Diagnostik

Vier auf einen Streich - Selbsttests bei Atemwegserkrankungen unter der Lupe

Stuttgart - 13.02.2024, 07:00 Uhr

Mithilfe von neuen Vierfachtests können Patienten selbst testen, ob ihr Husten und ihre Erkältungssymptome von einer Influenza-A, Influenza-B-, Corona- oder RSV-Infektion herrühren. (Quelle: MissPic/AdobeStock)

Mithilfe von neuen Vierfachtests können Patienten selbst testen, ob ihr Husten und ihre Erkältungssymptome von einer Influenza-A, Influenza-B-, Corona- oder RSV-Infektion herrühren. (Quelle: MissPic/AdobeStock)


Woher kommen das Fieber und dieser quälende Husten? Ist es Influenza, RSV oder Corona? Neue Kombinationstests versprechen, eine diesbezügliche Unterstützung für das „heimische Labor“ zu liefern. Nachdem zunächst rechtliche Hürden überwunden werden mussten, wurden sie in den Medien sodann als „Supertests“ gehandelt. Doch können die Vierfachtests diese Vorschusslorbeeren erfüllen, wer überprüft ihre Qualität und welche Besonderheiten sind bei der Durchführung und in der Beratung zu beachten?

Der Weg der Vierfach-Selbsttests in die Versorgung war steinig. Nachdem sie pünktlich zur Erkältungssaison Ende 2022/Anfang 2023 bereits zum Verkauf angeboten wurden, musste die Ware schlagartig wieder aus den Regalen verschwinden. Ausbremsend wirkten dabei Bestimmungen der Medizinprodukteabgabeverordnung (MPAV) und des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Die Gesetze geben vor, dass bestimmte In-vitro-Diagnostika (IVD) nicht in Laienhände gelangen dürfen (§ 3 Abs. 4 MPAV). Dabei beziehen sich die Einschränkungen wohlgemerkt auf Diagnostika zum Nachweis einer akuten Infektion mit meldepflichtigen Krankheits­erregern (Auflistung siehe § 7 IfSG). Sie dürfen nur an konkret im Gesetz benannte medizinische Kreise und Institutionen abgegeben werden, zu denen auch Apotheken zählen. Eine Weitergabe an Verbraucher zur Eigenanwendung ist jedoch nicht gestattet. 

Auch bei der eigentlichen Diagnostik meldepflichtiger Erkrankungen/Infektionen und somit bei der Testdurchführung gelten strenge Regeln: Es muss der sogenannte Arztvorbehalt eingehalten werden (§ 24 IfSG). Dieser besagt, dass die Krankheits- oder Infektionsfeststellung nur durch einen Arzt erfolgen darf. Somit verbietet sich bei Krankheitserregern, deren Nachweis meldepflichtig ist, eine Schnelltestung von Patienten durch nicht ärztliches Personal in einer Apotheke.

Ausnahmen von der Regel

Da der Nachweis von Influenza-A- und -B-Infektionen und seit Sommer 2023 auch von RSV-Infektionen meldepflichtig ist, durften also entsprechende Tests weder an Endverbraucher abgegeben noch durch Apothekenmitarbeiter am Patienten durchgeführt werden. Anders sieht es bei SARS-CoV-2 aus, welches bekanntermaßen ebenfalls ein Erreger einer meldepflichtigen Infektionskrankheit ist. Hier wurden verhältnismäßig schnell Ausnahmen für solche In-vitro-Diagnostika geschaffen. Im Zuge und zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie schien es nämlich geboten, Laien selbst eine Testung zu ermöglichen und auch die patientennahe Schnelltestung durch nicht ärztliche Dritte nach Aufhebung des Arztvorbehalts zu gestatten. Mittlerweile existieren aber auch für In-vitro-Diagnostika zum Nachweis von Influenza- und RS-Viren entsprechende Ausnahmen von der Medizinprodukteabgabeverordnung (Anlage 3 zu § 3 Abs. 4), die eine Abgabe der Vierfach-Kombinationstests zur Eigenanwendung erlauben.

