Qualität von UV-Filtern überprüfen! (Update)

Was man über Weichmacher in Kinderurin weiß – und was nicht

Stuttgart - 26.02.2024, 15:15 Uhr

Nachdem kürzlich Weichmacher in Kinderurin entdeckt wurden, sind UV-Filter als deren Quelle in Verdacht geraten. Das gibt jedoch keinen Anlass, auf Sonnencreme zu verzichten. (Symbolfoto: Gabriel Trujillo / AdobeStock)

Nachdem kürzlich Weichmacher in Kinderurin entdeckt wurden, sind UV-Filter als deren Quelle in Verdacht geraten. Das gibt jedoch keinen Anlass, auf Sonnencreme zu verzichten. (Symbolfoto: Gabriel Trujillo / AdobeStock)


Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat – nach einer ersten Einschätzung im Februar – am 21. März eine Bewertung des gesundheitlichen Risikos von Mono-n-hexylphthalat (MnHexP) in Urinproben veröffentlicht. Bislang hatten Grenzwerte für eine genaue Risikobeurteilung gefehlt. Doch auch, wenn die gemessenen Werte nun nicht alarmierend wirken, wird weiterhin nach der MnHexP-Quelle gefahndet. Denn Weichmacher gelten generell als fortpflanzungsschädlich, und für eine abschließende Risikobeurteilung muss berücksichtigt werden, inwieweit betroffene Personen mit weiteren Weichmachern belastet sind. 

Am 24. Februar berichtete die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ), dass im Fall rund um das in Kinderurin gefundene Weichmacher-Abbauprodukt Mono-n-hexylphthalat (MnHexP) eine „erste Spur“ zum Chemiekonzern BASF führt. Bereits Anfang Februar hatte der „Spiegel“ über den Verdacht berichtet, dass Sonnenschutzmittel Schuld an MnHexP in Kinderurin sein könnten. Wie genau MnHexP in den Urin gelangt sein könnte, blieb dabei aber unklar, denn der vermutete Ausgangsstoff von MnHexP mit dem Namen DnHexP (Di-n-hexylphthalat) ist als Inhaltsstoff in kosmetischen Mitteln verboten.

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Dem WAZ-Bericht zufolge könnte der UV-Filter DHHB (Diethylamino Hydroxybenzoyl Hexyl Benzoate) mit DnHexP verunreinigt sein und so zur Verunreinigung von Sonnenschutzmitteln mit DnHexP führen. DHHB sei in DnHexP-belasteten Sonnenschutzmittel-Proben enthalten gewesen, das habe das Verbraucherschutzministerium Baden-Württemberg bestätigt, heißt es. BASF vertreibt solche UV-Filter, hatte sich aus zeitlichen Gründen aber zunächst nicht zu dem Zusammenhang äußern wollen. 

DnHexP ist eine bekannte Verunreinigung bei der Herstellung von DHHB

Am 27. Februar titelte der „Spiegel“ dann, BASF habe „offenbar seit Jahren“ von der schädlichen Verunreinigung in Sonnencremes gewusst. Während BASF klarstelle, dass sein UV-Filter kein gesundheitliches Risiko darstellt, sollen die Untersuchungen der Urinproben auf MnHexP beim Umweltbundesamt laut „Spiegel“ zeigen, „dass die Werte insbesondere im Sommer und zur Skisaison“ ansteigen, was mit der Nutzung von Sonnencreme korrelieren könnte. Zudem sollen Patentschriften von BASF zeigen, dass bekannt ist, dass DnHexP (Di-n-hexylphthalat) bei der Herstellung von DHHB als Nebenprodukt entsteht. 


„Das Produkt enthält Phthalsäuredihexylester (auch bekannt als PSDHE oder Dihexylpthalat oder Di-n-hexylphtalat) als Verunreinigung. Der PSDHE-Gehalt sollte so niedrig wie möglich sein, da die Substanz giftig ist; sie kann die Furchtbarkeit beeinträchtigen und schädliche Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben. Nach der harmonisierten Klassifizierung und Kennzeichnung (ATP05) beträgt die zulässige PSDHE-Menge im Endprodukt bis zu 150 ppm.“

Aus dem BASF-Patent „Method for obtaining crystalline diethylamino hydroxybenzoyl hexyl benzoate“ mit der Nummer WO2023242181A1 vom 21.12.2023


Daraus folgert der „Spiegel“, dass eine mögliche Verunreinigung BASF seit mindestens drei Jahren bekannt sein muss. BASF weise jedoch darauf hin, dass aus den vorliegenden Daten kein Zusammenhang zwischen Sonnenschutz und den gemessenen Urinwerten abgeleitet werden könne. Es gebe auch andere Firmen, die DHHB herstellen. Der „Spiegel“ weist darauf hin, dass BASF DHHB seit mehr als 25 Jahren untersuche und den UV-Filter erst seit 2019 in großen Mengen verwendet.

