Interpharm FIlialapotheken

Mit „Schwarmintelligenz“ und im Verbund gemeinsam in die Zukunft

Stuttgart - 09.03.2024, 15:30 Uhr

Blicken positiv in die Zukunft (von links nach rechts): Apotheker Michael Dill, Apothekerin Alexandra Ried, Moderator Dr. Benjamin Wessinger, Apothekerin Juliane Spans. (Foto: DAZ / Moritz Hahn) 

Blicken positiv in die Zukunft (von links nach rechts): Apotheker Michael Dill, Apothekerin Alexandra Ried, Moderator Dr. Benjamin Wessinger, Apothekerin Juliane Spans. (Foto: DAZ / Moritz Hahn) 


Am Samstag standen die Filialapotheken im Mittelpunkt der INTERPHARM. Seit 20 Jahren dürfen Apotheken in Deutschland Filialen eröffnen. Was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Franchise-, Familien- und Filialverbünden und wo liegen die größten Vorteile? Die Diskussionsrunde mit drei Apotheker*innen ist dieser Frage unter Leitung von Moderator Dr. Benjamin Wessinger nachgegangen. 

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Unter diesem Motto diskutierte Dr. Benjamin Wessinger, Geschäftsführer der Mediengruppe Deutscher Apotheker-Verlag, mit den drei Apothekern Juliane Spans, Alexandra Ried und Michael Dill beim INTERPHARM-Filialapothekentag über Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Filialleiter*innen in Familien- und Filialverbünden.

Familienverbünde: großes Commitment, viel Spielraum

Dabei schilderte Alexandra Ried aus Ulm ihre Erfahrungen als Mitglied eines Familienverbunds mit der Engel-Apotheke als Stammapotheke und fünf weitere Standorten, welche im Familienverbund geführt werden. „Natürlich verschwimmen Beruf und Privates und es wird auch sonntags über Geschäftliches gesprochen“, so die Apothekerin, „aber es gibt eine große Verbundenheit und es wäre schade, wenn das verloren geht.“ Wichtig sei, eine klare Aufgaben-Verteilung innerhalb der Familie, jeder habe seinen Bereich; so sei sie beispielsweise für alle Digitalthemen verantwortlich, während ihr Vater das Marketing übernehme. „Es gibt ein großes Commitment, wir entscheiden gemeinsam. Es gibt keinen geheimen Chef, wir haben jeder unseren Zuständigkeitsbereich“, so Ried. Auch bei der Ausgestaltung der jeweiligen Apotheken gebe es großen Gestaltungsspielraum: „Wir sind sehr unterschiedlich aufgestellt und haben Individualapotheken, die Filialleitungen haben großen Spielraum.“

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Kooperationen: Synergie-Effekte und Spezialisierung

Auch Apothekerin Juliane Spans, Filialleiterin bei einer der Niehaus-Apotheken in Ahrensburg, unterstrich die großen Vorteile, sich in einer Gruppe über Themen austauschen und Aufgaben aufteilen zu können. „Gerade mit Blick auf eine Strategie in diesem schwierigen Jahr 2024 müssen wir eine große Flexibilität an den Tag legen“, so Spans, „da hilft der Austausch enorm und auch dass es Mechanismen gibt, sich Aufgabengebiete zu teilen.“ Gerade beim E-Rezept habe sich dieses Konzept bewährt. Zudem profitiere man als Mitglied einer Kooperation, weil man auf bestimmte Erfahrungen und das Wissen der anderen Mitglieder zurückgreifen könne, die man vielleicht selbst nicht so in der Tiefe habe. Auch beim zentralisierten Einkauf sieht Span einen großen Vorteil eines Verbundes – „dennoch kann ich viel selbst entscheiden und habe eine große Wahlfreiheit“. Die Apothekerin sieht starke Synergie-Effekte und Ressourcen sparendes Arbeiten als die größten Vorteile. „Ich denke immer für drei Apotheken – alles, was angepackt wird, wird für drei gemacht.“ Dennoch müssten die 3-4 Filialen so unterschiedlich und spezialisiert sein, dass sie nicht gegenseitig in Konkurrenz treten. „Nach außen Spezialisierung, nach innen aber Zentralisierung“, brachte es Wessinger auf den Punkt.