Testung in Apotheke verboten

Am Arztvorbehalt wurde bei diesen Erregern hingegen nicht gerüttelt, was bedeutet, dass eine Testung auf Influenza A/B und RSV durch Apotheker und PTA nach wie vor unzulässig ist! Dass hier eine Kontroverse zu der erlaubten patienten­nahen Testung auf COVID-19 besteht und dazu, dass Patienten sich sogar selbst auf Influenza A/B und RSV testen dürfen, wurde von der ABDA in einer Stellungnahme im März 2023 bemängelt [1]. Geändert hat sich an der Situation bisher wenig. Für viele überraschend ließ das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dann per Referentenentwurf im November 2023 verlautbaren, dass man die Abgabebeschränkungen in der Medizinprodukteabgabeverordnung weiter lockern möchte. Konkret soll § 3 Abs. 4 der MPAV, also das Verbot der Abgabe von In-vitro-Diagnostika zum Nachweis meldepflichtiger Infektionen an Laien, gänzlich aufgehoben werden [2]. Dies würde bedeuten, dass man sich zukünftig selbst auf relevante Infektionen, wie Hepatitis A – E, Gonorrhö und Syphilis, testen dürfte, sofern Schnelltests hierzu verfügbar sind.

Testroutinen erlernt?

In seiner Begründung zum Referentenentwurf schreibt das BMG, dass „der bisherige Schutzzweck der Vorschrift, die Bevölkerung vor falschen negativen Ergebnissen zu schützen, insbesondere angesichts der durch die Corona-Pandemie erlernten Testroutinen nicht mehr haltbar erscheint“ [2]. An dieser pauschalisierenden Aussage muss Kritik geübt werden. Denn die angesprochenen „erlernten Testroutinen“ sind erstens nicht gleichbedeutend mit einer tatsächlich in der Allgemeinbevölkerung vorhandenen echten Kompetenz bezüglich korrekter Testdurchführung und -interpretation. Apotheker wissen aus Erfahrung, wie groß die Stolperfallen und potenziellen Fehlerquellen bei der Durchführung für Laien sind. Zweitens tragen die entsprechenden Fähigkeiten eines jeden Einzelnen zwar wesentlich zum Gelingen eines Tests bei, stellen aber auch nur eine Seite der Medaille dar. Falsch negative Ergebnisse sind schließlich auch bei korrekter Anwendung der Diagnostika möglich, von entscheidender Bedeutung ist hierbei die Sensitivität des jeweiligen Produkts. Sie beschreibt die Empfindlichkeit des Tests, das heißt seine Zuverlässigkeit, infizierte oder erkrankte Personen als solche zu erkennen. 

Ein dritter Aspekt ist zu hinterfragen: Darf man den Herstellerangaben zu den Testparametern Sensitivität, Spezifität und Laienverständlichkeit uneingeschränkt glauben? Schließlich erfolgt bisher noch keine unabhängige Validierung von Schnelltests in diesen Punkten, bevor sie auf den Markt gebracht werden. Oft führen die Hersteller nur kleine Studien mit verhältnismäßig wenigen Probanden durch. Vereinfacht gesagt, reichten bislang eine Selbstdeklaration des Herstellers, ein Audit seines Qualitätsmanagementsystems und eine Bewertung der technischen Dokumentation aus, um eine CE-Zertifizierung (Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika in Europa) zu erhalten. Dabei wäre eine vergleichende Evaluierung der Testparameter, wie sie einst das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für die Sensitivität von COVID-19-Tests durchgeführt hatte, zu begrüßen. Diese Untersuchung ergab beispielsweise, dass viele Diagnostika zum Nachweis von SARS-CoV-2 nicht die von den Gesundheitsbehörden geforderte Sensitivität von 75 %, bezogen auf einen Ct-Wert < 25, boten (s. Kasten „Was war noch einmal der Ct-Wert?“). Konkret fielen 26 der überprüften 122 Antigen-Schnelltests mit CE-Kennzeichnung daraufhin durch [3]. Auch in der „echten Welt“ konnten COVID-19-Schnelltests in puncto Sensitivität nicht immer überzeugen und führten zu falsch negativen Testergebnissen (siehe Kasten „Nur jeder dritte Infizierte erkannt“).

