Delegiertenversammlung in Hessen

„Wir dürfen auf Lauterbachs Taktik nicht hereinfallen“

22.03.2024, 11:30 Uhr

Kammerpräsidentin Ursula Funke warnte vor Lauterbachs Taktik. (Foto: LAK Hessen)

Kammerpräsidentin Ursula Funke warnte vor Lauterbachs Taktik. (Foto: LAK Hessen)


Die aktuelle Lage der Apotheken sowie die anstehende Reform waren Thema bei der Delegiertenversammlung der Landesapothekerkammer in Hessen an diesem Mittwoch. Kammerpräsidentin Ursula Funke rief den Berufstand zur Geschlossenheit auf, die sei unerlässlich. Sie warnte vor Karl Lauterbachs Taktik, die Heilberufler*innen gegeneinander auszuspielen. „Darauf dürfen wir nicht hereinfallen,“ so Funke.

An diesem Mittwoch trafen sich die Delegierten der Landesapothekerkammer Hessen zu ihrer Versammlung in Frankfurt. „Die derzeitige politische Situation ist nicht erfreulich – weder weltpolitisch noch berufspolitisch,“ sagte Kammerpräsidentin Ursula Funke in ihrem Bericht. Das habe mit dem Bundesgesundheitsminister zu tun, der das Gesundheitswesen nach seinen Vorstellungen umbauen wolle und dessen „Teflonbeschichtung“ so stark sei, dass alle Einwände, Problemschilderungen, aber auch konstruktive Vorschläge und Ideen der Leistungserbringer einfach nur an ihm abperlten. 

Damit seien die Apotheker*innen nicht alleine, auch die anderen Leistungserbringer kämen nicht zu Wort, so Funke. An der ABDA-Spitze liegt es der Kammerpräsidentin zufolge nicht. Die sei gesprächsbereit und verschließe sich auch nicht neuen Wegen. „Wenn sie sie sinnvoll sind und die Versorgung verbessern.“ Statt den berechtigten und überfälligen Forderungen nach einem angepassten Honorar und einem dringend erforderlichem Inflationsausgleich nachzukommen, plane der Bundesgesundheitsminister eine Umverteilung im System. Es gebe aber keinen Cent mehr. Vielmehr bedeute die Absenkung des prozentualen Aufschlags und die Erhöhung des Fixums in Kombination mit steigenden Hochpreiseranteil eine weitere Abkopplung von der wirtschaftlichen Entwicklung.

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Auch davon, dass ab 2027 das Fixhonorar durch die Selbstverwaltung festgelegt werden soll, hält Funke wenig. „Erstens ist das zu spät, wir brauchen eine Soforthilfe,“ sagte sie, „wir können nicht 2027 etwas verhandeln, das dann 2028 oder 2029 in Kraft tritt.“ 

Zweitens hätten sich Kassen und Apothekerschaft zuletzt nie einvernehmlich geeinigt: Einzige Ausnahme seien die Hilfsmittel, bei denen künftig die Präqualifizierung wegfällt, gewesen. „Das ging ohne Schiedsstelle, das kostet die GKV aber auch kein Geld,“ so Funke. 

Drittens werde bei der Anpassung des Fixums immer wirtschaftliche Betriebsführung zugrunde gelegt. Werden Lauterbachs Pläne umgesetzt, wären Apotheken, die sich mehrere Approbierte leisten, aber möglichweise nicht mehr wirtschaftlich geführt.

„Apotheke und Apotheker gehören untrennbar zusammen“

Das Perfide ist in Funkes Augen, dass Karl Lauterbach sein Modell der „Lauterbach-Filialen“, wie sie die Apotheken ohne Apotheker bezeichnet, der Politik und auch den Journalist*innen als Verbesserung und als Erleichterung für die Apotheken verkauft. Aber Apotheke und Apotheker gehörten untrennbar zusammen. „Das ist überall in der industrialisierten Welt so,“ erklärt die Kammerpräsidentin. 

