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Analyse aus betriebswirtschaftlicher und berufspolitischer Sicht
Hindernisse und Chancen bei den honorierten Dienstleistungen (1. Teil)
Die verfügbaren Mittel für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen werden bisher längst nicht ausgeschöpft. Eine betriebswirtschaftliche Analyse zeigt, dass die Zurückhaltung der Apotheken folgerichtig ist, wenn das Personal ohnehin schon knapp ist. Allerdings können die Apotheken bei der Patientenauswahl und den organisatorischen Rahmenbedingungen Einfluss nehmen, um die Ergebnisse zu verbessern. Außerdem bieten die Inhalationsschulungen eine große Chance für die Apotheken, die bisher kaum genutzt wird. Erster Teil der Analyse.
Die wissenschaftliche Pharmazie und die Berufsorganisationen der Apothekerschaft haben jahrzehntelang für honorierte Betreuungsleistungen in Apotheken geworben. Die Grundidee dabei ist, die Patienten unabhängig von der Abgabe eines einzelnen Arzneimittels zu betreuen. Nicht das jeweilige Arzneimittel, sondern der Patient soll im Mittelpunkt stehen.
Der Prototyp dieser Dienstleistungen ist das Medikationsmanagement, das mit der Medikationsanalyse beginnt. Es geht um die Medikation insgesamt, nicht um ein einzelnes Arzneimittel. Darin liegt zugleich eine wirtschaftliche Herausforderung. Denn solche Leistungen erfordern ein eigenständiges Honorar, das nicht an die Abgabe und damit an den Preis eines Arzneimittels gekoppelt ist.
Neu: Intervention der Apotheke
Eine weitere grundlegende Neuerung ist, dass die Intervention durch die Apotheke ausgelöst, also nicht ärztlich verordnet wird. Die Apotheke rückt damit sozialrechtlich in eine neue Rolle. Darum hat dies alles so lange gedauert.
Doch mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz von Ende 2020 wurden die Weichen gestellt. Seit dem 15. Dezember 2021 fließt Geld in den Fonds zur Finanzierung der Dienstleistungen. Leider hat die Schiedsstelle erst 2022 die Dienstleistungen definiert und die Honorarregeln und -beträge festgelegt und leider wurde sogar der Schiedsspruch beklagt.
Noch wenig Dienstleistungen erbracht
Doch diese Unsicherheit erklärt nicht, warum bisher so wenige Dienstleistungen erbracht wurden. Der Zuschlag von 20 Cent pro abgegebener Rx-Packung gemäß Arzneimittelpreisverordnung lässt pro Jahr einen Zustrom von etwa 150 Millionen Euro in den Dienstleistungsfonds erwarten. Für das dritte Quartal 2023, also ein Jahr nach dem Beginn honorierter Dienstleistungen, schüttete der Fonds nur etwa 3,1 Millionen Euro an 6.145 Apotheken aus. Damit wurden im betreffenden Quartal weniger als zehn Prozent der in dieser Zeit zugeflossenen Mittel verwendet.
Die anfänglichen Sorgen, dass das Honorarvolumen nicht ausreichen könnte und die Finanzierung damit für die Apotheken unsicher würde, können die Zurückhaltung der Apotheken also nicht erklären. Der nächstliegende Grund ist die Honorierung in Verbindung mit dem organisatorischen Aufwand und der Gesamtsituation der Apotheken, insbesondere dem Personalmangel. Zur Begründung dieser These muss das Honorar aus betriebswirtschaftlicher Perspektive analysiert werden.
Personalkostensatz und Zeitaufwand zu betrachten
Die Schiedsstelle hat für die erweiterte Medikationsberatung, die Einweisung zu inhalativen Arzneiformen und die dreifache Blutdruckmessung einen Zeitbedarf von 80, 25 und 14 Minuten angesetzt. Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Berufsgruppen bei der Leistungserbringung hat die Schiedsstelle die Honorare auf 90 Euro, 20 Euro und 11,20 Euro, jeweils plus Mehrwertsteuer, festgelegt. Dabei hat sie für Apotheker Personalkosten von 1,17 Euro angesetzt, für PTA 60 Prozent davon. Eine betriebswirtschaftliche Analyse muss diesen Personalkostensatz und die angesetzten Zeiten berücksichtigen – zunächst zum Personalkostensatz.
1,17 Euro pro Minute als Kompromissergebnis
Die Schiedsstelle hat ihre Entscheidung für die 1,17 Euro pro Minute ausführlich begründet. Die Kalkulation geht vom einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) aus. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte analog zur Ziffer 03120 für „Beratung, Erörterung und/oder Abklärung“ 1,73 Euro pro Minute gefordert. Der Schiedsspruch orientiert sich jedoch an der Ziffer 03230 für ein „problemorientiertes ärztliches Gespräch“ und führt damit zu 1,44 Euro pro Minute einschließlich eines Gemeinkostenanteils.
