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Der Europäische Gerichtshof hat sich mit Plattformen befasst, die zwischen Apotheken und Kunden den Online-Kauf von Arzneimitteln vermitteln: Darf ein Mitgliedstaat deren Betrieb untersagen, wenn hinter der Plattform keine Apotheke steht? Die Luxemburger Richter*innen entschieden in einem französischen Fall, in dem es nur um OTC-Arzneimittel ging: Die bloße Zusammenführung von Kunden und verkaufenden Apotheken dürfe jedenfalls nicht verboten werden.
Von Amazon über apotheken.de bis gesund.de & Co.: In Deutschland gibt es eine Reihe von Plattformen, die Apotheken und ihre potenziellen Kundinnen und Kunden zusammenbringen. Ob verschreibungsfrei oder -pflichtig: Patientinnen und Patienten soll der Online-Kauf von Arzneimitteln leicht gemacht werden, wobei allerdings strenge nationale Rechtsvorschriften zu beachten sind. Die freie Apothekenwahl muss gesichert sein und auch für die E-Rezept-Einlösung gelten strikte Regeln. Die Plattformen stehen daher unter steter Beobachtung – bewegen sich die Betreiber wirklich auf rechtlich sicherem Terrain oder testen sie die juristischen Grenzen?
Nun hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einer solchen Apotheken-Plattform befasst – und zwar mit einer französischen, die mittlerweile zu DocMorris gehört. Denn auch in unserem Nachbarland gab es mit Doctipharma.fr bereits vor zehn Jahren eine Plattform, die zwischen Kunden und Apotheken vermittelte. Allerdings ist der Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln in Frankreich bis heute unzulässig – es geht und ging also immer nur um nicht verschreibungspflichtige Medikamente.
Worum ging es?
Das Unternehmen Doctipharma – das 2019 von der Zur Rose Group übernommen wurde, sein Geschäftsmodell umgestellt hat und online keine OTC-Arzneimittel mehr, sondern nur noch NEM und Kosmetik, anbietet – hatte mit seiner Geschäftspraxis in den Jahren 2014/2015 den Unmut der Apothekerschaft auf sich gezogen. Über seine Website konnten Kundinnen und Kunden von Apotheken rezeptfreie Arzneimittel beziehen. Die Webseite hielt dazu einen vorgespeicherten Katalog bereit, aus dessen Angebot ausgewählt werden konnte. Die Bestellung wurde anschließend an die Apotheken weitergeleitet, deren Websites Doctipharma hostete. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte über ein für alle Apotheken anwendbares einheitliches Zahlungssystem von einem dafür vorgesehenen Konto.
Französische Apothekervereinigung zieht vor Gericht
Die französische Apothekervereinigung (Union des Groupements de pharmaciens d’officine) ist der Ansicht, dass das Unternehmen Doctipharma rechtswidrig handelte: Um am elektronischen Arzneimittelhandel teilzunehmen, müsse es nach französischem Recht Apothekereigenschaft besitzen – und diese hat Doctipharm nicht. Die Vereinigung hat das Unternehmen daher vor den französischen Gerichten auf Unterlassung verklagt. Ende Mai 2016 wurde Doctipharma verurteilt, den elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf ihrer Website einzustellen.
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Schon erstinstanzlich wurde die Plattform als rechtswidrig gewertet. Die Berufungsinstanz (Cour d’appel de Paris) sah es jedoch anders und wertete die Plattform lediglich als technische Unterstützung für die Websites der Apotheken. Die Bestellungen nähmen die Apotheken entgegen, Doctiphama greife in deren Bearbeitung nicht ein. Dieses Urteil wurde dann vom Kassationsgerichtshof (Cour de cassation) aufgehoben und die Angelegenheit an das Pariser Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Kassationsgerichtshof sieht die zwischen Kunden und Apotheken vermittelnde Tätigkeit von Doctipharma durchaus als Verstoß gegen französisches Recht – das Unternehmen trete als Vermittler auf und nehme somit am elektronischen Handel mit Arzneimitteln teil, ohne Apotheker zu sein.
Das Berufungsgericht hat sodann den EuGH angerufen und um Vorabentscheidung hinsichtlich der unionsrechtlichen Zulässigkeit besagter Tätigkeit ersucht. So wollte es zum einen wissen, ob es sich dabei um einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ handelt. Ist das der Fall, besagt der EU-Humanarzeimittelkodex, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, „dass das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft, wie in der Richtlinie 98/34/EG“ festgelegt, unter bestimmten Bedingungen erfolgt. Demnach können auch Bedingungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit aufgestellt werden. Wäre das französische Verbot damit gerechtfertigt?
EuGH: Es ist ein „Dienst der Informationsgesellschaft“
Der EuGH stellt nun in seinem am Donnerstag ergangenen Urteil klar, dass ein Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und potenziellen Patienten für den Verkauf von Arzneimitteln besteht, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne des Unionsrechts fällt. So jedenfalls ist es in der Pressemitteilung des Gerichts zu lesen – bis Donnerstagmittag war das Urteil noch nicht im Volltext veröffentlicht.
Zugleich skizziert er, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat den Betrieb von Plattformen untersagen kann, die den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel vermitteln:
- Wird der Anbieter, der keine Apothekereigenschaft besitzt, selbst als Verkäufer der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel angesehen, kann der Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, die Erbringung dieses Dienstes verbieten.
- Beschränkt sich der betreffende Anbieter hingegen durch eine eigene und vom Verkauf unabhängige Leistung darauf, Verkäufer und Kunden zusammenzuführen, dürfen die Mitgliedstaaten diesen Dienst nicht mit der Begründung verbieten, dass die betreffende Gesellschaft am elektronischen Handel mit Arzneimitteln beteiligt sei, ohne die Eigenschaft eines Apothekers zu haben.
Der EuGH betont, dass zwar allein die Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, zu bestimmen, wer OTC-Arzneimittel online verkaufen darf. Doch sie müssten auch sicherstellen, dass der Öffentlichkeit diese Arzneimittel überhaupt im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angeboten werden können – folglich dürften sie einen solchen Dienst für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht verbieten.
Was das Urteil nun für Deutschland bedeutet, wird sich nach einer genaueren Analyse der Gründe zeigen. Klar ist aber: Grundsätzlich haben die Plattformen ihre Berechtigung und dürfen nicht einfach verboten werden. Ob es möglicherweise andere Haken gibt – etwa datenschutzrechtliche –, die sie unzulässig machen, ist gesondert zu klären. So befasst sich der EuGH derzeit in einem anderen Verfahren mit dem Arzneimittelverkauf via Amazon in Deutschland. Nichts gesagt ist im aktuellen Urteil zudem zum Thema verschreibungspflichtige Arzneimittel.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Februar 2024, Rs. C-606/21
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