Assistierten Suizid legalisieren

Frankreich will aktive Sterbehilfe zulassen

Stuttgart - 26.03.2024, 12:15 Uhr

In anderen Ländern werden üblicherweise Barbiturate zum assistierten Suizid eingesetzt.(Foto: Felipe Caparrós/AdobeStock)

In anderen Ländern werden üblicherweise Barbiturate zum assistierten Suizid eingesetzt.(Foto: Felipe Caparrós/AdobeStock)


Die französische Regierung möchte die aktive Sterbehilfe legalisieren. Die größte französische Apothekengewerkschaft hat sich ebenfalls dafür ausgesprochen. 

In Frankreich könnte bald die aktive Sterbehilfe erlaubt sein. Präsident Emmanuel Macron hat ein Gesetzesvorhaben dazu auf den Weg gebracht. Mehrere französische Zeitungen und die Nachrichtenagentur “Agence France Press” hatten in den vergangenen Tagen über die Details berichtet.

Geplant ist demnach zum einen, den assistierten Suizid zu legalisieren. Personen, bei denen eine „kurz- oder mittelfristig tödliche Krankheit“ diagnostiziert wurde, sollen ein lebensbeendendes Mittel bekommen können. Weitere Voraussetzungen dafür sind, dass sie ohne Aussicht auf Besserung erhebliche Schmerzen haben oder psychisch leiden. Auch die volle Zurechnungsfähigkeit soll zuvor sichergestellt sein. Alzheimer-Patienten, oder solche mit anderen dementiellen Erkrankungen, sollen kein Recht auf Sterbehilfe bekommen – selbst wenn bei ihnen noch keine mentale Beeinträchtigung feststellbar ist.

Das tödliche Arzneimittel selbst einnehmen

Vorgesehen ist, dass die Patienten das tödliche Medikament selbst einnehmen: Sollten sie dazu aber körperlich nicht in der Lage sein, darf es ihnen auch von einem Arzt oder einer freiwilligen Person verabreicht werden. Das würde einer aktiven Sterbehilfe entsprechen. Erlaubt ist diese in Europa bereits in den Niederlanden, in Luxemburg, in Spanien und Belgien, in Deutschland hingegen nicht. Der assistierte Suizid, bei dem ein Arzt einem Kranken ein tödliches Mittel zur Selbsteinnahme zur Verfügung stellt, ist in Deutschland nicht verboten, aber auch nicht ausdrücklich erlaubt. Der Vorstoß zu einer klaren gesetzlichen Regelung war im vergangenen Jahr gescheitert.

In dem französischen Gesetzentwurf ist hingegen detailliert geregelt, wie die Sterbehilfe ablaufen soll. Der Patient muss zunächst einen Arzt um Sterbehilfe bitten. Wenn er über die Möglichkeiten einer palliativen Behandlung aufgeklärt wurde, muss der Arzt zwei weitere Personen um eine Einschätzung zu dem Fall bitten: Einen Spezialisten für die Krankheit des Patienten, der diesen nicht kennt. Und einen Arzt oder eine Pflegeperson, die nach Möglichkeit vertraut mit der Krankheitsgeschichte des Patienten ist. Anschließend entscheidet der erste Arzt innerhalb von zwei Wochen über das Anliegen. Sollte er die Sterbehilfe ablehnen, kann der Patient diese Entscheidung anfechten. Stimmt der Arzt zu, wird dem Patient eine weitere Bedenkzeit von zwei Tagen auferlegt. Sollte er bei seiner Entscheidung bleiben, kann er dann innerhalb eines Zeitfensters von drei Monaten die Sterbehilfe in Anspruch nehmen.

