BVDAK-kooperationsgipfel

„Lasst uns Apotheke komplett neu denken“

23.02.2024, 12:15 Uhr

Vanessa Conin-Ohnsorge bei der Eröffnung des Kooperationsgipfels. (Foto: privat)

Vanessa Conin-Ohnsorge bei der Eröffnung des Kooperationsgipfels. (Foto: privat)


Den Apotheken geht es wirtschaftlich derzeit nicht gut. Um sie zukunftsfähig zu machen, braucht es tragfähige Konzepte, mit denen sich Geld verdienen lässt. Das machten Stefan Hartmann und Vanessa Conin-Ohnsorge bei der Eröffnung des Kooperationsgipfels des Bundesverbandes deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) deutlich, der Mittwoch und Donnerstag in München stattfand. Diese Konzepte müsste allerdings die Branche selbst entwickeln und dafür sorgen, dass sie in Berlin auch gesehen werden.

Es war mal wieder so weit: Der Bundesverband deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) hat zum Kooperationsgipfel geladen. Zwei Tage lang war in München Netzwerken angesagt. Probleme anderer Veranstalter, die Teilnehmerzahlen vor Corona zu erreichen, hat der BVDAK offenbar nicht. Laut dem Vorsitzenden Stefan Hartmann war sein „Familientreffen“ überbucht. 

In seinem Einstiegsvortrag, den er gemeinsam mit Vanessa Conin-Ohnsorge von der Denkfabrik Apotheke hielt, verbreitete Hartmann allerdings zunächst weniger positive Stimmung. Man müsse aufpassen, dass man in diesen Zeiten das Positive nicht aus den Augen verliere, sagte er. Er werde es aber versuchen, auch wenn es nicht leicht fällt. Aus seiner Sicht geht es derzeit darum, ein System zu erhalten, das ein Auslaufmodell ist. Die Beitragsfinanzierung komme in Zeiten des demographischen Wandels ans Ende. Hartmann vermisst die notwendige Weichenstellung durch die Politik. 

Der BVDAK-Vorsitzende hält es für einen großen Fehler, dass 2004 die Kassen vom „Payer zum Player“ wurden. Die Leistungserbringer seien in deren Augen nur lästige Kostenverursacher, jeder, der das System verlasse, zum Beispiel wegen Insolvenz, entlaste es. „Auf der anderen Seite leisten wir uns Gehälter für 95 Kassenvorstände“, so Hartmann. Von diesem Geld könnte man viele PTA bezahlen. „Es ist grauenhaft, wie Politik in Deutschland gemacht wird“, konstatierte er. „Wenn die Parteien so weitermachen, werden sie zur Gefahr für die Demokratie.“

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Hartmanns Co-Moderatorin Vanessa Conin-Ohnsorge bemühte sich um eine positivere Botschaft. Sie sehe immer noch, dass es ein gutes System sei. „Das können wir aber nur erhalten, indem wir es aktiv mitgestalten“, sagte sie. Die Konzepte müssten aber auch umsetzbar sein, und nicht nur auf Ideen basieren, die gesponnen werden. 

Drei Gedanken habe sie dazu. Erstens die Vernetzung und Kommunikation der Stakeholder untereinander. Die Stakeholder sprächen nämlich nicht miteinander. Apotheke werde meist nicht mitgedacht. Es brauche aber gemeinsame Lösungen. Zweitens müsse man die Prävention stärken. „Wir müssen mehr über Gesundheit reden“, so die Medizinerin. Drittens hält sie eine Kostenreduktion für dringend erforderlich. Zum einen in der Verwaltung, aber es müssten auch unnötige Interventionen und Doppel- und Dreifachversorgung vermieden werden. 

Conin-Ohnsorge verwies auf Zahlen der Treuhand, wonach zwei Drittel der Apotheken Betriebsergebnisse bei null oder im negativen Bereich hätten. „Apotheken müssen sich die Frage stellen, mit welchen Konzepten sie künftig Geld verdienen wollen“, findet sie, „wenn uns das Versorgungsnetz am Herzen liegt, sind alle gefragt. Lasst uns Apotheke neu denken.“

„pDL erweitern, aber nur wenn sie wirtschaftlich sind“

Entscheidend sind dabei in ihren Augen eine klare Positionierung und klare Konzepte, mit denen Apotheken wie Wirtschaftsbetriebe agieren können. In Berlin müsse stärker wahrgenommen werden, was Apotheken mit ihren Leistungen beitragen können. Bislang passiere das nur punktuell. Es bedürfe einer starken Lobby. 

Zudem brauche es sektorenübergreifende Zusammenarbeit. So könnte beispielsweise die niedrigschwellige Versorgung im Kiez eine großartige Rolle für die Apotheke vor Ort sein. Dem Personalmangel muss Conin-Ohnsorge zufolge mit sinnvoller Prozessautomatisierung begegnet werden. Außerdem brauche es eine Erweiterung der pDL, aber nur wenn sie wirtschaftlich sind. Viele Apotheken handelten nicht wirtschaftlich. „Ich tue etwas Gutes, steht bei vielen immer noch im Vordergrund.“ Zuletzt müssen Apotheken die Beratung intensivieren und die Menschen in den Mittelpunkt stellen.

