Tag der Rückengesundheit

Ischialgie erkennen und therapieren

13.03.2024, 10:45 Uhr

Eine Reizung des Ischias-Nervs ist eine mögliche Ursache von Schmerzen im unteren Rücken. (Foto: AdobeStock / Cello Armstrong)

Eine Reizung des Ischias-Nervs ist eine mögliche Ursache von Schmerzen im unteren Rücken. (Foto: AdobeStock / Cello Armstrong)


Eine ältere Stammkundin kommt deutlich langsamer als sonst in die Apotheke. Sie erzählt, dass sie seit gestern Abend heftige Schmerzen im unteren Rücken habe, die über den Oberschenkel bis in den linken Fuß ausstrahlen. Sie meint, dass sie vielleicht „Ischias“ hätte, und möchte wissen, was sie tun kann. Der Begriff Ischias wird oft vereinfachend für Ischialgie verwendet, bei der Schmerzen auf der Körperrückseite in ein Bein ausstrahlen. Wie kann hier beraten werden? Zum Tag der Rückengesundheit haben wir einige Anregungen.

Ischialgie ist eine Sammelbezeichnung für meist einseitige Schmerzen, die vom Gesäß ausgehend auf der Oberschenkelrückseite bis hinunter zum Knie und über die Außenseite der Waden und den äußeren Fußrand ausstrahlen können. Dieser Bereich des Körpers wird vom Nervus ischiadicus, dem Ischiasnerv, versorgt, der in zwei Strängen das linke und rechte Bein durchzieht. Er ist der längste und dickste Nerv des Menschen und tritt im Lendenwirbelbereich links und rechts über mehrere Wurzeln und Äste aus der Wirbelsäule aus. Von dort läuft er durch das Becken über das Gesäß und die Rückseite des Beins bis in den Fuß hinein (siehe Abbildung). Der Nervenstrang enthält sensorische und motorische Nervenzellen. Erstere leiten Reize aus den Beinen ins Rückenmark, letztere übermitteln Befehle aus dem Gehirn über das Rückenmark an die Bein- und Fußmuskulatur. 

Abb: Verlauf des Ischiasnervs. Eine  Reizung kann zu Schmerzen, Gangunsicherheit oder Lähmung des Beins führen.

Bei einer Reizung des Ischiasnervs im Bereich der Wirbelsäule oder des Gesäßes empfinden Betroffene durch Störung der Sensorik oft Schmerzen, Kribbeln, Taubheit oder andere Missempfindungen des Beins oder des Fußes. Wegen der Beeinträchtigung der motorischen Anteile kann es zu Schwäche der Beine, Gangunsicherheit oder Lähmungen kommen. Die Schmerzen können von leicht bis stark reichen und durch Bewegung, Niesen oder Husten verstärkt werden. Die Betroffenen nehmen oft eine Schonhaltung mit angewinkeltem Bein und schiefem Oberkörper ein. 

Mögliche Ursachen einer Ischialgie

  • Bandscheibenvorfall
  • Krankhafte, traumatische oder degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, z. B. durch Osteoporose
  • Stenosen
  • Knochentumoren
  • Entzündungen
  • Infektionen, z. B. Lyme-Borreliose oder Gürtelrose
  • Muskelverspannungen wie das Piriformis-Syndrom (Der Musculus piriformis liegt unter dem großen Gesäßmuskel und oberhalb des Ischiasnervs und kann ihn einengen)
  • Eiteransammlungen und Blutergüsse im Bereich der Lendenwirbelsäule
  • Operationen und andere Eingriffe im Lendenwirbelbereich

Die Ischialgie ist keine Krankheit, sondern ein Symptomenkomplex [1]. Die Beschwerden entstehen meist dadurch, dass der Ischiasnerv oder seine Wurzeln durch anderes Gewebe eingeengt werden. Weitere Ursachen können Verletzungen, Entzündungen oder Reizungen des Nervs sein (siehe Kasten  „Mögliche Ursachen einer Ischialgie“). Bei einer Lumbo­ischialgie schmerzt zusätzlich der Bereich der Lendenwirbelsäule. Da beide Formen fließend ineinander übergehen, werden die Begriffe oft auch synonym gebraucht [2]. 