Was war noch einmal der Ct-Wert?

Der Ct-Wert (engl. cycle threshold) gibt die Anzahl an Vermehrungszyklen an, die bei einem PCR-Test nötig ist, bis Virus-RNA nachweisbar ist. Der Ct-Wert gilt deshalb als Parameter für die Viruslast des Erkrankten. Während ein hoher Ct-Wert über 35 auf eine sehr geringe Viruslast hinweist, stehen Ct-Werte unter 30 für eine hohe Viruslast.

Überprüfung durch Referenzlabore erst ab 2025

Hält also ein Test überhaupt das, was er verspricht? Wie sind die Qualitätskontrollen gestaltet? Gerade bei hoch­pathogenen Infektionserregern erscheint die Einbindung neutraler Institutionen äußerst erstrebenswert, um initial die Selbstauskunft der In-vitro-Diagnostika-Hersteller zu den Test­eigenschaften zu verifizieren und auch die Chargen­kon­sistenz fortlaufend zu überwachen. Das sah auch die EU-Kommission so und schlug bereits vor Jahren umfangreiche Verbesserungen des existierenden Rechtsrahmens für In-vitro-Diagnostika vor. Durch eine Verschärfung der regulatorischen Anforderungen an In-vitro-Diagnostika sollten hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards etabliert werden. Demnach sind für Produkte der höchsten Risikoklasse D – hierzu zählen beispielsweise Tests auf das humane Immundefizienz-Virus (HIV), Hepatitis, Syphilis und SARS-CoV-2 – Labor­untersuchungen zur Überprüfung der vom Hersteller angegebenen Leistungen gefordert. Wohlgemerkt, bevor diese auf den europäischen Markt gelangen. Eigentlich ist die Umsetzung einer entsprechenden Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates der EU schon seit Mai 2022 verpflichtend (EU-Verordnung IVD-VO 2017/746) [5]. Auf Anfrage der DAZ teilte das Paul-Ehrlich-Institut jedoch mit, dass erst ab 2025 die angestrebte Laborprüfung zur Leistungsbewertung durch ein EU-Referenzlabor (EURL) obligatorisch sein wird [6]. Diese lange, dreijährige Übergangsfrist hat den einfachen und traurig anmutenden Hintergrund, dass bis vor Kurzem keine EU-Referenzlabore für In-vitro-Diagnostika benannt waren, die prüfberechtigt sind.

Nur jeder dritte Infizierte erkannt

Ein groß angelegter prospektiver Praxistest, der zwischen November 2020 und September 2022 am Universitätsklinikum Würzburg stattfand und annähernd 55.000 COVID-19-Screenings umfasste, ließ kein gutes Haar an COVID-19-Antigen-Schnelltests [4]. Bei 1.189 Proben ließ sich per PCR (engl. polymerase chain reaction)-Test eine SARS-CoV-2-Infektion nachweisen. Parallel zum PCR-Test wurde bei jedem Screening einer von drei Schnelltests angewendet. Diese erkannten aber nur 433 der PCR-positiven Fälle, also nur etwas mehr als ein Drittel. 

