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Bundessozialgericht
Honorarkürzung für TI-Verweigerer war rechtens
Vertragsärzte, die sich bis Anfang 2019 nicht an die Telematikinfrastruktur angebunden hatten, um die Versichertenstammdaten ihrer Patienten abzugleichen, konnte das Honorar zu Recht gekürzt werden. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.
Weite Teile der Ärzteschaft taten sich in der Vergangenheit schwer mit der staatlich verordneten Digitalisierung. Einige Mediziner*innen haben noch immer Probleme mit den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben. Und so setzt der Gesetzgeber bis heute auf Sanktionen, damit es mit der Nutzung der Telematikinfrakstuktur (TI) und ihrer Anwendungen vorangeht. So ist auch künftig eine 1-prozentige Honorarkürzung für Verträgsärztinnen und -ärzte geplant, wenn diese gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nicht rechtzeitig nachgewiesen haben (voraussichtlicher Stichtag: 1. Mai 2024), dass sie in der Lage sind, Arzneimittelverordnungen elektronisch auszustellen und zu übermitteln. Das sieht das vor einem Monat beschlossene, jedoch nach wie vor nicht verkündete und damit auch noch nicht in Kraft getretene Digitalgesetz vor.
Seit 2019 müssen Praxen Versichertenstammdaten abgleichen
Schon zuvor fand sich im Sozialgesetzbuch V die Vorgabe, dass die KVen unwilligen Ärztinnen und Ärzten das Honorar um ein Prozent kürzen können – nämlich dann, wenn sie ab dem 1. Januar 2019 nicht die TI zur Durchführung des Versichertenstammdatenabgleichs nutzen (§ 291 Abs. 2b SGB V in der Fassung vom 11. Dezember 2018).
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Über den Fall einer Praxis, der eine solche Kürzung widerfuhr, hatte nun das Bundessozialgericht zu entscheiden. Am gestrigen Mittwoch urteilte es: Die KV kürzte zu Recht. Die seinerzeit geltende Verpflichtung zur Anbindung an die TI stellte keinen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre ärztliche Berufsfreiheit dar.
Schon das Sozialgericht wies Klage der Ärzte ab
Geklagt hatte eine gynäkologische Berufsausübungsgemeinschaft gegen ihre KV, nachdem diese das Honorar gemäß den gesetzlichen Vorgaben gestutzt hatte. Schon die erste Instanz, das Sozialgericht Mainz, hatte die Klage abgewiesen. Die Rechtsgrundlagen stünden mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Einklang, befand es. Und die Pflicht, sich an die TI anzubinden, sei auch kein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit.
Sprungrevision zum Bundessozialgericht
Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen – doch auch hier hatten die klagenden Mediziner keinen Erfolg. Sie trugen insbesondere vor, dass die gesetzlichen Regelungen erst mit dem im Oktober 2020 in Kraft getretenen Patientendaten-Schutz-Gesetz den Anforderungen an die Gewährleistung der Datensicherheit entsprochen hätten.
Datensicherheit war gewährleistet
Das sieht das Bundessozialgericht anders. Wie es in einem Terminbericht der 6. Senats heißt (die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor), entspricht die Datenverarbeitung durch Vertragsärzte bei Durchführung des Versichertenstammdatenabgleichs den besonderen Anforderungen an die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Gesundheitsbereich. Sie sei durch hinreichende Ermächtigungsgrundlagen insbesondere in Artikel 9 und 6 DSGVO in Verbindung mit §§ 1, 22 Bundesdatenschutzgesetz und §§ 291 ff. SGB V gedeckt. Bereits Anfang 2019 habe das Normkonzept des SGB V den Vorgaben aus dem europäischen Recht zur Gewährleistung einer ausreichenden Datensicherheit entsprochen, so das Gericht weiter. Es habe keine solchen systemischen Mängel aufgewiesen, die Ärzte von der Pflicht, sich an die TI anzubinden, hätten freistellen können. Eine vorherige Datenschutz-Folgenabschätzung sei für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nicht zwingend erforderlich gewesen. Die Verantwortlichkeit für den Bereich der dezentralen TI-Komponenten habe nach der Datenschutz-Grundverordnung auch ohne gesonderte nationale Regelung im Quartal 1/2019 bei den Vertragsärzten gelegen.
Legitimer Zweck
Überdies diene die Verpflichtung der Ärzte zu einem Versichertenstammdatenabgleich dem legitimen Zweck, Leistungsmissbrauch durch die Identifizierung ungültiger, verlorener oder gestohlen gemeldeter elektronischer Gesundheitskarten zu verhindern. Sie sei ebenso verhältnismäßig wie die an ihre Nichtbefolgung geknüpfte Honorarkürzung. Damit habe kein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit vorgelegen.
MEDI-Verbund enttäuscht
Die Klage hatten verschiedene MEDI-Ärzteverbände unterstützt. Diese zeigten sich in einer Pressemitteilung vom Mittwoch über das Urteil enttäuscht. Es liege im allgemeinen Interesse, „dass das Gesundheitssystem nicht durch technisch unsichere und im Betrieb teure IT-Systeme belastet wird, die nicht das angestrebte Ziel einer Effizienzsteigerung bewirken“, erklärte Norbert Smetak, Vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg, MEDI GENO Deutschland und praktizierender Kardiologe.
Gänzlich aufgegeben haben die Verbände offenbar nicht. Sie sehen noch weitere prozessuale Möglichkeiten. Diese seien jedoch in der Umsetzung komplex und sollten daher nach Bekanntgabe der schriftlichen Urteilsbegründung in den kommenden Wochen diskutiert werden.
Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2024, Az.: B 6 KA 23/22 R
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