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Große Verbünde: „Schwarmintelligenz“ und zentrale Tools

Filialleiter Michael Dill von der Kooperation Medicon mit mehr als 20 Apotheken berichtete, dass der Verbund gerade bei der Einführung des E-Rezepts ein enorm großer Vorteil gewesen wäre: „Wir haben alle die gleiche IT und es gab ein zentrales Tool für alle E-Rezepte – das war eine große Hilfe.“ Auch bei der Bündelung des Einkaufs und des Marketings sieht er „riesige Vorteile“ für Inhaber und Filialleiter, „wenn ein zentrales Team jeweils eine dieser Aufgabe übernimmt“. Zudem profitiere der ganze Verbund von der „Schwarmintelligenz“. Die große Stärke sehe er vor allem im Einkauf und im Marketing. Das Knowhow sei in der Gruppe viel größer, als man es als einzelner Apotheker haben könne. Und ein weiter Vorteil: „Dadurch können wir uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren.“ Auch wenn es in größeren Verbünden eine „größere Verpflichtung gibt, sich an Regeln zu halten“, so Dill, der als Filialleiter in der Medicon-Apotheke in Eibach nahe Nürnberg arbeitet. In kleineren Punkten sei man vielleicht unflexibler, das sehe er aber nicht als Nachteil, im Gegenteil: „Ich bin dankbar, wenn mir das Zentralteam Vorgaben macht“. 

Der Medicon-Verbund mit mehreren Inhabern sei zwar im Vergleich zu anderen Familien- und Filialverbünden groß, aber „nicht schwer manövrierbar“, so Dill. Neben den regelmäßigen Inhabertreffen zur zentralen Kursbesprechung spreche er sich als Filialleiter in direktem Austausch mit seinem Inhaber, der vier Apotheken besitzt, über wichtige Themen ab. Auf die Frage nach der „Sandwich-Position“ eines Filialleiters antwortete Dill: „Wir entscheiden gemeinschaftlich. Ich bin aber sehr froh darüber, von einem Inhaber mit mehr Erfahrung zu profitieren. Dennoch habe ich genug Spielraum, um selbst gestalten zu können.“

„Partizipativer Führungsstil“

Auf die Frage nach dem Führungsstil, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Als Anhänger eines „partizipativen Führungsstils“ sehen sich sowohl Dill als auch Spans. Alexandra Ried stimmte zu, präzisierte aber: „Die Filialleitung bekommt Leitplanken, die wir als Inhaber vorgeben, da wir am Jahresende auch für den Erfolg verantwortlich sind“. Juliane Spans berichtete, dass sie bei Personalentscheidungen immer Rücksprache mit dem Inhaber führe, sie häufig die Einstellungsgespräche auch gemeinsam führten und danach gerne einen Tag „Probearbeiten“ im Team ließen. Gefragt zu den Merkmalen und Kompetenzen einer Filialleitung, waren sich die drei Teilnehmer einig, dass pharmazeutische Kenntnisse die Grundlage seien, fehlende betriebswirtschaftliche Fähigkeiten und Führungskompetenz aber mit der Zeit vermittelt und gelernt werden könnten. 

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Was bringt die Zukunft?

Auf die Frage nach der Zukunft, herrschte ebenfalls Einigkeit in der Diskussionsrunde. Michel Dill ist sich sicher, dass „Filialverbünde in der Zukunft Bestand haben, denn der Wettbewerb wird härter“. Apotheken bräuchten immer mehr Unterstützung bei den Abläufen, die in den nächsten Jahren noch anspruchsvoller und herausfordernder werden. Und: Trotz aller Hindernisse schaue er zuversichtlich in die Zukunft. Juliane Spans kam zu einer ähnlichen Einschätzung: „Ich sehe bei unserem Verbund vor allem Entlastung im Digitalen und fühle mich nicht alleine. Ich bin davon überzeugt, dass wir weiter als inhabergeführter Filialverbund bestehen, denn innere Werte und eine hohe unternehmerische und pharmazeutische Qualität werden auch in Zukunft wichtig sein.“ Auch Apothekertochter Alexandra Ried blickt für ihren familiären Verbund positiv auf die Entwicklung in den nächsten Jahren: „Es ist wichtig, dass man nicht alleine dasteht, denn alleine wird es schwierig.“ Apotheker müssten verstärkt in Netzwerken zusammenarbeiten und in verschiedenen Kooperationsmöglichkeiten arbeiten, „dann kann man sehr gut überleben“, ist Ried sicher. Auf die Nachfrage, ob in fünf Jahren alles „durch-filialisiert“ sei, wie Wessinger es formulierte, antwortete Dill: „Ich gehe davon aus, dass der Kooperationsgrad steigt, weil Apotheken mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert werden.“

Dennoch war eines zum Abschluss der Runde deutlich spürbar: Alle Teilnehmer fühlen sich durch ihre Aufstellung in Verbünden und Kooperationen gut aufgestellt für die Zukunft. Moderator Benjamin Wessinger verabschiedete die Runde zufrieden und positiv überrascht: „Das ist doch ein schöner, optimistischer Ausblick auf die Zukunft.“


Stefanie Keppler, DAZ-Ressortleiterin
skeppler@daz.online


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