CVUA Karlsruhe: Qualität von Rohstoffen genau überprüfen!

*Am 4. März machte das CVUA Karlsruhe (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe) schließlich darauf aufmerksam, dass die Verwendung von DHHB als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln seit 2022 stark angestiegen ist und erklärt: „Dies ist vor allem darauf zurück zu führen, dass DHHB als Ersatz für den UV-Filter Octocrylen eingesetzt wird, welcher auf Grund seiner möglichen Belastung mit Benzophenon in die Schlagzeilen geraten war“. 

Allerdings konnte vom CVUA Karlsruhe keine Korrelation zwischen den Gehalten an DnHexP und DHHB in Sonnenschutzmitteln festgestellt werden. Es gibt also auch Produkte mit hohem DHHB-Gehalt, die kein DnHexP enthalten. Das CVUA Karlsruhe regt deshalb „dringend“ an, die Qualität entsprechender Rohstoffe genau zu überprüfen. Bisher stand laut CVUA eine solche Überprüfung bei Sonnenschutzmitteln nicht im Fokus, da der wissenschaftliche EU-Ausschuss für Verbrauchersicherheit (Scientific Committee on Consumer Safety, SCCS) sich bislang nicht zu DnHexP als Verunreinigung von DHHB in Sonnencremes geäußert hat.

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Unabhängig von MnHexP in menschlichem Urin werden UV-Filter wie DHHB (Diethylamino Hydroxybenzoyl Hexyl Benzoate) schon länger kritisch diskutiert. Und das, obwohl DHHB laut einer wissenschaftlichen Arbeit von Dezember 2022 zu einer „neuen Generation“ an organischen UV-Filtern gehört, die nach und nach ältere UV-Filter ersetzen, welche aus Umweltgründen in mehreren Ländern verboten wurden. 

In der Arbeit betonen die Wissenschaftler, dass nicht nur die ökologischen Auswirkungen einzelner Inhaltsstoffe betrachtet werden sollten, sondern die des Gesamtprodukts, da sich Inhaltsstoffe auch gegenseitig beeinflussen können. Die Sachlage ist also komplex und sollte – angesichts der Hautkrebsrisikos – zunächst keinen Anlass bieten, auf Sonnencreme zu verzichten.

BfR: auch an andere Quellen denken

Bereits am 23. Februar 2024 hatte sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu MnHexP in Urinproben geäußert. Der Stellungnahme zufolge werden neben Sonnenschutzmitteln auch andere Verbraucherprodukte als Quelle der Verunreinigung diskutiert. Bislang lägen dem BfR „keine belastbaren Informationen vor, dass kosmetische Mittel, die UV-Filter enthalten, tatsächlich in relevanten Größenordnungen mit Stoffen verunreinigt sind, die zur Bildung von MnHexP führen könnten“, erklärte das BfR. Erste Recherchen seitens des BfR hätten Studien identifiziert, in denen der Nachweis von DnHexP in Hausstaub, Kinderspielzeug und auch Kinderkleidung berichtet wird. MnHexP könne zudem als Stoffwechselabbauprodukt (Metabolit) aus verschiedenen Phthalaten entstehen – beispielsweise aus Dihexylphthalat, Decylhexylphthalat oder bestimmten anderen, gemischtkettigen Phthalaten.

BfR: kein wesentlicher Beitrag zur Gesamtaufnahme von reproduktionstoxischen Phthalaten

Während also noch gar nicht klar ist, wie MnHexP in den Urin gelangt ist, hatte das BfR für den hypothetischen Fall, dass verunreinigte UV-Filter eine Hauptrolle spielen könnten, im Februar eine Risikoeinschätzung vorgenommen. Dabei kam das BfR zu dem Schluss, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung unwahrscheinlich sei – „bei Verwendung von Sonnenschutzmitteln, die bis zu 10 % eines mit bis zu 0,3 % DnHexP verunreinigten UV-Filters enthalten“. Es sei davon auszugehen, dass mögliche Risiken eher noch zu hoch als zu niedrig eingeschätzt wurden. 