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Risikofaktoren für eine Ischialgie

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Spondylosen oder Osteoporose-bedingte Schäden an der Wirbelsäule, die den Ischiasnerv beeinträchtigen können. Mangelnde Bewegung und eine monotone Körperhaltung, aber auch körperliche Arbeit, vor allem das Heben schwerer Lasten und die Arbeit mit stark vibrierenden Maschinen können eine Ischialgie hervorrufen. Ein weiterer möglicher Auslöser ist Adipositas.

Bei Auftreten einer Ischialgie oder vergleichbarer Beschwerden sollte ein Arzt konsultiert werden, um eine eindeutige Diagnose zu erhalten und die zugrunde liegende Ursache festzustellen. Wenn es sich um akute Beschwerden handelt, die erst seit ein bis zwei Tagen bestehen, kann in einigen Fällen in Selbstmedikation behandelt werden. Das gleiche gilt zur Überbrückung der Zeit bis zum Arztbesuch. Wichtig ist dabei, die Patienten über die sogenannten „Red Flags“ zu informieren, bei denen sie umgehend einen Arzt aufsuchen müssen (siehe Kasten „Red Flags“). Außerdem sollten Schwangere, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und Personen mit Taubheitsgefühl, Missempfindungen und Bewegungseinschränkungen immer sofort einen Arzt aufsuchen. Länger anhaltende und wiederkehrende Schmerzen sollten ebenfalls nicht in Eigenregie therapiert werden [3].

Red Flags

Unbedingt an den Arzt verwiesen werden sollten Kunden bei Ischialgie mit [2]:

  • Lähmungserscheinungen (Parese)
  • Blasen- oder Stuhlentleerungsstörungen (Inkontinenz oder Verhalt)
  • Empfindungsstörung im Bereich des inneren Oberschenkels
  • Schmerzen nach vorangegangenem Trauma
  • Atembeschwerden
  • Gewichtsverlust
  • Fieber

Körperliche Schonung für ein bis zwei Tage, also keine Bettruhe, sondern maßvolle Bewegung wird heute empfohlen [4, 5]. Bewegung und Stärkung der Muskulatur, sowie rückengerechtes Verhalten im Alltag, um eine Ischialgie und andere Rückenbeschwerden zu vermeiden, sind auch die zentralen Themen des „Tages für Rückengesundheit“ am 15. März 2024 [7].

Tag der Rückengesundheit

„Der 23. Tag der Rückengesundheit am 15. März 2024 schafft Orientierung. Er vermittelt der Öffentlichkeit, wie sich Rückenbeschwerden bewältigen lassen. Wissenschaftlich fundiert beraten Expertinnen und Experten dazu.“ [7]

In diesem Jahr werden zehn Empfehlungen gegeben:

  1. Gefühl: Vertraue Deinem inneren Kompass
  2. Aktivität: Baue Bewegung in Deinen Alltag ein
  3. Balance: Bringe Kopf und Becken ins Gleichgewicht
  4. Kraft: Stärke täglich Deine Rumpfmuskeln
  5. Zuversicht: Bleib auch bei Rückenschmerzen aktiv
  6. Entspannung: Fördere Deine psychische Ausge­glichenheit
  7. Lebensfreude: Pflege Deine sozialen Beziehungen
  8. Ergonomie: Gestalte Dein Umfeld rückenfreundlich
  9. Stoffwechsel: Unterstütze Deinen Körper durch bewusste Ernährung
  10. Schlaf: Nutze die Nacht als Zeit der Regeneration

Promotionsmaterial, z. B. ein Werbeplakat und das Booklet „Dein Kompass zur Rückengesundheit“, sind unter www.agr-ev.de oder über info@agr-ev.de erhältlich.

