Xolair

Omalizumab – mit einem Arzneimittel vor zahlreichen Nahrungsmittelallergien schützen?

Stuttgart - 07.03.2024, 12:15 Uhr

Omalizumab soll allergische Reaktionen auf Erdnüsse, Milch, Ei, Weizen, Cashew, Haslenüsse oder Walnüsse reduzieren – aber nicht komplett verhindern. (Foto: Татьяна Креминская / AdobeStock)

Omalizumab soll allergische Reaktionen auf Erdnüsse, Milch, Ei, Weizen, Cashew, Haslenüsse oder Walnüsse reduzieren – aber nicht komplett verhindern. (Foto: Татьяна Креминская / AdobeStock)


Nahrungsmittelallergien werden typischerweise durch IgE-Antikörper (Immunglobulin E) vermittelt. Wäre es da nicht praktisch, wenn künftig Arzneimittel genau an diesem Mechanismus ansetzen und so gegen eine Vielzahl von Nahrungsmittelallergien wirken könnten? In den USA wurde der Antikörper Omalizumab nun genau für diese Indikation zugelassen. Allerdings verschwinden Nahrungsmittelallergien auch unter Omalizumab nicht einfach.

Am 16. Februar 2024 hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA den Wirkstoff Omalizumab unter dem Handelsnamen Xolair® zur Linderung von Immunglobulin-E-vermittelten Nahrungsmittelallergien zugelassen. Für Patient:innen, die künftig Xolair® anwenden, gilt zwar, dass diese weiterhin Lebensmittel meiden müssen, auf die sie allergisch reagieren – sie müssen sich aber bei versehentlichem Kontakt mit dem Allergen weniger vor schweren Reaktionen wie einer Anaphylaxie fürchten [1].

Omalizumab ist ein Antikörper, „der selektiv an das menschliche Immunglobulin E (IgE) bindet und somit die Bindung von IgE an den FcεRI (hochaffiner IgE-Rezeptor) auf Basophilen und Mastzellen verhindert, wodurch die Menge an freiem IgE reduziert wird, das zum Auslösen der allergischen Kaskade verfügbar ist.“ 
(Fachinformation Xolair® 75 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Stand November 2023, www.fachinfo.de

Hinter Nahrungsmittelallergien stehen typischerweise IgE-Antikörper (Immunglobulin-E) als Vermittler der allergischen Reaktion. Es gibt aber auch „nicht-IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien“, wie zum Beispiel das FPIES (food induced enterocolitis syndrome) oder die eosinophile Ösophagitis
(Internetauftritt des Allergie-Informationsdiensts des Helmholtz Zentrums München, Stand 13. Oktober 2023)

Laut dem Allergie-Informationsdienst des Helmholtz Zentrums München, kommen Arzneimittel bei Nahrungsmittelallergien bislang „in der Regel nur dann zum Einsatz, wenn Betroffene den Auslöser unbeabsichtigt eingenommen haben und daraufhin Reaktionen auftreten“. Gemeint sind damit Adrenalin-Autoinjektoren und Glucocorticoide, aber auch Antihistaminika (bei nicht lebensbedrohlichen Reaktionen) und Bronchodilatatoren [2]. Solchen Notfallarzneimitteln ist Xolair® nicht zuzuordnen [1].

Seit Ende 2020 gibt es in Europa mit dem Präparat Palforzia® zwar ein Arzneimittel, das zur Steigerung der Toleranz gegenüber Erdnüssen zugelassen ist und das somit am ehesten dem Therapieziel von Xolair® entspricht. Allerdings ist der enthaltene Wirkstoff Erdnussproteinpulver, der im Sinne einer oralen Desensibilisierung angewendet wird (orale Immuntherapie) [3]. Omalizumab ist hingegen ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der bereits 2005 in Europa zugelassen wurde – bislang in Europa aber nur bei schwerem allergischem IgE-(Immunglobulin E-)vermittelten Asthma und chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen indiziert ist. In den USA soll Xolair® nun gegen eine Vielzahl von Nahrungsallergenen zum Einsatz kommen [4]. 

