Neue Prioritäten

EU will eine Milliarde Euro bei Gesundheit kürzen

Berlin - 31.01.2024, 17:50 Uhr

EU-Rat bei Beratungen im Februar 2023 in Brüssel. (Foto: imago images / ZUMA Wire)

EU-Rat bei Beratungen im Februar 2023 in Brüssel. (Foto: imago images / ZUMA Wire)


Die EU braucht unter anderem mehr Geld für die Ukraine, Abschottung und Aufrüstung, als das bei der Planung des Finanzrahmens 2021-2027 vorgesehen war. An diesem Donnerstag sollen auf dem Ratsgipfel deswegen Änderungen am Budget vorgenommen werden – und beispielsweise eine Milliarde Euro aus dem Gesundheitsprogramm EU4Health umgeschichtet werden. NGO aus dem Gesundheitswesen bezeichnen die geplanten Kürzungen als „schockierend“.

An diesem Donnerstag kommen in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU zusammen, um über die Halbzeitüberprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für 2021-2027 zu beraten. „Angesichts beispielloser und unerwarteter Herausforderungen, wie der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die weltweite COVID-19-Pandemie sowie steigende Zinssätze, muss der langfristige Haushalt der EU aufgestockt werden, da er unter Druck geraten ist“, heißt es dazu auf der Webseite des EU-Rats.

Bereits im Dezember hatten die Staats- und Regierungschefs sich zu dieser Frage getroffen, um die neuen Prioritäten zu setzen und zu diskutieren, wie diese zu finanzieren sind. Es geht um 64,6 Milliarden Euro zusätzlich.

Unter anderem werden in der sogenannten Ukraine-Fazilität für die kommenden Jahre des Haushalts 50 Milliarden Euro bereitgestellt – 17 Milliarden in Form von Hilfen und 33 Milliarden als Kredit. Für die sogenannte Migrationsabwehr werden zwei Milliarden lockergemacht. Für Aufrüstung im Rahmen des „Europäischen Verteidigungsfonds“ werden weitere 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Um die Mehrausgaben zu schultern, wird an anderer Stelle gekürzt. Aus einem diesbezüglichen Dokument der belgischen Ratspräsidentschaft vom 15. Dezember 2023 an die Delegationen geht hervor, dass dies unter anderem im Bereich Gesundheit geschehen soll.

So wird dem EU4Health-Programm eine Milliarde Euro entzogen, das sind 20 Prozent des gesamten Budgets. Wie auf der Webseite der EU-Kommission erklärt wird, war das Programm „als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ins Leben gerufen und soll die Krisenvorsorge der EU verstärken“.

Gesundheit Priorität der EU?

EU-4Health solle „die Botschaft“ vermitteln, „dass das öffentliche Gesundheitswesen eine Priorität der EU ist“. Und: Es soll eine „der wichtigsten Instrumente auf dem Weg zur europäischen Gesundheitsunion“ sein.

Vorgesehen war das Geld laut Kommission für folgende Punkte:

  • Gesundheit in der EU verbessern und fördern
    • Gesundheitsförderung und Krankheitsvorbeugung, vor allem bei Krebs
    • Gesundheitsinitiativen und Zusammenarbeit auf internationaler Ebene
  • Schutz von Menschen
    • Prävention, Vorsorge und rasche Reaktion hinsichtlich grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren
    • Ergänzung der nationalen Lagerbestände mit unentbehrlichen krisenrelevanten Produkten
    • Einrichtung einer Reserve von ärztlichen, Gesundheits- und Unterstützungspersonal
  • Zugang zu Arzneimitteln, Medizinprodukten und krisenrelevanten Produkten
    • Gewährleistung, dass diese Produkte zugänglich, verfügbar und bezahlbar sind
  • Ausbau der Gesundheitssysteme
    • Verbesserung von Gesundheitsdaten, digitalen Instrumenten und Diensten; Digitalisierung der Gesundheitssysteme
    • Erleichterung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung
    • Entwicklung und Durchsetzung des EU-Rechts im Gesundheitsbereich sowie faktengestützte Entscheidungsfindung
    • Abstimmung zwischen nationalen Gesundheitssystemen

Allerdings gibt es auch Kritik an der Umschichtung der Gelder. Die EU4Health Civil Society Alliance drückt in einem Brief an den belgischen Premierminister Alexander de Croo und den Gesundheitsminister Frank Vandebroucke ihre „große Besorgnis“ über die Pläne aus. Die Gruppe von über 20 Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus dem Gesundheitsbereich findet „so unverhältnismäßig viele Kürzungen“ bei EU4Health „schockierend“.

Planung bei Gesundheitsfinanzierung wird untergraben

Die NGO weisen darauf hin, dass dies „die Prioritäten und die strategische Planung der Gesundheitsfinanzierung für die verbleibenden Jahre des Rahmens untergraben“ würde. Zitiert wird in diesem Zusammenhang, was die Belgien bei der Übernahme der Ratspräsidentschaft ankündigte:


„Unter der belgischen Präsidentschaft wird sich die Gesundheit um drei übergreifende Themen drehen: Bereitschaft, Pflege und Schutz. Die Präsidentschaft wird betonen, wie wichtig es ist, die Widerstandsfähigkeit der EU gegenüber künftigen Gesundheitsbedrohungen zu stärken, indem das Krisenmanagement verstärkt, die Gesundheitssysteme unterstützt und die Sicherheit der Arzneimittelversorgung verbessert wird.“

Programm der belgischen Ratspräsidentschaft


Die Pandemie habe gezeigt, so die NGO, dass öffentliche Gesundheit nicht nur eine Frage nationaler Zuständigkeit sei, sondern den ganzen Kontinent betrifft. „Aus diesem Grund sind die Prioritäten Bereitschaft, Versorgung und Schutz so wichtig.“

Lektion aus Pandemie „über Bord geworfen“

Auch wenn es derzeit keine offensichtliche unmittelbare Gesundheitsbedrohung wie während der Pandemie gebe, betonen die Nichtregierungsorganisationen, dass Gesundheitssysteme „strategisch geplant“ werden müssen, um „effektiv und robust zu sein“. Es sei „schwer zu verstehen und äußerst enttäuschend“, dass die Lektion, dass die öffentliche Gesundheit in der EU gestärkt werden muss“, so kurz nachdem sie schmerzhaft gelernt wurde, „über Bord geworfen wird“.

Man hoffe, dass man auf die „starke Stimme und Führungsrolle“ der EU-Ratspräsidentschaft „für die Gesundheit der EU-Bürger zählen“ könne und das Budget nicht gekürzt werde, heißt es zum Schluss des Briefes. Verbunden ist das mit einem Angebot der NGO, Belgien und andere EU-Mitgliedstaaten zu unterstützen. Von einem Antwortbrief ist bislang nichts bekannt.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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