG freigemacht.“ Und würde dann idealerweise hinzufügen: „Wenn Sie wollen, schicken wir Ihnen den Befund über KIM zu, damit Sie medikationsrelevante Werte direkt bei sich im System haben.“

Austausch mit anderen Akteuren

KIM und TIM sind sinnvolle Systeme, die dazu genutzt werden sollten, den Austausch untereinander und mit anderen Akteuren wie Pflegeheimen, Krankenkassen oder sogar den Patienten selbst zu fördern. Für strukturierte Informationen, die automatisiert in Primärsysteme eingelesen werden können oder sollten, ist dafür KIM die erste Wahl. Die eher informelle, formlose und kurzfristige Kommunikation ist dagegen mit dem TI-Messenger bestens umsetzbar. Kommunikationsbedarf der Leistungserbringer untereinander gibt es aktuell ja immerhin genug, nicht nur im Hinblick auf Patienten. Denn wer weiß, vielleicht werden ja sogar die nächsten Proteste der Gesundheitsberufe sektorenüber­greifend über TIM koordiniert und geplant. 

 


Florian Giermann, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Unsauber recherchiert

von Leser am 24.01.2024 um 12:37 Uhr

Mit KIM könne bis zu 500 MB Daten übermittelt werden.
KIM entspricht der herkömmlichem E-Mail-Nutzung und kann mit beliebigen E-Mail-Clients verwendet werden. Unterschied ist, dass diese E-Mails E2E-Verschlüsselt in einem "abgeschotteten" Netz der Leistungserbringer übertragen werden.

Es können beliebige E-Mails versendet werden und die Kommunikation auch unabhängig irgendwelcher eArztbrief etc. erfolgen = analog herkömmlicher E-Mailnutzung.

Beste Grüße

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Nutzung von TIM duch "Versicherte"??

von Alexander D am 24.01.2024 um 10:12 Uhr

Ich frage mich, wie Versicherte TIM nutzen sollen, wenn als Voraussetzung´ein Konnektor etc etc etc notwendig sein soll?
(Siehe Tabelle "KIM versus TIM": "Wer kann es benutzen" und "Was wird benötigt").
Entweder stimmt es nicht, dass Versicherte es nutzen können oder die Voraussetzungen sind anders....

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