Wenn aber Abgabe und Beratung getrennt werden und das E-Rezept funktioniert, könne die Beratung von überall auf der Welt per Video von irgendwem gemacht werden. „Apotheker in der Apotheke sind dann überflüssig,“ stellte Funke fest. „Wenn wir aber sehen, wie viele Probleme wir jeden Tag verhindern, es aber trotzdem noch so viele Krankenhauseinweisungen wegen Arzneimittel-bezogener Probleme gibt, hätten wir ohne Apotheker eine Kostenexplosion im stationären Bereich.“

Wie unfertig Lauterbachs Pläne sind, zeige auch die Aussage, dass Apotheker in die Prävention eingebunden werden sollen. „Wer soll das denn machen, wenn er die Apotheker*innen grad wegrationalisiert?“ fragte die Kammerpräsidentin. Sie ist allerdings überzeugt, dass man mit Lauterbach selbst im Dialog keinen Millimeter weiterkomme. Eine Chance gegenzusteuern, hätte die Apothekerschaft nur im parlamentarischen Verfahren.

„Gegen die Amazons, Googles, Drogerieketten wird keiner von uns bestehen“

In Funkes Augen ist Geschlossenheit nun das Wichtigste. „Wir dürfen nicht aufs Lauterbachs Taktik – divide et impera! – hereinfallen,“ so Funkes Appell. Das könne er nämlich perfekt: Heilberufler gegeneinander, Apotheker*innen gegeneinander: Klein gegen Groß, Land gegen Stadt. „Wer von den Kolleg*innen aber glaubt, er könne von den Strukturveränderungen profitieren, wird scheitern,“ davon ist sie überzeugt.

Apotheken ohne Apotheker und möglicherweise Preiswettbewerb bei Rx führten unweigerlich zum Ruf nach Fremdbesitz. Die großen Versender und die großen Logistiker stehen bereit, so Funke. „Gegen die Amazons, Googles, Drogerieketten wird keiner von uns – und sei er noch so groß – bestehen können.“ 

Nur von schwierigen, beratungsintensiven Fällen mit BTM- und T-Rezepten, der ein oder anderen Rezeptur könne keiner leben. „Jeder von uns braucht das Alltagsgeschäft. Apothekerliche Beratung und Abgabe des Arzneimittels machen die Versorgung aus – sie gehören untrennbar zusammen.“ Die Aufgabe des ordnungspolitischen Rahmens führe in ein anderes System der Arzneimittelversorgung. Beispiele gibt es Funke zufolge in Europa genug. „Wir müssen in Deutschland nicht die gleichen Fehler machen!“

„Durchschnittseinkommen verzerrt das Bild“

Funke kritisierte zudem, dass die grassierenden Zahlen zum Durchschnittseinkommen das Bild verzerrten – 166.000 Euro vor Steuern. Durchschnittszahlen seien nicht aussagekräftig. Das BMG nutze diese Zahl, um eine Neiddebatte zu führen. „Ja, es gibt wenige sehr, sehr große Apotheken, die überwiegende Mehrheit erreicht diesen Durchschnittsbetrag auch nicht nur annähernd. Viele Betriebe werfen für den Apothekenleiter weniger Einkommen ab als das Jahrestarifgehalt.“ Für Investitionen bleibe dann aber nichts übrig. 

Funke machte deutlich, dass sie sich für alle Apotheken einsetze. Denn nur mit allen Betriebsstätten könnten die Menschen versorgt werden, die „ganz Großen“ können das auch nicht flächendeckend leisten.

Funke appellierte an die Kolleg*innen, gemeinsam Lauterbachs Pläne zu „enttarnen“. „Jeder Bürgermeister, jeder Landrat, jeder Landtags- und Bundestagsabgeordneter, jeder Redakteur der Lokal- und Regionalzeitung muss verstehen, was passiert, wenn Apotheke vor Ort nicht mehr da ist,“ so Funke. „Sobald der Referentenentwurf für die Apothekenreform da ist, müssen wir alle aktiv werden.“

 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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7 Kommentare

