- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Auch unter Chlormadinon ...
Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva
Auch unter Chlormadinon treten vermehrt Thrombosen auf
Kombinierte hormonale Kontrazeptiva erhöhen das Risiko für ein Auftreten venöser Thromboembolien (VTE). Dabei ist das VTE-Risiko abhängig von der Gestagen-Komponente des Kontrazeptivums. Für die Kombination des Gestagens Chlormadinon-Acetat mit dem Estrogen Ethinylestradiol lagen bisher noch keine aussagekräftigen Daten vor. Nun teilt das BfArM in einem Rote-Hand-Brief mit, dass bei Einnahme von Chlormadinonacetat / Ethinylestradiol ein 1,25-fach erhöhtes Thromboserisiko im Vergleich zur Einnahme von Levonorgestrel / Ethinylestradiol besteht.
2014 warnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erstmals in einem Rote-Hand-Brief vor dem Auftreten venöser Thromboembolien, beispielsweise tiefe Beinvenenthrombosen, Armvenenthrombosen, Hirnvenenthrombosen oder Lungenarterienembolien, unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazeptiva (KHK). Levonorgestrel, Norgestimat und Norethisteron wurden als die Gestagen-Komponenten eingestuft, von denen das niedrigste – wenn auch im Vergleich zur Nicht-Einnahme hormonaler Kontrazeptiva immer noch 2,5- bis 3,5-fach erhöhte – Risiko ausgeht. Erstanwenderinnen sollte daher, sofern keine individuellen Gründe dagegensprechen, bevorzugt ein Präparat mit einer dieser Gestagen-Komponenten verordnet werden.
Levonorgestrel als Referenz mit niedrigstem Risiko
2021 folgte ein weiterer Rote-Hand-Brief: Die Neuverordnungen von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva mit Gestagen-Komponenten, die zu einem erhöhten VTE-Risiko führten, waren bis zum Jahr 2017 zwar deutlich gesunken, betrugen jedoch immer noch 33% der Verordnungen. Das BfArM verwies daher erneut nachdrücklich auf die zu bevorzugenden Gestagene, sowie das zu verwendende Schulungsmaterial. Für Chlormadinonacetat wurde 2021 noch kein relatives VTE-Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel aufgeführt, da die vorliegenden Daten noch nicht genug Aussagekraft hatten.
Mehr zum Thema
Die Blaue Hand – Teil 4
Die „Pille“ und das Thromboserisiko – alles klar, oder?
Erhöhtes Thrombose-Risiko neuerer kombinierter oraler Kontrazeptiva bestätigt
Levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva am sichersten
Nun kam die retrospektive Kohortenstudie RIVET-RCS1 zu dem Schluss, dass bei Frauen, die ein KHK mit Chlormadinonacetat und Ethinylestradiol einnehmen, ein 1,25-fach erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien vorliegt im Vergleich zu Frauen, die ein KHK mit Levonorgestrel und Ethinylestradiol einnehmen. Pro 10.000 Frauen, die Chlormadinon / Ethinylestradiol einnehmen, treten also sechs bis neun VTE auf. Dies wird im aktuellen Rote-Hand-Brief als „leicht erhöhtes Thromboserisiko“ eingestuft und in die aktualisierte Übersicht des BfArM aufgenommen:
Tabelle: VTE-Risiko bei kombinierten hormonalen Kontrazeptiva
Gestagen im kombinierten hormonalen Kontrazeptivum (Ethinylestradiol-haltiges Kombinationspräparat, sofern nicht anders angegeben) | Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel | Geschätzte Inzidenz pro 10.000 Frauen und Anwendungsjahr |
Nichtschwangere Nichtanwenderinnen | - | 2 |
Levonorgestrel | Referenz | 5 - 7 |
Norgestimat / Norethisteron | 1,0 | 5 - 7 |
Nomegestrol + Estradiol oder Dienogest + Estradiolvalerat | Etwa gleich wie bei anderen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva, einschließlich Levonorgestrel-haltigen Kontrazeptiva | |
Chlormadinonacetat | 1,25 | 6 - 9 |
Seasonique® (Levonorgestrel im Langzyklus) | 1,4a) | 5 - 15b) |
Dienogest | 1,6 | 8 - 11 |
Gestoden / Desogestrel / Drospirenon | 1,5 – 2,0 | 9 – 12 |
Etonogestrel / Norelgestromin | 1,0 – 2,0 | 6 – 12 |
a) Seasonique (84 Tage 150 µg Levonorgestrel in Kombination mit 30 µg Ethinylestradiol danach 7 Tage 10 µg Ethinylestradiol) im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva, die in einem 28-Tage-Zyklus angewendet werden, (HR 1,40; 95 % KI 0,90 – 2,19). Zudem könnte das VTE-Risiko bei Frauen, die Seasonique als erste orale Empfängnisverhütung verwenden, weiter erhöht sein [gemäß Fachinformation, Stand April 2023]
b) basierend auf dem 95 % Konfidenzintervall des Hazard ratios (HR) und der Spannbreite der geschätzten Inzidenz für Levonorgestrel (5-7 pro 10.000 Frauen und Anwendungsjahr)
Somit sollten auch Chlormadinon-haltige Präparate bei erstmaliger Anwendung eines kombinierten hormonalen Kontrazeptivums nach Möglichkeit nicht verordnet werden. Hierzu gehören die Präparate Amelina®, Angiletta®, Belara®, Bellissima®, Bonita AL®, Chantal®, Chariva®, Chloee®, Clormilla®, Enriqa®, Lilia®, Lisette®, Madinance®, Madinette®, Minette®, Mona Hexal®, Neo-Eunomin®, Pink Luna® und Solera® (Quelle: Lauer-Taxe, Stand 15. Februar 2024).
Im Rote-Hand-Brief wird jedoch auch betont, dass das Risiko einer Thromboembolie während einer Schwangerschaft und im Wochenbett deutlich höher ist als unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazeptiva.
Literatur
Kombinierte hormonale Kontrazeptiva - Chlormadinonacetat/Ethinylestradiol: Leicht erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien bei Frauen, die kombinierte hormonale Kontrazeptiva anwenden, die Chlormadinonacetat und Ethinylestradiol enthalten. Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM): Rote-Hand-Brief vom 23. Februar 2024
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.