Hieraus ergibt sich eine Sensitivität der eingesetzten Schnelltests von 36,4 % (433 / 1189; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 33,7 bis 39,2) sowie eine Spezifität von 99,7 % (53.375 / 53.551; 95 %-KI: 99,6 bis 99,7) im Vergleich zum Goldstandard der PCR-Testung. Bei asymptomatischen Betroffenen war die Trefferquote besonders mau, hier detektierten die Schnelltests nur etwa jeden vierten im PCR-Test positiven Fall (26,2 %). Die Autoren beschreiben eine niedrige Viruslast der Testpersonen als entscheidenden Faktor für ein schlechtes Abschneiden der Schnelltests in Bezug auf die Sensitivität, gehen allerdings nicht näher auf etwaige Grenzwerte ein. 

Die hohe Zahl falsch negativer Testergebnisse eröffnet die Frage, ob eventuell Mängel in der Durchführung der Schnelltests oder in der Interpretation der Ergebnisse vorlagen. Es ist jedoch anzunehmen, dass an einem Krankenhaus der Maximalversorgung gut geschultes Personal für das COVID-19-Screening eingesetzt wurde. Deshalb erscheint es plausibler, dass eine unzureichende Sensitivität der Schnelltests, insbesondere bei niedriger Viruslast, ursächlich für die unzuverlässige Detektion infizierter Personen war.

PEI-IVD als EU-Referenzlabor ernannt

Seit Dezember 2023 darf sich nun das seit Jahrzehnten etablierte Prüflabor für In-vitro-Diagnostika am Paul-Ehrlich-Institut (PEI-IVD) EU-Referenzlabor für gleich zwei Prüfbereiche nennen: „Hepatitis- und Retroviren“ sowie „Atemwegsviren“ [7]. In den Aufgabenbereich „Hepatitis- und Retroviren“ fällt dann unter anderem die Prüfung von HIV- und Hepatitis-Diagnostika. Diese werden beispielsweise bei biologischen Arzneimitteln menschlichen Ursprungs (z. B. aus Blut- und Plasmaspenden) eingesetzt, aber auch HIV-Schnelltests zur Selbstanwendung zählen dazu. Gerade hier haben präzise und zuverlässige Tests große Relevanz. Das PEI gab auf DAZ-Anfrage an, dass eine einheitliche Prüfung aller HIV-Selbsttests erst nach Neuzertifizierung dieser Produkte gemäß den Vorgaben der neuen IVD-Verordnung und Einrichtung von EU-Referenzlaboren möglich sein wird [6]. 

Der zweite vom PEI abgedeckte Prüfbereich „Atemwegsviren“ wird sich unter anderem damit befassen, In-vitro-Diagnostika zur Detektion von SARS-CoV-2-Infektionen, also zum Beispiel Antigentests, zu validieren. Somit werden auch die Vierfach-Selbsttests zukünftig vom PEI-IVD kontrolliert werden. Da innerhalb des Kombinationstests nur SARS-CoV-2 der zu testenden Hochrisikoklasse D angehört, nicht jedoch Influenza-Viren und RSV (Klasse C), wird man sich bei der Überprüfung biomarkerspezifisch auf SARS-CoV-2 beschränken [6]. 

Wie bereits erwähnt, gilt eine Übergangsfrist, bis die EU-Referenzlaboratorien mit ihrer Arbeit beginnen und die neuen Zertifizierungsregeln implementiert sind. Somit haben Anbieter betroffener In-vitro-Diagnostika, die sich gemäß den Vorgaben der alten Richtlinie selbst CE-zertifizieren konnten, noch viel Zeit, ihre Produkte zu vermarkten. Produkte der Risikoklasse D müssen lediglich bis zum 25. Mai 2025 nach den neuen, strengeren Vorgaben, insbesondere zur Leistungsbewertung der Sensitivität und Spezifität, kontrolliert worden sein, um auch darüber hinaus verkauft werden zu können. Übrigens zählt eine Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit von Selbsttests für Laien nicht zu den Aufgaben eines EU-Referenz­labors [6].