Prof. Lauterbach enttarnen

von Dorf-Apothekerin am 23.03.2024 um 13:38 Uhr

Frau Funke beschreibt die Katastrophe sehr gut, gibt den Spielball aber an die Basis weiter. Die Politiker vor Ort hoffen alle auf die Bundes-Politik. Wir können vor Ort nichts ausrichten. Momentan wird gejammert und dann geht es weiter zur Tagespoloitik.Prof. Lauterbach ist in erster Linie Ökonom und hat sein Handwerk in Amerika gelernt. Das heißt, dass er mit 12000 Apotheken auskommt und alles andere in die Supermärkte verlagern wird. Darüber redet er nicht. Er wird es aber in der Schublade haben genauso wie die MVZ's Anfang der 2000er Jahre. Jetzt hat man Not sie zu begrenzen.
Wir an der Basis sind schon lange desillusioniert nur unsere Standespolitiker offenbar noch nicht, bzw. hoffentlich jetzt.
Der Stinkefinger, den Prof.Lauterbach einem Kollegen zeigte, der gegenüber seinem Büro eine Apotheke hat(te), galt auch Frau Overwiening und uns Apothekern überhaupt.
Ich war froh, dass Frau Overwienig in Bezug auf die Gematik endlich mal geschockt war. Hoffentlich hat das die richtigen Konsequenzen und sie hat den Mut zum Streik aufzurufen.
Gestreikt werden muß spätestens gestern und zwar einen Notdiensttournus lang. Geschlossene Offizin heißt ja nicht, dass keine Arbeiten im Hintergrund stattfinden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das war Antwort auf Kommentar von Herrn D.

von Armin Spychalski am 23.03.2024 um 9:36 Uhr

Falscher Betreff dank Automatismus, sorry.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Danke Frau Kollegin Funke für diese klare Analyse.

von Uwe Hansmann am 22.03.2024 um 16:23 Uhr

Die Aussage im DAZ-Artikel "Sie ist allerdings überzeugt, dass man mit Lauterbach selbst im Dialog keinen Millimeter weiterkomme. Eine Chance gegenzusteuern, hätte die Apothekerschaft nur im parlamentarischen Verfahren.“ beschreibt die Misere in der sich der Berufsstand befindet vollumfänglich.

Lauterbach hat es geschafft.

Kolleginnen und Kollegen - insbesondere der Berufsnachwuchs, unsere Zukunft - sind sämtlicher Illusionen beraubt.

Viele ältere Kolleginnen und Kollegen werden jetzt noch versuchen, mit angebranntem Hintern aus der Fesselung der Selbstständigkeit herauszukommen. Ausgang fraglich.

Bei dieser zerstörerischen Poltik wird man letztlich jeglichen Optimismus los. Wo soll das enden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Fakten bekannt - aber wo ist ein Ansatz zur Sicherung der Zukunft ?

von Martin D. am 22.03.2024 um 12:21 Uhr

Liebe Frau Kollegin Funke,

So schön, realitätsnah und wahr Ihre Positionierung ist, so wenig neu und akzeptiert ist diese in der „großen“ Politik.

Im inneren Kreis der Apothekerschaft wiederholen wir uns allen bekannte Fakten. Das dürfte nicht reichen.

Die Land ist dabei viele Bereiche anders zu denken.
Es geht darum zu zeigen, dass unsere Strukturen nicht nur kompatibel sind sondern innovativ und zukunftsorientiert.

Das Lied vom Apotheker in seiner Apotheke hat eine tolle Melodie aber es lädt die Politik nicht mehr zum Mitsingen ein.

Wie beim DFB und Adidas sollten wir nicht immer zu sicher die Gegenwart feiern sondern vielmehr kraftvoll die Zukunft verändern.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Fakten bekannt - aber wo ist ein Ansatz

von T. Trautmann am 22.03.2024 um 12:51 Uhr

Vorschläge?

AW: Wo ist die Apotheke von Herrn Ortner?

von Armin Spychalski am 23.03.2024 um 9:34 Uhr

Die Gegenwart feiern??? Moment mal, wir setzen gerade unter enormer Anstrengung und hohem wirtschaftlichen Risiko das E-Rezept um. Schon gemerkt? In der Praxis tätig oder nur in der Theorie?

AW: Das war meine Antwort auf den Kommentar von Herrn D.

von Armin Spychalski am 23.03.2024 um 9:52 Uhr

Sorry, da ist ein falscher Betreff hineingeraten.

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