„Wir sollten uns nicht gestalten lassen.“  

Hartmann pflichtete ihr bei: „Es wurde lange gepredigt, die Zukunft werde pharmazeutisch entschieden. Richtig ist aber: Die Zukunft wird politisch und betriebswirtschaftlich entschieden. Nur wenn wir gut aufgestellt sind, können wir in die pharmazeutische Qualität investieren“,  so der Apotheker und BVDAK-Chef. 

Für die Zukunft sieht er beispielsweise Potenzial in Point-of-Care-Tests (PoC). Dazu gelte es aber Standesbrücken einzureißen zwischen Ärzten und Apothekern. Die zukünftigen Möglichkeiten müsse aber die Apothekerschaft selbst erarbeiten und präsentieren. In der Politik gebe es keine Fachleute dafür. „Wir sollten uns nicht gestalten lassen, sondern unser Konzept vorstellen.“  Zudem fordert Hartmann eine Rückbesinnung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Auch wenn das negativ besetzt sei, halte er das für wichtig.

Vanessa Conin-Ohnsorge schloss den Eingangsvortrag: Hier säßen kluge Köpfe. Es brauche aber Mut und Energie und vor allem müssten Silos aufgebrochen werden.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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6 Kommentare

Geschlossenheit

von Doc Hartmann am 25.02.2024 um 9:13 Uhr

Vorweg: Wir fordern eine Honorarerhöhung vollkommen zu Recht, wir bekommen diese aber nicht. D.h. für jeden von uns betriebswirtschaftlich beurteilen, ob unter den jeweiligen Rahmenbedingungen eine Perspektive vorhanden ist oder nicht. In jedem Fall sind die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.
Jahrzehntelang haben wir die ABDA dafür kritisiert, dass sie viel zu rückwärtsgewandt ist. Das ist sie bis auf GO bis heute.
Jetzt haben wir pDls, Impfen, können PoC-Tests anbieten.......und stänkern wieder nur rum. Mir kommen diese Foren teilweise vor, als ob Kutschenfahrer keinesfalls auf die Dampflok umsteigen wollen (Kutschefahren kenne ich, das bin ich gewohnt, alles gut, ich brauch nur mehr Pferde. Diejenigen die umsteigen wollen haben es echt schwer, mit dem Kutschefahren verdienen sie kein Geld mehr, sehen aber gleichzeitig, dass die Kutsche ein Auslaufmodell ist und wollen umsteigen. Anstrengend, schwierig, noch nicht kostendeckend, kostspielig........
Wir haben nur eine Möglichkeit: Entweder wir lassen uns von der Standesführung und der Politik am Nasenring durch die Manege führen, oder wir denken und gestalten dann eine Modell der Apotheke der Zukunft.....
P.S.: ich bin in fünfter Generation Apotheker und 62 Jahre alt. Meine beiden Töchter haben (freiwillig) Pharmazie studiert. Wißt ihr was die mir sagen.......Warum soll ich in ein Unternehmen mit unkalkulierbaren Risiken einsteigen, bei dem ich mit meinem Privatvermögen hafte und es immer noch nicht die Apotheken-GmbH gibt (Fremdbesitzverbot bleibt bestehen) bei der wenigstens die persönliche Haftung ausgeschlossen ist..........soviel zu unserer komplett rückwärtsgewandten Standespolitik.......einfach weiter Postkutsche fahren........
P.S.: Ich lebe und liebe alle Menschen und ich lebe und liebe Apotheke - schon mein ganzes Leben.

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PDL? Meilenweit von einer "Kostendeckung" entfernt!

von Andreas Grünebaum am 23.02.2024 um 20:55 Uhr

Wie könnten PDLs für einen Betrieb "Kostendeckend" sein?
1. Der Zeitaufwand müsste bezüglich der Dokumentation auf ein Minimum reduziert werden. Dies könnte nur durch eine digitalisierte Erfassung und Abrechnung erreicht werden: sämtliche Angaben sind bereits im e-Rezept erhalten.
2. Digitalisierung der Beratung direkt am POS - keine Stundenlangen Messungen und Beratungen im stillen Kämmerchen, während die Kunden am HV zwecks Einlösung der Rezepte oder OTC Kauf in der Schlange stehen.
3. Kostendeckend bedeutet einen auskömmlichen Allgemeinkostenzuschlag zum Stundenlohn der ausführenden Person (Miete, Nebenkosten, EDV, u.v.m) inklusive Unternehmerlohn des Inhabers. Die Handwerker machen es uns vor, oder glauben jemand wirklich, dass ein Elektrikergeselle 80 Euro pro Stunde Netto als Gehalt erhält?
Diese Denkweise ist anscheinend weder beim BMG, noch bei der ABDA angekommen!

