ApothekenRechtTag online 2024

Der Weg des E-Rezepts in die Apotheke – was ist erlaubt?

Berlin - 01.03.2024, 17:50 Uhr

Rechtsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlert zeigte beim ApothekenRechtTag auf, dass es beim E-Rezept noch viele offene Fragen gibt. (Foto: Moritz Hahn)

Rechtsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlert zeigte beim ApothekenRechtTag auf, dass es beim E-Rezept noch viele offene Fragen gibt. (Foto: Moritz Hahn)


Ob in der Heimversorgung, im Zusammenhang mit Plattformen oder bei der Nutzung von Praxissoftware-Apps: Immer wieder stellt sich aus juristischer Sicht die Frage, auf welchem Weg E-Rezepte beziehungsweise deren Token von den Praxen in die Apotheken gelangen dürfen. Rechtsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlert nahm beim ApothekenRechtTag online 2024 einige Konstellationen unter die Lupe.

Spätestens seit dem Jahreswechsel ist das E-Rezept im Alltag der Apothekenteams angekommen. Etwa 75 Millionen elektronische Verordnungen haben Patienten hierzulande in den ersten zwei Monaten des Jahres 2024 in den Apotheken eingelöst – und doch sind nach wie vor viele Fragen offen. Das gilt nicht nur aus apothekerlicher, sondern auch aus juristischer Sicht, wie Rechtsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlert von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen aus Freiburg am heutigen Freitag in ihrem Vortrag beim ApothekenRechtTag online 2024 deutlich machte.

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Ein zentrales Thema, das die Juristen hierzulande beschäftigt, ist die Frage, auf welchem Weg E-Rezepte beziehungsweise deren Token von den Praxen in die Apotheken gelangen dürfen. Drei Fälle nahm Bongers-Gehlert besonders ins Visier: Das Übermitteln vom Arzt an die Apotheke via KIM, Plattform-Angebote und spezielle Apps von Praxissoftware-Anbietern.

Mit dem Gematik-Fachdienst KIM (Kommunikation im Medizinwesen) existiert inzwischen ein direkter Draht zwischen Praxen und Apotheken. Doch ist es zulässig, diesen Kanal zu nutzen, um die E-Rezept-Token der Patienten zu übermitteln? Weitgehend geklärt ist laut Bongers-Gehlert, dass dies kein üblicher Weg ist, der gleichberechtigt neben dem Ausdruck des Tokens, dem Weiterleiten via Gematik-App und dem E-Rezept-Abruf per elektronischer Gesundheitskarte steht. Ärzte dürfen demnach nicht von sich aus das Übermitteln des Tokens an eine bestimmte Apotheke anbieten oder vornehmen.

Doch wie verhält es sich, wenn Patienten von sich aus in der Praxis darum bitten, den Token an eine bestimmte Apotheke zu schicken? In diesem Fall handelt es sich nicht um eine unzulässige Absprache zwischen Arzt und Apotheker und auch die freie Apothekenwahl bleibt unberührt. In der analogen Rezept-Welt hatte der Bundesgerichtshof im Jahr 2011 mit Blick auf die Versorgung mit Hörgeräten entschieden, dass eine Direktübermittlung zulässig sein kann (Az.: NJW 2011, 2211). Für das Weiterleiten des E-Rezept-Tokens gilt es dies noch zu klären. Bongers-Gehlert warnte vor einem „erheblichen Missbrauchspotenzial“, zumal im Einzelfall stets zu klären sei, von wem die Initiative ausgegangen sei – Patient oder Arzt?

Ein möglicher Anwendungsfall, in dem das Weiterleiten von Token via KIM besonders interessant sein dürfte, ist die Heimversorgung. Sowohl die Gematik als auch der Deutsche Apothekerverband (DAV) sind jedoch skeptisch, ob es erlaubt ist, dass Praxen die E-Rezept-Schlüssel der Heimbewohner direkt an die heimversorgende Apotheke übermitteln. Bongers-Gehlert verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg aus dem Jahr 2020, wonach zumindest im analogen Bereich von keiner verbotenen Zuweisung (§ 11 Absatz 1 Apothekengesetz) oder einem Verstoß gegen die freie Apothekenwahl (§ 12a Absatz 1 Nr. 4 Apothekengesetz) auszugehen sei, sofern der Patient der Versorgung durch die jeweilige Apotheke zugestimmt hat (Az.: W 8 K 20.271). In der digitalen Welt sei dies aber noch zu klären.