Insofern ist die US-Zulassung für Xolair® die erste ihrer Art: Die FDA hatte bereits 2018 dem Antikörper in der Behandlung von Nahrungsmittelallergien den Status „Therapiedurchbruch“ bescheinigt und damit dessen Zulassung beschleunigen wollen [5]. 

Omalizumab in deutscher Leitlinie zu Nahrungsmittelallergien

Auch in der deutschen „S2k-Leitlinie Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien“ wird Omalizumab bereits erwähnt: „Anti IgE kann als Monotherapie oder als adjuvante Therapie bei einer oralen Immuntherapie zur Behandlung der Nahrungsmittelallergie eingesetzt werden“, heißt es dort. Als potenzielle Zulassungskandidaten werden dort neben Omalizumab auch Ligelizumab (Anti IgE-Antikörper der 2. Generation), Dupilumab (Antikörper gegen die IL4-Rezeptor Alpha-Kette) und Etokimab (anti IL33-Antikörper) genannt [6].

Bei Allergien gegen Erdnüsse, Milch, Ei, Weizen, Cashew, Haselnuss oder Walnuss 

Die FDA betont nun, dass Xolair® das erste von ihr zugelassene Arzneimittel ist, das allergische Reaktionen auf mehr als eine Art von Lebensmittel nach versehentlichem Kontakt reduziert. Für die Zulassung beruft sich die FDA auf eine multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Studie an 168 Patient:innen ab einem Jahr, die gegen Erdnüsse und mindestens zwei weitere Lebensmittel wie Milch, Ei, Weizen, Cashew, Haselnuss oder Walnuss allergisch waren. 

Sicherheitsbedenken

Die Behandlung erwies sich als effektiv, allerdings hatte Xolair® bei 17 Prozent der Erdnuss-Allergiker:innen keinen signifikanten Effekt, sodass laut FDA auch mit Xolair® weiterhin eine strikte Allergenvermeidung erforderlich ist. Außerdem sollte beachtet werden, dass Xolair® auch einige Risiken mit sich bringt – zum Beispiel kann es selbst Anaphylaxien auslösen [1,4].

Sollte es irgendwann auch in Europa zu einer Zulassungserweiterung für Xolair® auf Nahrungsmittelallergien kommen, bleibt abzuwarten, welchen Zusatznutzen, die Therapie den Patient:innen in der Praxis bringen wird. Auch bei Palforzia® treten unter der Therapie Nebenwirkungen auf und die Erdnuss-vermeidende Diät muss fortgeführt werden, sodass der gemeinsame Bundesausschuss für dieses Arzneimittel keinen Zusatznutzen feststellen konnte. Ob das bei Xolair® in Zukunft anders wäre, bleibt abzuwarten.

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Literatur

[1] Pressemitteilung der FDA. FDA Approves First Medication to Help Reduce Allergic Reactions to Multiple Foods After Accidental Exposure. 16. Februar 2024, www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-first-medication-help-reduce-allergic-reactions-multiple-foods-after-accidental 

[2] Internetauftritt des Allergie-Informationsdiensts des Helmholtz Zentrums München. Wie wird eine Nahrungsmittelallergie behandelt? Stand 13. Oktober 2023, www.allergieinformationsdienst.de/krankheitsbilder/nahrungsmittelallergie/behandlung

[3] Müller C. EU lässt Palforzia gegen Erdnussallergie zu. DAZ.online 4. Januar 2021, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/01/04/eu-laesst-erstes-arzneimittel-gegen-erdnussallergie-zu

[4] Fachinformation Xolair® 75 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Stand November 2023, www.fachinfo.de

[5] Müller C. „Therapiedurchbruch“ für Omalizumab bei Nahrungsmittelallergien. DAZ.online 14. August 2018, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/08/14/therapiedurchbruch-fuer-omalizumab-bei-nahrungsmittelallergien

[6] S2k-Leitlinie Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. Stand 30.06.2021, gültig bis 31.12.2024 (in Überarbeitung), register.awmf.org/de/leitlinien/detail/061-031


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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