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Neu denken

von Roland Mückschel am 23.02.2024 um 17:14 Uhr

Ich frage mich schon immer was am jetzigen System eigentlich so schlecht ist dass es unbedingt verändert werden muss.
Wir arbeiten hocheffizient zur Zufriedenheit der Bevölkerung, ohne Verzögerung und kostengünstig.
Wo soll um Gotteswillen der Mehrwert des Versandes liegen?
Warum lassen wir uns von Laien und Lobbyisten erzählen wie unser Beruf funktionieren soll?
Und natürlich ist nach mehr als 20 Jahren ein Honorarausgleich überfällig.
Unsere Probleme sind hauptsächlich auf die fehlenden finanziellen Mittel zurückzuführen.
Das weiß jeder Dackel.
Derzeit sind mir im System zuviel Wichtigtuer unterwegs die eher ihre eigenen merkantilen Interessen verfolgen.
Und wenn die Politik unsere berechtigten Forderungen ignoriert dann müssen halt mal andere Saiten aufgezogen werden.

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von Anita Peter am 23.02.2024 um 12:36 Uhr

"Um sie zukunftsfähig zu machen, braucht es tragfähige Konzepte, mit denen sich Geld verdienen lässt"

Wenn das Honorar die letzten 20 Jahre regelm. an die Inflation angepasst worden wäre, bräuchten wir jetzt keine Konzepte aus dem Hut zaubern, sondern könnten und auf die Versorgung mit Arzneimitteln konzentrieren. Damit haben wir genug Arbeit.

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AW: Genau...

von Mathias Mallach am 23.02.2024 um 13:12 Uhr

... so sieht es aus. Begreifen denn die Verantwortlichen - in diesem Fall des BVDAK - nicht, was sie damit für einen Schaden an noch laufenden Verhandlungen anrichten, wenn wir jetzt schon wieder hinnehmen sollen, dass es so kommen wird, wie angedroht, und nach Ausweglösungen suchen ?
Das Thema der Stunde lautet NUR :
Honorar rauf !
Alles andere ist VÖLLIG uninteressant.
Und nein, Herr Kersting : Es ist vollkommen korrekt und legitim, fest auf dieser Forderung zu bestehen und NICHTS anzubieten, bevor das nicht geklärt ist.
Dass bisher nichts erreicht wurde, ist einzig und allein der wattebauschigen Vorgehensweise der ABDA geschuldet, nicht deren Inhalten.

AW: .Honoraranpassung und Folgen

von Björn Kersting am 24.02.2024 um 7:38 Uhr

Werte Frau Peter,
Sie haben Recht, das Fixum wurde seit 20 Jahren nicht angehoben, die 3% 2013 waren weniger als das, was lt. Abgleich IST2004 und SOLL2002 (Planung GKV-GMG) herausgekommen. SO gesehen ist das Fixum UNTER 2002.

Was zum Preis auch gehört, sind die 3% Aufschlag, wodurch ein Teil der Inflation aufgefangen wird.
Herr Herzog hat mal gerechnet, dass daher die Gelder bis ca. 2019 in etwas passten. Erst seitdem gibt es Schieflage.

Die von den Apothekern geforderten 40-48% sind jedoch auf Basis des 2hm-Gutachtens gegeben, was den Apotheken ja um ca. 6€ zugesteht. Insofern berechnet bleibt man im Ministerium wohl bei den 8.35€

@Matthias Mallach
Danke für Ihre direkte Ansprache.
Klar ist das legitim, das zu fordern. Da bin ich bei Ihnen. Allerdings erinnere ich gerne an die Einstein'sche Definition von Wahnsinn. Die Apotheker haben immer nur gefordert - und nichts konkret entwickelt oder angeboten.
Deswegen wurde immer nur genommen, quasi als Bestrafung.

Schaut man auf das große Ganze, ist die Apotheke eben nicht der Nabel der Welt.
Wer nicht - was ich seit Jahrzehnten kritisiere - im Systemdiagramm des Gesundheitswesens auftaucht, der sollte erst einmal die Hausaufgaben erledigen, über sich selbst nachzudenken und seine Position zu definieren.
Andernfalls wird man definiert, weil man - wie bei Apothekern geschehen - die Deutungshoheit über den eigenen Beruf nicht besitzt.

Die Schweizer haben es vor langer Zeit vorgemacht: Gestaltung statt Blockade und Kakophonie.

Im Endeffekt ist alles eine Frage der Entscheidung:
Wollen Sie durch Blockade mehr Geld bei viel mehr Verlusten ans Apotheken oder wollen Sie Gestaltung mit endlich zukunftssicherer Positionierung mit weniger Geld und gleichzeitig mehr Apotheken?

WIe gesagt, Ihre Position ist absolut legitm. Nur bitte die Konsequenzen berücksichtigen.
Ach so, im Gegensatz zu vielen ABDA-Granden verstehe ich die Sorgen der Kollegenschaft und kenne alle Emotionen des Existenzkampfes.

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