Sensitivität und Spezifität von Vierfachtests

In Deutschland sind bisher drei Kombinationstests auf Atemwegserkrankungen zur Selbstanwendung verbreitet (CorDx Combo4, Fluorecare® und Solmira®), weitere werden hinzukommen. Bei Fluorecare® und Solmira® handelt es sich um identische Produkte, die unter verschiedenen Markennamen vertrieben werden. Bei CorDx Combo4 werden in der Gebrauchsinformation keine Angaben zur Sensitivität und Spezifität gemacht, man findet nur sogenannte Koinzidenzraten. Diese geben an, wie gut die erzielten Schnelltest-Ergebnisse (positive wie negative) mit denen eines PCR-Tests übereinstimmen. Getestet wurden 452 symptomatische oder asymptomatische Probanden für die klinische Studie zum Influenza A/B- und RSV-Test sowie 560 symptomatische oder asymptomatische Verdächtige von COVID-19. Dabei ergaben sich laut Hersteller folgende positive/negative Koinzidenzraten bezüglich der einzelnen Infektionserreger:

  • SARS-CoV-2 (bei Ct-Werten ≤ 25): 98,67 % / 100 %
  • Influenza A: 100 % / 99,34 %
  • Influenza B: 96 % / 99,67 %
  • RSV: 98,98 % / 99,21 %

Auch an den Hersteller-Studien von Solmira® und Fluorecare® nahmen nur wenige Probanden teil, was sich in den zum Teil großen Vertrauensbereichen (95 %-Konfidenzintervallen [KI]) widerspiegelt. Bei SARS-CoV-2 wurden beispielsweise nur 105 Personen eingeschlossen, deren Ct-Wert im PCR-Test unter 25 lag, sowie 450 nicht infizierte Personen. Bei der Influenza-A-Untersuchung zog man 105 infizierte und 555 nicht infizierte Probanden heran. In der Studie zu Influenza B testete man 80 infizierte und 580 nicht infizierte Personen. 63 Probanden mit RSV-Infektion und 603 ohne wurden bei der RSV-Untersuchung getestet. Die (klinische) Spezifität bezüglich aller vier Viren soll jeweils bei 100 % liegen, während für die (klinische) Sensitivität folgende Angaben gemacht werden:

  • SARS-CoV-2 (bei Ct-Werten < 25): 99,05 %
  • Influenza A: 92,04 % (95 %-KI: 85,42 bis 96,29)
  • Influenza B: 90,91 % (95 %-KI: 82,87 bis 95,99)
  • RSV: 95,45 % (95 %-KI: 87,45 bis 99,05)

Nicht für Kinder unter zwei Jahren

Hersteller von In-vitro-Diagnostika legen in der Gebrauchsinformationen fest, für welche Anwendung ihr Test vorgesehen ist. Bemerkenswert an dieser Stelle: Alle drei verfügbaren Kombinationstests auf Atemwegserkrankungen schließen die Anwendung bei Kindern unter zwei Jahren aus. Die Gründe hierfür werden nicht erläutert, und so stellt sich die Frage, ob die Anwendung bei Kleinkindern schlichtweg nicht evaluiert wurde oder es sich vielmehr um ein „praktisches Problem“ handelt, also gegebenenfalls der Abstrichtupfer ungeeignet für eine Anwendung bei Säug­lingen und kleinen Kindern ist? Da sich die meisten schwerwiegenden RSV-Erkrankungen jedoch gerade bei Kindern unter zwei Jahren ereignen und bis zu diesem Alter nahezu alle Erstinfektionen erfolgen, ist diese Einschränkung für Anwender besonders nachteilig. Eltern, die ein entsprechendes Testkit für ihre unter zweijährigen Kinder erwerben wollen, müssen auf die Altersbeschränkung hingewiesen werden. 

Ein Test bietet sich demnach vornehmlich für Personen an, die selbst schwerwiegend an RSV erkranken können (Ältere, Menschen mit kardialen oder pulmonalen Grund­erkrankungen sowie immundefiziente und immunsupprimierte Personen). Auch erwachsene Bezugspersonen von kleinen Kindern sind mögliche Anwender, da sie als Überträger in Betracht kommen können. Gerade wenn es sich bei dem zu schützenden Kind um ein Früh- oder Neugeborenes handelt oder ein Kind mit Vorerkrankungen, wie z. B. einem angeborenen Herzfehler, sollten Erwachsene mit Symptomen einer Atemwegsinfektion umsichtig reagieren.