Stufenlagerung und Schmerztherapie 

Erste Linderung bei akuten Schmerzen kann beispielsweise durch die Stufenlagerung (Unterschenkel auf einem Kissen oder Hocker ablegen, die Oberschenkel sollten im rechten Winkel zu den Unterschenkeln und dem Rumpf stehen) erzielt werden. Grundsätzlich ist eine Schmerztherapie wichtig, um eine Schonhaltung und aus dieser entstehende Folgebeschwerden zu vermeiden. Wichtiger als der Wirkstoff ist hierbei der Grundsatz: „so kurz wie möglich und so niedrig dosiert wie möglich“. In der Selbstmedikation können für maximal drei Tage orale nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR / NSAID), beispielsweise

  • Ibuprofen (maximale Einzeldosis 400 mg, maximale Tagesdosis 1200 mg für Erwachsene),
  • Naproxen (maximale Einzeldosis 250 mg, maximale Tagesdosis 750 mg für Erwachsene) oder
  • Diclofenac (maximale Einzeldosis 25 mg, maximale Tagesdosis 75 mg für Erwachsene)

unter Beachtung der Kontraindikationen und Wechselwirkungen eingesetzt werden [6]. Von Paracetamol wird zumindest für Rückenschmerzen abgeraten und auch Acetylsalicylsäure sollte nicht empfohlen werden [3]. Alternativ können NSAR auch lokal als Externa eingesetzt werden. Eine Übersicht über geeignete Präparate gibt Tabelle 1. 

Tab. 1: Beispiele für lokal schmerzlindernde und entzündungshemmende Präparate für die Selbstmedikation mit Zulassung für akute Rückenschmerzen oder Entzündungen gelenknaher Weichteile [Quelle: Lauer Fischer Taxe, Stand 12.02.2024]

InhaltsstoffeBeispiele für PräparateHinweise
Chemische Wirkstoffe
Diclofenac 9,31 mg/gDiclac® Schmerzgel 1% 
Voltaren Schmerzgel
  • drei- bis viermal täglich, kirsch- bis walnussgroße Menge (1 bis 4 g Gel)
  • ab 14 Jahren
  • in Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt
Ibuprofen 50 mg/gDoc® Ibuprofen Schmerzgel 5%
  • dreimal täglich einen 4 bis 10 cm langen Gelstrang
  • ab 14 Jahren
  • in Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt
Pflanzliche Inhaltsstoffe
Beinwellwurzel-Fluidextrakt (1 : 2); Auszugsmittel Ethanol 60% (V/V) 350 mgKytta® Schmerzsalbe
  • drei- bis viermal täglich, 2 bis 4 g Salbe (1 g entspricht einem Strang von 3 cm)
  • ab acht Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit

Pfefferminzöl 62,5 mg/g

Eukalyptusöl 62,5 mg/g

Rosmarinöl 40 mg/g

Doloplant® Creme
  • drei- bis fünfmal täglich einen 6 cm langen Strang Creme
  • ab zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
  • Rosmarinöl wirkt zusätzlich durchblutungsfördernd

Eine weitere Möglichkeit ist die Wärmetherapie. Hierbei werden entweder hyperämisierende (durchblutungsfördernde) Mittel eingesetzt (Beispiele siehe Tabelle 2) oder Produkte, die Wärme auf physikalischem Weg erzeugen (z. B. ThermaCare® Wärmepflaster und -umschläge, Moor-Packungen, Wärmflasche oder ein warmes Bad). Bei der Ischias-Reizung kann anfangs statt Wärme auch Kälte gut tun, zum Beispiel durch gekühlte Gelkompressen, Umschläge mit essigsaurer Tonerde oder Quark­wickel. Der Patient spürt meist selbst, was er gerade braucht. Aus der Alternativmedizin sind beispielsweise das homöopathische Komplexmittel Traumeel® Salbe und Tabletten oder Aconit-Schmerzöl von Wala zum Einreiben geeignet. 

