Medizinforschungsgesetz

Kontroverse um vertrauliche Arzneimittelpreise

Berlin - 27.03.2024, 17:50 Uhr

(Foto: IMAGO / Schöning)

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Bereits bevor das Kabinett an diesem Mittwoch den Entwurf des Medizinforschungsgesetzes beschlossen hatte, drehte sich die Diskussion vor allem um die darin geplanten vertraulichen Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel. Auch in den Reaktionen dominierte das Thema.

Das Bundeskabinett hat an diesem Mittwoch den Entwurf für das Medizinforschungsgesetz (MFG) verabschiedet. Kritik hatte es insbesondere an den darin vorgesehenen vertraulichen Erstattungsbeträgen für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen gegeben. Auch in den Reaktionen im Anschluss dominiert das Thema.

In einer Pressemitteilung des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) hieß es am Mittwoch, mit dem Kabinettsbeschluss sei „der Weg frei, ein wichtiges Reformvorhaben für den Pharmastandort Deutschland in Bundestag und Bundesrat einzubringen.“ VFA-Präsident Han Steutel sagte, das MFG werde „der klinischen Arzneimittelforschung hierzulande endlich wieder neuen Schwung geben“. Deutschland habe in diesem Bereich im internationalen Vergleich in den vergangenen Jahren „dramatisch an Boden verloren“.

Mit Blick auf die vertraulichen Erstattungsbeträge sagte Steutel, dies sei eine „Ergänzung im Baukasten der deutschen Erstattungsregeln, geeignet für Einzelfälle, aber nicht als Schlüssel für verlässliche Erstattungsbedingungen“. Die im Finanzstabilisierungsgesetz festgelegten „Leitplanken“ im AMNOG-Prozess würden „wie ein zusätzlicher Rabatt“ wirken und müssten weg.

Ähnlich sieht das auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Der Geschäftsfeldleiter für Klinische Forschung beim BPI Jens Peters sagte laut einer Pressemitteilung, die vertraulichen Erstattungsbeträge könnten „lediglich in Einzelfällen relevant werden“. Die neue Regelung würde zusätzliche Kosten verursachen, wenn pharmazeutische Unternehmen die höheren Listenpreise in den Handelsstufen und bei der Mehrwertsteuer permanent ausgleichen müssen. „Wichtig ist vielmehr ein Bekenntnis zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, welches sich in einem gesunden Preisgebilde widerspiegelt.“ Auch der BPI kritisiert in diesem Zusammenhang die „Leitplanken“.

GKV: Nicht Millionen, sondern viele Milliarden Euro Mehrkosten

Wie schon zuvor verschiedene Kassen kritisierte der GKV-Spitzenverband „deutlich, dass es in Zukunft geheime und intransparente Erstattungsbeträge bei Arzneimitteln geben soll“. Den Pharmaunternehmen würden durch „Geheimpreise“ Spielräume für eine intransparente Preisgestaltung eröffnet, was die Kosten nach oben treibe, sagte Vorständin Stefanie Stoff-Ahnis.

Geheimpreise würden das Gebot der Wirtschaftlichkeit aushebeln. „Dabei reden wir nicht von Millionen, sondern von vielen Milliarden Euro jedes Jahr an Mehrkosten für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler ohne Mehrwert für die Versorgung.“

All das führe zudem zu einem „ enormen Aufwuchs an Bürokratie“. Würden dann die Zusatzbeiträge angehoben, müssten die gesetzlich Versicherten und die Arbeitgebenden „die Zeche zahlen“. Der Spitzenverband appelliert an den Deutschen Bundestag, „diesen Plan, der einzig der Gewinnsteigerung der Pharmaindustrie dient, zu stoppen“.

PKV sorgt sich um Selbstzahler

Der Verbandsdirektor der Privaten Krankenversicherungen (PKV), Florian Reuther, sagte laut einer Pressemitteilung, „die geplante Geheimregelung dient ausschließlich dem Interesse der Pharmakonzerne, um außerhalb Deutschlands einen Preisvorteil zu bekommen“. Da Deutschland als Referenzland gilt, geht er offenbar davon aus, dass die Preise im Ausland anziehen werden, wenn die Erstattungsbeträge vertraulich werden. Den finanziellen Schaden hätten „ausgerechnet die Versicherten, die sich kostenbewusst verhalten“.

Selbstzahler müssten sich dann selbst darum kümmern zu erfahren, ob sie mehr gezahlt haben, als das Medikament wirklich kostet. „Versicherte können überhaupt nicht erkennen, ob es für das betreffende Medikament einen geheimen Erstattungsbetrag gibt – geschweige denn, wie hoch der wäre und ob sich der ganze Aufwand lohnt. Das Gesetz würde in dieser Form „eine geradezu irrwitzige Bürokratie neu einführen“.

Grüne: Ja, aber...

Auch aus den Ampel-Fraktionen gab es am Mittwoch bereits erste Reaktionen. Die zuständige Berichterstatterin für Arzneimittel der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Paula Piechotta, reagierte verhalten und sagte, der vorgelegte Entwurf sei „an allen Stellen zu begrüßen, an denen die Rahmenbedingungen für klinische Studien in Deutschland verbessert werden und der Studienstandort Deutschland im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähiger wird“.

Alle anderen Punkte im Gesetz – gemeint sind wohl die vertraulichen Erstattungsbeträge – würden in der Fachdebatte „auf eine sehr breite Front der Kritik“ treffen, „die wir sehr ernst nehmen“, so Piechotta. Mit Sorge sieht sie insbesondere auch die Konsequenzen für die europäischen Nachbarländer. Sie sieht offenbar auch die Gefahr, dass die Arzneimittelpreise dort steigen, wenn die Erstattungsbeträge in Deutschland vertraulichen werden.

Piechotta sagte dazu, dass eine Regelung, „die in Deutschland wenig verbessert, aber Gefahr läuft, die Arzneimittelpreise im restlichen Europa deutlich zu erhöhen“ sei nicht im Interesse Deutschlands, „denn es würde Gefahr laufen, den europäischen Zusammenhalt zu beschädigen“.

FDP: Hoffnung, aber...

Laut dem gesundheitspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, birgt das MFG zwar „die Hoffnung auf eine deutliche Beschleunigung des Forschungsprozesses und somit eine Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland“. Maßnahmen, „die die gut funktionierenden Strukturen gefährden könnten, lehnen wir jedoch entschieden ab“. Welche das sind, sagte er nicht, aber es liegt nahe, dass es sich auch um die Erstattungsbeträge handelt.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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