Nicht lange fackeln

Für die potenziellen Käufer eines Vierfachtests scheint der Hinweis von elementarer Bedeutung, bereits bei Symptombeginn zu testen und nicht lange abzuwarten. Die Hersteller geben an, dass der Test so bald wie möglich und innerhalb einer Woche nach Symptombeginn durchgeführt werden soll. Grund ist, dass z. B. Influenzaviren per Abstrich aus dem oberen Respirationstrakt nur für circa zwei Tage nach Symptombeginn nachweisbar sind [8]. Zum Vergleich: Testet man erst nach Ablauf einer Woche nach Krankheitsbeginn, ist ein Influenzavirennachweis so gut wie aus­geschlossen. In der Apotheke lohnt also die Nachfrage, seit wann Krankheitsanzeichen bestehen.

Unterschiede zu Corona-Tests beachten

Zweifelsohne wurde während der Corona-Pandemie der Umgang mit Selbsttests von breiten Bevölkerungsschichten erprobt. Dennoch ist zu beachten, dass die Durchführungsschritte eines jeden Produktes individuell zu handhaben sind. Vermutlich schrecken aber die klein gedruckten, mehrsprachigen und dadurch sehr umfangreichen Gebrauchsinformationen viele Anwender vom gründlichen Lesen ab. Tendiert man dann dazu, einen Vierfachtest wie einen COVID-19-Test zu handhaben, sind Fehler und falsch negative Ergebnisse vorprogrammiert. Hilfreich sind eventuell die von den Herstellern angebotenen Anleitungsvideos, die im Internet oder nach Einscannen eines auf der Packung oder der Testkassette aufgedruckten QR-Codes aufgerufen werden können.

Tabelle: Wichtige Hinweise der Hersteller zur Durchführung von Vierfachtests

 CorDx Combo4Fluorecare®/Solmira®
Testzeitpunktinnerhalb der ersten sieben Tage nach Symptombeginn testen, so früh wie möglich
Abstand zur Nahrung30 Minuten vor der Probennahme nicht essen, trinken, Kaugummi kauen oder rauchenkeine Angabe
Altersbeschränkungab zwei Jahren
ProbenentnahmeTupfer fünfmal pro Nasenloch kreisen lassen, dabei Schleim und Zellen aufnehmen
ExtraktionTupfer zehnmal im Puffer des Probenröhrchen drehen, dabei dieses zusammendrückenTupfer zehnmal im Puffer des Probenröhrchens ausdrücken, Tupferstäbchen abknicken
WartezeitTupfer eine Minute im Probenröhrchen verweilen lassen, dann erneut drückenTupfer eine Minute im Probenröhrchen verweilen lassen
VermischenProbenröhrchen schwenken oder gegen den Boden schnippen (vorher verschließen)keine Angabe
Anzahl Tropfen je Proben­vertiefung32
Testergebnis ablesen nach15 Minuten