Tab. 2: Beispiele für lokal hyperämisierende Präparate für die Selbstmedikation [Quelle: Lauer Fischer Taxe, Stand 12.02.2024]

InhaltsstoffeBeispiele für PräparateBeratungshinweise
Capsaicin 0,75 mg/gABC® Wärmecreme Capsicum
  • dreimal täglich 1 bis 2 g Creme (1 g entspricht einem Strang von 4,2 cm)
  • bis zu drei Wochen
  • ab 18 Jahren
  • in Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt
Cayennepfeffer-Dickextrakt (4 bis 7 : 1) Auszugsmittel Ethanol 80% (V/V) 6,627 bis 18,292 mg 
entspricht Capsaicin 0,53 mg/g
Finalgon® CPD Wärmecreme
  • dreimal täglich einen 2 cm langen Strang Creme
  • ab zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
Cayennepfeffer-Dickextrakt (4 bis 7 : 1), Auszugsmittel Ethanol 80% (V/V) 6,627 bis 18,292 mg 
entspricht Capsaicin 0,53 mg/g
Hot Thermo dura® C
  • dreimal täglich einen 2 cm langen Strang Creme
  • ab zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
Cayennepfeffer-Extrakt (1,5 bis 2,5 : 1) Auszugsmittel Ethanol 96% (V/V) 
entspricht Capsaicin 0,5 mg/g
Rheumamed® Salbe
  • bis zu viermal täglich, dünn auf die betroffene Stelle
  • maximal zwei Tage am gleichen Ort anwenden
  • ab zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
Cayennepfeffer-Dickextrakt (4 bis 7 : 1) Auszugsmittel Ethanol 80% (V/V) 395,4 bis 551,7 mg 
entspricht Capsaicin 11 mg/Pflaster
ABC® Wärmepflaster Capsicum
  • ein Pflaster pro Tag, vier bis zwölf Stunden auf der Haut belassen
  • Anwendung bis zu drei Wochen
  • ab zwölf Jahren
  • in Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt
Nonivamid 1,7 mg/g 
Nicoboxil 10,8 mg/g
Finalgon® Wärmecreme duo
  • maximal viermal täglich, 0,5 cm Creme für eine handtellergroße Hautfläche
  • ab 18 Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
Nonivamid 9,85 mg/PflasterABC® Wärmepflaster mit Sensitive-Vlies
  • ein Pflaster pro Tag, vier bis acht Stunden auf der Haut belassen
  • Anwendung bis zu drei Wochen
  • ab 18 Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit

Sollten sich die Beschwerden trotz Behandlung nicht innerhalb von zwei bis drei Tagen bessern oder gar verschlechtern, muss unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.

Literatur 
[1] Valat JP, Genevay Set et al. Sciatica. Best Pract Res Clin Rheumatol. 2010;24(2):241-52, doi: 10.1016/j.berh.2009.11.005 
[2] Kubosch DC, Ewald C. Schmerzen im Ischiasnerv: Symptome erkennen und behandeln, hrsg. von MVZ Gelenk-Klinik Dres Scheider,  
Ostermeier und Partner, www.gelenk-klinik.de, abgerufen am 12.02.2024 
[3] Nationale Versorgungsleitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, Langfassung 2. Auflage, 2017, Version 1 AWMF-Register-Nr.: nvl-007  
[4] Dahm KT, Brurberg KG et al. Advice to rest in bed versus advice to stay active for acute low-back pain and sciatica. Cochrane Database Syst Rev. 2010;(6):CD007612, doi: 10.1002/14651858 
[5] Jensen RK, Kongsted A et al. Diagnosis and treatment of sciatica. BMJ 2019;367:l6273, doi: 10.1136/bmj.l6273 
[6] Abdel Shaheed CA, Maher CG et al. Interventions available over the counter and advice for acute low back pain: systematic review and meta-analysis. J Pain. 2014;15(1):2-15, doi: 10.1016/j.jpain.2013.09.016 
[7] Tag der Rückengesundheit 2023. Aktion Gesunder Rücken (AGR) e. V., www.agr-ev.de ;


Apothekerin Dr. Karin Krämer
redaktion@daz.online


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