Tag der Seltenen Erkrankungen

Spezialisierte Versorgungszentren verkürzen Zeit bis zur Diagnose

Stuttgart - 29.02.2024, 14:30 Uhr

Das Motto des Rare Disease Day 2024 ist: Share Your Colours - teile deine Farben! (Foto: www.rarediseaseday.org)

Das Motto des Rare Disease Day 2024 ist: Share Your Colours - teile deine Farben! (Foto: www.rarediseaseday.org)


Den 29. Februar erleben wir nur alle vier Jahre – und so fällt der heutige Tag der seltenen Erkrankungen, der immer am letzten Tag im Februar stattfindet, dieses Jahr auf diesen seltenen Tag. Ein Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigt, dass spezialisierte Versorgungszentren bei seltenen Krankheiten die Zeit bis zur Diagnose verkürzen – und zwar von acht Jahren auf ein halbes Jahr.

Weltweit sind etwa 30.000 Krankheiten bekannt, circa 8000 gelten als seltene Erkrankung (engl. rare bzw. orphan disease). In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Einwohner von ihr betroffen sind. In Deutschland leben schätzungsweise vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Die Krankheitsbilder sind sehr unterschiedlich und zu 80% liegt (zumindest teilweise) eine genetische Ursache zugrunde. Die meisten seltenen Erkrankungen verlaufen daher chronisch und führen bereits im Kindesalter zu Symptomen. Oft haben Betroffene mit Behinderungen bzw. körperlichen Einschränkungen zu kämpfen und ihre Lebenserwartung ist häufig geringer.

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Hilfe für die wenigen

Auch wenn in der Summe viele Menschen mit seltenen Erkrankungen leben, so sind von den einzelnen Krankheitsbildern nur wenige Menschen betroffen. Das erschwert die Diagnose und die allgemeine Versorgung enorm. Meist gibt es nur wenige Expert:innen, die Patient:innen mit der jeweiligen Krankheit optimal versorgen können. Qualitätsgesicherte Versorgungsstrukturen sind dementsprechend rar und der Weg zur Diagnose ist oft lang. 

Bisher gibt es im deutschen Gesundheitssystem keine fest etablierten Strukturen, die eine zielgerichtete Diagnostik und Behandlung durch die jeweiligen Expert:innen ermöglichen, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) im Journal of Health Monitoring – Seltene Erkrankungen. Für viele seltene Erkrankungen fehle bisher aufgrund mangelnder Forschungs- und Entwicklungsanreize eine medikamentöse Behandlung.

Informationen zu seltenen Erkrankungen

Die europäische Datenbank für seltene Erkrankungen Orphanet (www.orpha.net, auf Englisch) informiert über zahlreiche seltene Erkrankungen und Arzneimittel zu deren Behandlung. Einen Überblick über Versorgungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik liefert der Versorgungsatlas für seltene Erkrankungen (www.se-atlas.de). Die Dachorganisation Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V. (ACHSE, www.achse-online.de) stellt Patienteninformationen zur Verfügung.

Versorgungssituation bessert sich 

2023 wurde vom Bundesministerium für Gesundheit ein Gutachten beauftragt, in dem es um die Versorgungssituation von Menschen mit seltenen Erkrankungen geht. Dabei wurde die Versorgungssituation 2023 mit der von 2009 verglichen. Die gute Nachricht: die Zeit bis zur Diagnose konnte deutlich verkürzt werden. Als wichtigste Entwicklung wird im zugehörigen Bericht des RKI die Etablierung der Zentren für seltene Erkrankungen gesehen. Betroffene können in diesen spezialisierten Anlaufstellen Beratung und Unterstützung erhalten. Außerdem sind Unikliniken und Expertenteams sowie Labore mit Spezialdiagnostik angegliedert. So erhielten Patient:innen ohne gesicherte Diagnose innerhalb ungefähr eines halben Jahres ebendiese, wenn sie in einem solchen spezialisierten Zentrum behandelt wurden, „während Kinder zuvor im Mittel vier und Erwachsene zuvor acht Jahre lang wegen ihrer Symptome in diversen Versorgungseinrichtungen behandelt worden waren“, wie das RKI berichtet. Die Aufnahme der Leistungen dieser spezialisierten Versorgungszentren in die Regelversorgung wäre ein „wichtiger nächster Schritt“. Oft seien Primärversorger (zumeist Hausärzt:innen) unzureichend über derartige Angebote informiert. Im Bericht wird bemängelt, dass es noch immer an koordinierten Versorgungspfaden fehlt, über die Patient:innen an geeignete Einrichtungen überwiesen werden.

Häufiger Off-Label-Use zur Therapie seltener Erkrankungen

Die Arzneimittelversorgung wird in dem Bericht des RKI als gut bewertet. Die befragten Akteure aus dem Gesundheitssystem (Patient:innen, spezialisierte Zentren, Expert:innen und andere) begrüßen es, dass zugelassene Arzneimittel in Deutschland unmittelbar nach der Zulassung zur Verfügung stehen. Außerdem kamen in den letzten Jahren für einige seltene Erkrankungen neue Therapieoptionen hinzu. Andererseits seien viele Patient:innen auf Off-Label-Use mit den damit verbundenen Risiken angewiesen, da für ihr Erkrankungsbild keine Arzneimittel zugelassen oder die Therapieoptionen bereits erschöpft sind.

Herausforderungen bestehen weiterhin im Bereich der psychosozialen Versorgung. Angehörige und Betroffene werden – wenn überhaupt – nur durch eigenes Engagement von sozialen Diensten und dergleichen unterstützt, nicht aber routinemäßig darauf hingewiesen. Die langfristige finanzielle Absicherung der spezialisierten Versorgungszentren steht ebenfalls noch aus.

Pink, blau, grün und lila

Am heutigen Rare Disease Day, dem internationalen Tag der seltenen Erkrankungen, leuchten seit 2020 weltweit Monumente in den Farben des Aktionstages, also in pink, blau, grün und lila. Die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen ruft  dazu auf, mit bunten Lichterketten an der Aktion teilzunehmen.

(Foto: ACHSE)

Juliane Russ, M.Sc., Volontärin


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