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Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht
Was gegen die Selbstmedikation mit Desogestrel spricht
Seit Anfang 2024 ist klar: Die „Minipille“ gibt es in Deutschland weiterhin erst einmal nur auf Rezept. Warum genau der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht von einem OTC-Switch für Desogestrel 75 µg abrät, wurde nun im Ergebnisprotokoll zu seiner Sitzung vom 23. Januar veröffentlicht.
Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht hat sich auf seiner 88. Sitzung am 23. Januar 2024 einstimmig gegen den OTC-Switch von Desogestrel
75 µg ausgesprochen. Aus dem am 1. März veröffentlichten Ergebnisprotokoll geht nun hervor, was den Ausschuss zu dieser einstimmigen Ablehnung bewegt hat. (Seit Herbst 2023 sind nach der neuen Geschäftsordnung Enthaltungen nicht mehr möglich.)
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Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht ist mit seiner Empfehlung der Auffassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gefolgt, dass Desogestrel „zur oralen Kontrazeption nicht für die Selbstmedikation geeignet“ ist.
Hätte sich der Ausschuss dennoch für eine Freistellung von der Verschreibungspflicht ausgesprochen, so hätte dies aus Sicht des BfArM nur mit einer Altersbegrenzung auf Erwachsene und einer Begrenzung der Packungsgröße auf drei Monate erfolgen sollen.
Das Alter
Das Alter scheint somit ein Hauptfaktor in der Entscheidung gegen den OTC-Switch gewesen zu sein: Es gebe nur begrenzte Nebenwirkungsdaten für die Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen (3,4 % der Fälle einer Auswertung in EudraVigilance) und auch die Fachinformation verweise auf die unzureichende Datenlage unter 18 Jahren, erklärt das BfArM.
„Die Sicherheit und Wirksamkeit von Damara bei Jugendlichen unter 18 Jahren ist nicht erwiesen. Es liegen keine Daten vor.“
In den USA sei Norgestrel (Opill) zwar seit Juli 2023 ohne Altersbeschränkung ohne Rezept erhältlich, in Europa sei Desogestrel – mit Ausnahme von Großbritannien – jedoch in allen Ländern verschreibungspflichtig. In Großbritannien können seit dem dritten Quartal 2021 Erwachsene mit Beratung in der Apotheke eine Zwölfmonatspackung erwerben, unter 18-Jährige jedoch nur eine Dreimonatspackung.
Der erste Geschlechtsverkehr findet laut BfArM in Deutschland zwischen dem 16. und 17. Lebensjahr statt.
Die Anamnese
Zudem verweist das BfArM darauf, dass vor der Verordnung von Desogestrel eine sorgfältige Anamnese erhoben werden sollte. Eine Schwangerschaft sollte ausgeschlossen werden und Zyklusstörungen wie Oligomenorrhoe oder Amenorrhoe sollten vor der ersten Verschreibung abgeklärt werden, heißt es. Gerade unregelmäßige Blutungen seien eine häufige Nebenwirkung von Desogestrel – und das „häufiger als bei anderen reinen Gestagenpillen“.
Die Nebenwirkungen
Auch Thromboembolien sollen bei Mädchen oder Frauen mit Risikofaktoren unter Desogestrel-Therapie aufgetreten sein. In der Diskussion betonte der Antragsteller auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht jedoch, dass gestagenhaltige Monopräparate das Thromboserisiko nicht wie östrogenhaltige kombinierte orale Kontrazeptiva erhöhen würden. „Daher seien von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den 'medical eligibility criteria' eine vorangegangene Thrombose oder eine vorliegende Thrombophilie keine Kontraindikationen für den Gebrauch gestagenhaltiger Monoprärate und diese Pillen würden bei Frauen dieser Risikogruppen eingesetzt“, heißt es im Protokoll.
Außerdem wurden in der Ausschussdiskussion psychiatrische Nebenwirkungen intensiver diskutiert. Dazu erwiderte der Antragsteller, „Stimmungsschwankungen seien nicht als Nebenwirkung einer hormonellen Kontrazeption, sondern als Perzeption der Veränderung einer hormonellen Situation zu verstehen“.
Die Adhärenz?
Weil im Ausschuss mehrfach die Adhärenz der Desogestrel-Einnahme diskutiert wurde, stellte das BfArM schließlich klar, „dass die Desogestrelpille ein Einnahme-Zeitfenster von zwölf Stunden hat, was mit den Kombinationspräparaten vergleichbar ist. Nur die Minipille mit Levonorgestrel hat ein Einnahme-Zeitfenster von drei Stunden“.
Damit erscheint die Adhärenz durch einen OTC-Switch eher nicht negativ beeinflussbar.
Wäre Desogestrel ohne Rezept ein Geschenk an den Versandhandel?
Neben den oben beschriebenen pharmazeutischen Diskussionsebenen ging es auch um gesellschaftliche Fragen, wie den Zugang zu Verhütungsmitteln, der jedoch in Deutschland laut BfArM größtenteils als einfach bewertet wird. Im Rahmen dieser Diskussion erscheint erwähnenswert, dass laut Antragsteller das in Großbritannien vertriebene verschreibungsfreie Desogestrel-Präparat bis zu 25 Prozent über den Versandhandel vertrieben wird. Dieser Anteil wäre „in Deutschland vermutlich niedriger“, gab der Antragsteller zu bedenken.
Neben der Vielzahl der hier aufgezählten Themen wurde beispielsweise auch über die Entwicklung der Zahlen von Schwangerschaftsabbrüchen diskutiert und den Rückgang der Einnahme von oralen hormonellen Kontrazeptiva insgesamt. Welche Argumente am Ende aber hauptsächlich ausschlaggebend für die einstimmige Ablehnung des Antrags waren, geht aus dem Ergebnisprotokoll nicht klar hervor.
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