Hier die wichtigsten Hinweise (eine Zusammenfassung finden Sie in der Tabelle): Zunächst soll gründlich aus beiden Nasenlöchern abgestrichen werden (mit jeweils fünf Tupferumdrehungen), hingegen sah so mancher COVID-19-Selbsttest nur Abstriche aus einem Nasenloch vor. Dann ist explizit auf eine sorgfältige Extraktion des Probenmaterials zu achten. Bei CorDX Combo4 wird angegeben, den Tupfer zehnmal im Extraktionsröhrchen zu drehen, während gleichzeitig die Wandung des Röhrchens gedrückt wird. Die Hersteller von Fluorecare® und Solmira® geben hingegen an, das Tupferstäbchen nach dem Überführen in das Röhrchen an der Sollbruchstelle abzuknicken und erst dann den Abstrichtupfer zehnmal im verschlossenen Teströhrchen auszudrücken (ohne Drehung des Tupfers). Nach eigener Erfahrung der Autorin sollte das Abknicken des Stäbchens jedoch erst im Anschluss an das Ausdrücken erfolgen, da sonst kein effizientes Extrahieren des Probenmaterials möglich erscheint. Besonders wichtig ist, dass dann bei allen Vierfachtests eine einminütige Extraktions-/Wartezeit einzuhalten ist, die nicht bei jedem SARS-CoV-2-Antigenschnelltest gefordert war. Im Anschluss soll bei CorDx Combo4 das Stäbchen erneut gedreht und gedrückt werden, bevor der Tupfer entfernt wird.

Auf einen Blick

Bei Vierfachtests auf Atemwegserkrankungen zu beachten:

  • nicht bei Kindern unter zwei Jahren anwenden
  • im Idealfall bereits bei Symptombeginn testen
  • Liegen schon seit sieben Tagen Symptome vor, ist von einem Test mangels Aussagekraft abzuraten.
  • nicht bei asymptomatischen Personen testen, es sei denn, sie sind Kontaktpersonen
  • Durchführungshinweise gründlich lesen oder Video anschauen
  • Unterschiede zu gängigen Coronatests bezüglich Probenentnahme, Extraktion und Wartezeit beachten

Bei der pro Probenvertiefung zu applizierenden Tropfenmenge gilt der Merksatz „3 in 2 und 2 in 3“: Während bei CorDx Combo4 nur zwei Probenvertiefungen vorhanden sind, in die jeweils drei Tropfen der Extraktionslösung gegeben werden müssen, verfügen Fluorecare® und Solmira® über drei Probenvertiefungen, die mit jeweils zwei Tropfen befüllt werden müssen. Die Wartezeit, bis das Ergebnis abgelesen werden kann, beträgt analog zu den COVID-19-Tests 15 Minuten. Die letzte Herausforderung stellt die Interpretation des Testergebnisses dar, da im Ergebnisfenster zwei Testlinien abgebildet werden können, die mit T1 und T2 (CorDx Combo4) oder A und B bei Fluorecare®/Solmira®bezeichnet sind und erst dem entsprechenden Virus zugeordnet werden müssen. |

Literatur

[1] Stellungnahme der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) zum Referentenentwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung vom 15. März 2023

[2] Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Referentenentwurf: Dritte Verordnung zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften Information des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), vom 3. November 2023, www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/M/RefE_Dritte_VO_zur_AEnderung_medizinproduktrerechtlicher_Vorschriften.pdf

[3] Scheiblauer H et al. Comparative sensitivity evaluation for 122 CE-marked rapid diagnostic tests for SARS-CoV-2 antigen, Germany, September 2020 to April 2021. Euro Surveill 2021;26:2100441

[4] Knies K et al. Sensitivität von SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests. Assoziationen mit Symptomatik, Viruslast und Sublinien. Dtsch Arztebl Int 2023;120:763-4

[5] Verordnung (EU) 2017/746 des europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017. Amtsblatt der europäischen Union vom 5. Mai 2017, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0746&from=DE

[6] Persönliche Korrespondenz der Autorin mit der Pressestelle des Paul-Ehrlich-Instituts, 22. September 2023

[7] EU-Kommission ernennt Paul-Ehrlich-Institut zu EU-Referenzlabor für In-vitro-Diagnostika. Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts, Nr. 13/2023

[8] Robert Koch-Institut. NRZ für Influenzaviren: Hinweise zur Probenentnahme. Informationen des Robert Koch-Instituts, www.rki.de/DE/Content/Infekt/NRZ/Influenza/hinweise/Probenentnahme.html, Stand: November 2019


Apothekerin Dr. Verena Stahl
redaktion@daz.online


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