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Ein Aspekt, mit dem sich kürzlich auch der Gesetzgeber im Zuge des Digitalgesetzes nochmals befasst hat, sind Apps von Drittanbietern, mit deren Hilfe Patienten ihre Token weiterleiten können sollen. Die Geschäftsmodelle seien ganz unterschiedlicher Natur, es seien unzählige Konstellationen denkbar, schickte Bongers-Gehlert vorweg. In ihrem Vortrag widmete sie sich sodann insbesondere Plattformen und Apps von Praxissoftware-Anbietern.

Zu unterscheiden sei, ob einerseits die Übermittlungstechnik und andererseits das Übermitteln der E-Rezept-Token an sich zulässig ist. Mit dem jüngst verabschiedeten Digitalgesetz habe der Gesetzgeber die technische Funktion grundsätzlich untersagt (§ 360 Absatz 16 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) und gleichzeitig einige Ausnahmen eingeführt. So ist es demnach zum Beispiel gestattet, dass Apotheken selbst Apps betreiben, die der direkten Entgegennahme der E-Rezept-Token dienen und darauf ausgerichtet sind, den Patienten zusätzliche Wege zu ersparen.

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Für Drittanbieter macht der Gesetzgeber es unter anderem zur Bedingung, dass die Apps mit Blick auf die Apothekenwahl diskriminierungsfrei ausgestaltet sind und den Verzeichnisdienst der Gematik nutzen. Die Forderung nach Diskriminierungsfreiheit werfe jedoch Fragen auf, führte Bongert-Gehlers aus: Bedeutet diese Formulierung, dass alle Apotheken angebunden sein müssen? Oder reicht es, wenn dies allen Apotheken technisch möglich wäre? Muss die Anbindung für die Apotheken zwangsläufig gebührenfrei sein? Und wie verhält es sich, wenn Plattformen etwa nur den Kontakt zwischen Patient und Apotheke herstellen, die Tokenübermittlung jedoch zwischen diesen beiden Parteien ohne Beteiligung der Plattform abläuft?

Fraglich ist der Rechtsanwältin zufolge auch, wie Plattformen zu bewerten sind, bei denen der Patient seinen Token abfotografiert und hochlädt und die dieses Foto dann an die ausgewählte Apotheke übermitteln. Exemplarisch nannte sie gesund.de sowie die Angebote einiger Versender und Lieferdienste. Handelt es sich dabei um das Zuführen von Patienten oder einen Verstoß gegen das Makelverbot? Und reicht das reine Vermitteln aus, damit dieses Vorgehen als unzulässig einzustufen sei, oder muss tatsächlich das Gebot der freien Apothekenwahl verletzt sein? 

Bezüglich letzterer Frage verwies Bongers-Gehlert auf ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe aus dem Jahr 2022, wonach der Schutzzweck des § 11 Absatz 1a Apothekengesetz primär darauf ausgerichtet sei, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen und das flächendeckende Netz wohnortnaher Apotheken zu erhalten. Daher sei das Makelverbot auch nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass „ein Vermitteln einer Verschreibung zulässig ist, wenn das (individuelle) freie Apothekenwahlrecht gewahrt bleibt“ (Az.: 13 O 17/22 KfH).

Auch Apps von Praxissoftware-Anbietern, über die Ärzte E-Rezept-Token an Apotheken schicken können, sieht Bongers-Gehlert kritisch. Für die Apotheken resultiere daraus indirekt ein Zwang, diese Apps zu nutzen. Und für den Arzt werde es problematisch, wenn nur bestimmte Apotheken angebunden sind – denn das könne man ihm als Empfehlung für diese Apotheken auslegen. Letztlich komme es bei solchen Angeboten jedoch darauf an, wie die individuellen Verträge ausgestaltet sind. Bei den Bewertungen handele es sich also immer um Einzelfallentscheidungen.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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