Jubiläum bei Pohl Boskamp

Nitrolingual ist 100 Jahre alt geworden

Stuttgart - 16.02.2024, 10:45 Uhr

Ministerpräsident Daniel Günther und Firmenchefin Marianne Boskamp bei der Jubiläumsfeier.(Foto: Pohl Boskamp)

Ministerpräsident Daniel Günther und Firmenchefin Marianne Boskamp bei der Jubiläumsfeier.(Foto: Pohl Boskamp)


Nitrolingual, ein Klassiker des Arzneischatzes, ist 100 Jahre alt geworden. Nitroglycerin zur sublingualen Anwendung als schnelle Behandlung beim Angina-pectoris-Anfall ist nach 100 Jahren noch immer Stand der Wissenschaft. Dieses seltene Jubiläum feierte das Herstellerunternehmen Pohl Boskamp am 14. Februar mit einem Festakt am Firmensitz in Hohenlockstedt. Prominentester Gratulant war der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther.

Vor 100 Jahren entwickelte der Apotheker Kurt Boskamp mit Nitrogycerin gefüllte Weichgelatinekapseln zum Zerbeißen und damit zur Anwendung unter der Zunge - und gab ihnen den Namen Nitrolingual. Nitroglycerin war schon deutlich länger bekannt. Der Chemiker Ascanio Sobrero stellte 1847 die hochexplosive Flüssigkeit her, die er „Piroglycerina“ nannte. Schon geringe Erschütterungen führten zu heftigen Explosionen, aber es gelang zunächst nicht, die gefährliche Substanz praktisch handhabbar zu machen. Das schaffte erst Alfred Nobel, der die enorme Reaktionsfähigkeit durch den Einsatz von Kieselgur kontrollierbar machte und damit das Dynamit erfand. Parallel dazu wurde die medizinische Wirkung erkannt, 1879 publizierte William Murrell seine Erfahrungen mit der Behandlung der Angina pectoris im „Lancet“. Daraufhin wurden verschiedene Darreichungsformen entwickelt. Dabei setzte sich die Zerbeißkapsel Nitrolingual des Danziger Apothekers Boskamp durch. Seine Nachfahren ließen 1967 das Spray folgen, damals mit Treibgas befüllt. Später wurde die Produktion auf das FCKW-freie Pumpspray umgestellt. Der Wirkmechanismus wurde erst in den 1970er Jahren teilweise aufgeklärt. Damals wurde verstanden, dass Stickstoffmonoxid dabei die entscheidende Rolle spielt. Für diese Arbeiten wurden Robert Furchgott, Ferid Murad und Louis Ignarro 1998 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.

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Bedingt durch den Zweiten Weltkrieg etablierte sich das Familienunternehmen Boskamp ab 1946 in Hohenlockstedt in Schleswig-Holstein. Marianne Boskamp, die Enkelin von Kurt Boskamp, leitet die G. Pohl-Boskamp GmbH&Co. KG zusammen mit ihrem Ehemann Dr. Henning Ueck inzwischen in der vierten Generation. Die Übergabe an die nächste Generation ist für 2028 geplant. In der Zentrale in Hohenlockstedt und dem Produktions- und Logistikstandort Dägeling arbeiten derzeit etwa 580 Beschäftigte. Nitrolingual wird weiterhin in zahlreiche Länder in aller Welt exportiert. Daneben gehören weitere internationale Marken, beispielsweise GeloMyrtol und GeloRevoice, zum Produktportfolio.

Festakt des Familienunternehmens Boskamp mit Ministerpräsident Daniel Günther

Das Unternehmen feierte das Nitrolingual-Jubiläum am 14. Februar mit einem Festakt. Dabei erklärte Marianne Boskamp, dass Nitrogylcerin zur sublingualen Anwendung noch 100 Jahre nach seiner Markteinführung auf der WHO-Liste der essenziellen Arzneimittel steht. Das gilt nur für sehr wenige Arzneimittel. Zugleich betonte sie, dass Nitrolingual das Ergebnis galenischer Entwicklung ist, die jedoch von den Krankenkassen nicht honoriert werde. Prominentester Gratulant beim Festakt war der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, der die große Bedeutung von Familienunternehmen für das Land und die Wirtschaft betonte. Angesichts von Krisen und Lieferengpässen sei es gut zu wissen, dass es Unternehmen gibt, die im eigenen Land erfolgreich produzieren, erklärte Günther. Eine ausführliche Reportage vom Festakt in Hohenlockstedt finden Sie nächste Woche in der DAZ (DAZ 08/2024).


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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