Dennoch gab das BfR zu bedenken, dass für Phthalate eine additive Wirkung diskutiert wird. Man könne die Weichmacher nahezu überall in der Umwelt nachweisen. Deshalb gilt:


„Wegen der fortpflanzungsschädlichen Eigenschaften sowohl von MnHexP als auch seiner möglichen Ausgangsstoffe werden diese als im Körper unerwünschte Substanzen eingestuft. Ihre Aufnahme sollte so weit wie möglich reduziert werden.“

BfR-Stellungnahme 011/2024, 23. Februar 2024 


*Am 21. März 2024 hat das BfR nun erstmals eine vorläufige tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI = 63 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag (µg/kg KG/d)) für den möglichen Ausgangsstoff DnHexP abgeleitet und kommt zu dem Schluss: „Nach derzeitigem Stand des Wissens sind gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Verwendung derart verunreinigter Mittel sehr unwahrscheinlich.“ Auf Basis der gemessenen Uringehalte zeige sich, dass DnHexP keinen wesentlichen Beitrag zur Gesamtaufnahme von reproduktionstoxischen Phthalaten leiste.

Dennoch soll die Aufnahme so weit wie möglich reduziert werden, weshalb es wichtig sei alle weiteren relevanten Quellen von MnHexP (neben Sonnenschutzmitteln) zu identifizieren. 

Behördlich festgelegte Grenzwerte oder Richtwerte für MnHexP oder den möglichen Ausgangsstoff DnHexP gibt es noch nicht.

Umweltbundesamt nimmt weitere Weichmacher in den Blick

*Das BfR ist Mitglied der Kommission Human-Biomonitoring (HBM-Kommission) am Umweltbundesamt (UBA). Diese hat bei einer Sitzung am 22. März auch einen Grenzwert für den MnHexP-Gehalt im Urin abgeleitet: 60 µg/l. Von den bislang 750 ausgewerteten Urinproben von Erwachsenen in der laufenden sechsten „Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit“ (GerEs VI) hat keine den Grenzwert überschritten, hieß es deshalb am 25. März in einer Pressemitteilung – in mehr als einem Drittel der Proben war MnHexP aber nachweisbar.

Im nächsten Schritt werde das UBA nun die Messergebnisse hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Bedeutung einordnen. Dabei soll auch berücksichtigt werden, inwieweit die untersuchten Personen mit weiteren Weichmachern belastet sind. „Darüber hinaus wird sich das UBA zusammen mit anderen Behörden auch weiterhin mit der Aufklärung der Ursachen für die gefundenen Belastungen befassen“, heißt es

Im Januar 2024 hatte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) über Funde von Mono-n-hexylphthalat in Urinproben von Kindern berichtet. Daraufhin wurde die Substanz auch vom UBA in der GerES VI bei Erwachsenen nachgewiesen.

Wie vor einer hohen Phthalat-Aufnahme schützen?

Es ist nun also keinesfalls dazu zu raten (aus Furcht vor Weichmachern), in diesem Frühjahr und Sommer auf Sonnencreme zu verzichten. Ein Frühjahrsputz könnte hingegen helfen: „Um bei kleinen Kindern die Aufnahme von Phthalaten über den Hausstaub zu verringern, sollten Böden und Teppiche regelmäßig gereinigt werden. Wichtig ist auch darauf zu achten, dass Kleinkinder nur Sachen in den Mund nehmen, die dafür hergestellt und gedacht sind“, erklärt das BfR im Internet auf die Frage, wie sich Verbraucherinnen und Verbraucher vor einer hohen Phthalat-Aufnahme schützen können. 

*Übrigens: Das Verbrauchermagazin Stiftung Warentest hat Sonnen­cremes bislang nicht auf Weichmacher geprüft. Im kommenden Test soll die Problematik aber aus aktuellem Anlass aufgegriffen werden.

* Dieser Text wurde am 28.03.2024 um 15:33 Uhr aktualisiert (dm).


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Alternativen

von Anne am 13.03.2024 um 18:58 Uhr

Warum wird dies als entweder Sonnenschutzmittel oder Hautkrebs präsentiert? Es gibt doch Alternativen zu den chemischen Mitteln (die ja eh noch andere Nachteile haben, auch für die Umwelt z.B. im Meer). Physikalische, auf Zink basierende, halten länger, beim Schwimmen und Schwitzen. Ohne Nanopartikel; Macht war die Haut weiß, aber daher auch sichtbar wo schon geschmiert wurde.

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DHHB

von Troicher ursula am 07.03.2024 um 15:06 Uhr

Extra "Kleingedrucktes "auf der Beschreibung des Sonnenschutzes mit Absicht kaum lesebar .
Können Sie einfache Tipps geben ?
Ich weiss,Werbung ist nicht möglich...sagen wir...ist die Ware von Hofer empfehlenswert?
Danke,ein Licht/Sonnenfan

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