Die Schiedsstelle hat diesen Betrag wegen des unterschiedlichen Unternehmer- bzw. Arbeitslohns korrigiert. Nach Angaben der Schiedsstelle habe der GKV-Spitzenverband eine Orientierung am Gehalt eines angestellten Apothekers gefordert, aber der Schiedsspruch orientiere sich am kalkulierten Arbeitslohn eines Krankenhausapothekers von etwa 90.000 Euro pro Jahr. Diese Korrektur ergebe 1,17 Euro pro Minute einschließlich anteiliger Gemeinkosten.
Kostenrechnung für Apotheken …
Eine überschlagsweise Kostenrechnung für durchschnittliche Apotheken hilft, diesen Betrag betriebswirtschaftlich einzuordnen. Eine eigene Berechnung dazu stützt sich auf die Kostenverteilung gemäß dem ABDA-Wirtschaftsbericht von 2023, angenommene 1.640 Arbeitsstunden pro Jahr für Vollzeitkräfte und die Tarifgehälter in Apotheken für 2023 plus einen Gehaltszuschlag von zehn Prozent. Dieser kann als Erfüllung der Adexa-Forderung nach 10 Prozent mehr Gehalt oder als entsprechendes übertarifliches Gehalt interpretiert werden.
Damit ergeben sich für Apotheker ab dem 11. Berufsjahr Teilkosten von 0,83 Euro, Vollkosten von 1,37 Euro und Vollkosten mit Gewinnzuschlag von 1,78 Euro, jeweils pro Minute. Für PTA vom 9. bis 14. Berufsjahr sind es 0,52 Euro Teilkosten, 0,86 Euro Vollkosten und 1,12 Euro Vollkosten mit Gewinnzuschlag, jeweils pro Minute.
Die 1,17 Euro pro Minute für Apotheker, die von der Schiedsstelle angesetzt werden, sind damit deutlich höher als die Teilkosten, aber sie decken nach der eigenen Berechnung nicht die gesamten Vollkosten und bieten erst recht keinen Gewinn. Ein solches Ergebnis liegt im Wesen eines Schiedsspruchs, der naturgemäß nicht allen Wertansätzen einer Seite in voller Höhe folgt. Doch dies ist der entscheidende Punkt, der die Entwicklung der pharmazeutischen Dienstleistungen belastet.
… und die Folgen
Als Konsequenz erfüllt der angesetzte Betrag die betriebswirtschaftlichen Anforderungen an eine kurzfristige Preisuntergrenze. Das wirtschaftliche Ergebnis der pharmazeutischen Dienstleistungen bleibt damit hinter der klassischen Arzneimittelabgabe zurück. Die Dienstleistungen liefern nur dann einen Gewinn, wenn die Fixkosten durch andere Aufgaben gedeckt werden.
Eine solche Konstellation ist nicht extrapolierbar. Wenn das gesamte Personal zu den Bedingungen der pharmazeutischen Dienstleistungen arbeiten würde, wäre die Infrastruktur der Apotheke nicht zu finanzieren. So könnten die neuen Leistungen nie zu einem zusätzlichen wirtschaftlichen Standbein der Apotheke werden.
Kein Schwerpunkt der Arbeit
Die derzeit geltende Honorierung ist daher nicht mit dem berufspolitischen Ziel vereinbar, die Dienstleistungen langfristig zu einem neuen Schwerpunkt der Arbeit in den Apotheken zu machen. Doch das Honorar würde unter guten Rahmenbedingungen immerhin ausreichen, um solche Leistungen überhaupt einführen zu können, ohne dabei der Apotheke wirtschaftlich zu schaden.
Dabei gibt es jedoch eine wichtige Einschränkung: Wenn schon für die bisherigen Aufgaben der Apotheke das Personal nur mit großer Mühe bereitgestellt werden kann oder die Öffnungszeiten schon wegen Personalmangels eingeschränkt werden mussten, können die Dienstleistungen sogar den Gewinn mindern. Denn dann ist das knappe Personal gewinnbringender bei den klassischen Tätigkeiten einzusetzen.
Die Dienstleistungen sind wirtschaftlich also nur akzeptabel, wenn das Personal kein begrenzender Faktor für die betreffende Apotheke ist. Dies ist den Apothekeninhabern offenbar bewusst – und dies ist vermutlich ein wichtiger Grund für die schleppende Umsetzung. Denn in vielen Apotheken dürfte das Personal knapp sein.
1 Kommentar
Einzig wirtschaftlich
von Stefan Haydn am 21.03.2024 um 18:53 Uhr
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