Tödliches Arzneimittel aus der Apotheke

Ein Arzt oder eine medizinische Fachkraft soll das Mittel zur Sterbehilfe in der Apotheke abholen und es dem Patienten zur Verfügung stellen. Sie sind nicht verpflichtet, anwesend zu sein, wenn der Patient das Mittel nimmt. Wenn sie selbst es nicht wollen, müssen die Pflegeperson oder der Arzt aber den Kontakt zu einer anderen Fachkraft herstellen, die dazu bereit wäre. Welches Mittel den Sterbewilligen zur Verfügung gestellt werden soll, wurde in dem Gesetzesentwurf nicht präzisiert.

Einsatz von Barbituraten

In anderen Ländern werden üblicherweise Barbiturate eingesetzt. So wird Sterbewilligen in der Schweiz, wo nur der assistierte Suizid erlaubt ist, Natriumpentobarbital zum Trinken gegeben. Zur aktiven Sterbehilfe wird den Patienten in Belgien Natriumthiopental injiziert, gefolgt von einem Muskelrelaxans, das den Atemstillstand auslöst. Patienten können sich die Substanz auch selber injizieren, nachdem der Arzt einen intravenösen Zugang gelegt hat.

Die größte Apothekengewerkschaft Frankreichs, die Fédération des Syndicats pharmaceutiques de France (FSPF), hatte bereits im vergangenen Jahr eine solche Gesetzesänderung befürwortet. Während sich damals ein Bürgerrat mit dem Thema befasste, hatte die FSPF zusammen mit anderen Organisationen eine Erklärung veröffentlicht. Darin hieß es, man spreche sich „für die Freiheit der Menschen aus, informiert und ohne Druck zu wählen und zu handeln“ und sei daher für „die Legalisierung einer aktiven Sterbehilfe für Personen, die an einer schweren und unheilbaren Krankheit leiden und in vollem Bewusstsein frei darum bitten“. Gleichzeitig forderten die Verbände, den Zugang zu einer guten Palliativversorgung sicherzustellen, bei der Patientenverfügungen und Wünsche der Patienten berücksichtigt werden.

70 Prozent der befragten Franzosen für aktive Sterbehilfe

Auch der Bürgerrat hatte im vergangenen Frühjahr mit drei Viertel der Stimmen für eine aktive Sterbehilfe in Frankreich gestimmt. Das scheint die Haltung der Bevölkerung widerzuspiegeln: In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Ifop befürworten 70 Prozent der befragten Franzosen die aktive Sterbehilfe.

Die FSPF hatte in den Jahren zuvor eines seiner Mitglieder in seinem Kampf für die Sterbehilfe unterstützt, die Apothekerin Marie-Hélène Lalande. Lalande war an Brustkrebs erkrankt, der sich als nicht mehr therapierbar erwies. Sie hatte daraufhin ihre Erkrankung und ihren Wunsch, mit ärztlicher Hilfe zu sterben, öffentlich gemacht. Als Metastasen drohten, auf ihre Knochen und ihr Gehirn überzugreifen, hatte Lalande im Alter von 68 Jahren in der Schweiz assistierten Suizid begangen. Kurz vor ihrem Tod hatte sie der Öffentlichkeit eine Nachricht hinterlassen, dass sie sicher sei, die richtige Wahl getroffen zu haben.

Die zweite große Apothekengewerkschaft in Frankreich, die Union des Syndicats de Pharmaciens d'Officine (USPO), hat sich weniger eindeutig positioniert. Ihr Präsident Pierre-Olivier Variot hatte sich persönlich geäußert, wollte damit aber nicht stellvertretend für die Organisation sprechen. Variot wies darauf hin, dass Patienten in Zentren der Palliativmedizin gut versorgt werden könnten, und einige dort ohne zu Leiden gestorben seien. Leider gebe es aber nicht genügend dieser Zentren und diesen stünden nicht genug Mittel zur Verfügung. Das Wichtigste sei „zu verhindern, dass Patienten extreme Entscheidungen treffen, ohne dass man nicht alles, was möglich wäre, getan hat, um ihre Schmerzen zu lindern.“


Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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