Ethik und Monetik vereinen

Wie passen Pharmazie und BWL zusammen?

Süsel - 11.03.2024, 07:00 Uhr

Ethik und Monetik sind keine Gegensätze. (Foto: Oleg/AdobeStock)

Ethik und Monetik sind keine Gegensätze. (Foto: Oleg/AdobeStock)


Wie findet eine Filialleitung die Balance zwischen Pharmazie und BWL? - Dr. Thomas Müller-Bohn beschrieb dies beim Filialapothekentag eher als punktuelle Herausforderung und nicht als allgemeines Problem. Als Antwort empfahl er, Transparenz zu schaffen, die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge zu prüfen und kritische Fragen mit Perspektivwechseln neu zu betrachten.

Für Müller-Bohn als Apotheker und Diplom-Kaufmann sind Pharmazie und BWL keineswegs Gegensätze. Das plakative Begriffspaar „Ethik und Monetik“ suggeriert zwar einen Widerspruch. Doch Müller-Bohn sieht dort nur einzelne mögliche Konfliktpunkte, aber auch Synergien. 

Ethik stützt sich auf eine Unterscheidung zwischen gewünschten und nicht gewünschten Handlungsweisen. „Monetik“ ist dagegen ein Kunstwort, das von „moneta“ - lateinisch für „Münze“ - abgeleitet wird und einen vermeintlichen Gegensatz zur Ethik ausdrücken soll. Die ökonomische Theorie und Literatur sind jedoch voller Betrachtungen zur Berücksichtigung ethischer Aspekte beim wirtschaftlichen Handeln. Sie zielen auf die Vereinbarkeit von Ethik und Ökonomie, nicht auf einen Widerspruch. Nach der Grundidee der Marktwirtschaft ist das Ergebnis einer marktwirtschaftlichen Ressourcenallokation ideal, weil sie sich aus den subjektiven Präferenzen der Beteiligten ergibt. Dieses Prinzip hat Adam Smith schon im 18. Jahrhundert als „unsichtbare Hand“ beschrieben, die zum idealen Ergebnis führt. Diese marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionieren allerdings nur, wenn die idealtypischen Voraussetzungen für einen vollkommenen Markt erfüllt sind, was im Gesundheitswesen unrealistisch ist. Solche Unzulänglichkeiten sind der Grund für die Entwicklung der Sozialen Marktwirtschaft, die sich selbst nicht als Korrektur versteht, sondern bei der die sozialen Aspekte einen integralen Bestandteil darstellen. Dieser Idee folgt auch das Konzept der Apotheken in Deutschland als kaufmännische Unternehmen im Eigentum von Heilberuflern, die vielfältigen Vorschriften unterliegen und Pflichtmitglieder in Kammern sind.

Mehr zum Thema

Der Apothekerberuf wird ein Heilberuf sein – oder er wird nicht sein

Welche Ethik für eine Pharmazie der Zukunft?

Konflikte nicht im Grundsätzlichen

Konfliktquellen ergeben sich damit nicht aus grundsätzlichen Positionen, sondern eher auf der Umsetzungsebene. Dafür kommen in Apotheken insbesondere die Einnahmequellen in Betracht. Bei Rx-Arzneimitteln besteht vor allem die Gefahr, dass eine zu schnelle „Abfertigung“ bei großem Patientenaufkommen hohe Umsätze bei begrenzten Kosten bietet, dies aber zulasten der Beratungsqualität gehen kann.

Bei OTC-Arzneimitteln könnten Apothekeninhaber erwarten, dass den Patienten Produkte „aufgedrängt“ werden oder bevorzugt besonders ertragreiche Produkte angeboten werden. Um ethisch angemessen damit umgehen zu können, müsse erst betriebswirtschaftlich verstanden werden, inwieweit überhaupt Konflikte bestehen, erklärte Müller-Bohn. Wenn die Betriebswirtschaft bereits überzeugende Lösungen bietet, kann sich ein vermeintliches ethisches Problem erübrigen.

Grenzen für Dienstleistungen

Als Beispiel für betriebswirtschaftliches Hintergrundwissen vermittelte Müller-Bohn Einblicke in die Kostenrechnung. Die Ermittlung von Teil- und Vollkosten führt zu kurz- und langfristigen Preisuntergrenzen. Für Apotheken lässt sich daraus ableiten, ob angebotene Leistungen wirtschaftlich langfristig sinnvoll, nur kurzfristig akzeptabel oder vielleicht sogar untragbar sind. Aus einer Modellrechnung leitete Müller-Bohn ab, dass die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen betriebswirtschaftlich problematisch sind, wenn bereits Personal für die bisherigen Aufgaben fehlt. Hier könnte ein Konflikt zwischen wirtschaftlichen und pharmazeutischen Zielen entstehen.

Daneben beschreiben Unternehmenskennzahlen betriebswirtschaftliche Zusammenhänge. Sie machen etwaige Konflikte greifbar und zeigen zugleich mögliche Antworten auf wirtschaftliche Herausforderungen. Statt beispielsweise Kundengespräche in problematischer Weise zu beschleunigen, könnten an anderer Stelle Leerläufe gesucht und abgebaut werden.

Transparenz hilft weiter

Nicht alle Konflikte lassen sich in Kennzahlen darstellen, aber auch in solchen Fällen ist Transparenz der erste Schritt auf dem Weg zur Problemlösung, und auch dann können Gedanken aus der Ökonomie weiterhelfen. Beispielsweise erscheint der aus naturwissenschaftlicher Sicht schwierige Umgang mit der Homöopathie in einem anderen Licht, wenn die Präferenzen der Kunden als Handlungsmaßstab akzeptiert werden. Dies würde dem ökonomischen Ideal der Konsumentensouveränität folgen. Auch möglicherweise kritisch eingestufte Zusatzverkäufe erscheinen anders, wenn sie aus pharmazeutischer Perspektive als umfassende Versorgung betrachtet werden. Dann wären sie ethisch nicht kritisch zu sehen, sondern sogar ausdrücklich geboten. Der Lösungsansatz liegt in solchen Fällen in einem Perspektivwechsel. Das bewusste Verschieben des Blickwinkels von der einen zur anderen Wissenschaft oder zwischen den Beteiligten, also Patienten, Apothekenteam und Inhaber kann dabei hilfreich sein, betonte Müller-Bohn.

Leitbild muss passen

Das transparente Herausarbeiten von Konflikten ist dafür eine Voraussetzung, kann aber auch eine tatsächliche Diskrepanz aufzeigen. Darum sollten sich besonders angehende Filialleitungen mit dem Leitbild des Apothekerverbundes beschäftigen. Ein sinnvoll gestaltetes QMS, das nicht nur die rechtlichen Vorgaben abarbeitet, erfordert eine solche ausdrücklich formulierte Zielorientierung, die unternehmerische und fachliche Ziele und die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen beschreibt. Das sind keine Selbstverständlichkeiten, sondern „es geht um die Gestaltung des Gestaltbaren“, betonte Müller-Bohn. Damit sollte sich schon bei der Einstellung und erst recht bei der Besetzung einer Filialleitung zeigen, ob Arbeitgeber und -nehmer zusammenpassen. So könnten künftige Differenzen bei der späteren Arbeit vermieden werden.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.