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Übernahmepläne
Biotechunternehmen im Fokus von Big Pharma
Die Anfang Februar 2024 angekündigte Übernahme von Morphosys durch Novartis lenkt den Blick wieder verstärkt auf deutsche Biotechunternehmen. Da die Branche mittlerweile für den Großteil neuer und innovativer Arzneimittel steht, ist sie von besonderem Interesse für Pharmakonzerne, deren Entwicklungspipelines Nachschub brauchen. Tatsächlich verbergen sich hierzulande unter den Biotechs einige Perlen.
Die geplante Übernahme des 1992 gegründeten oberbayerischen Unternehmens Morphosys, eine Art Flaggschiff unter den deutschen Biotechs, durch den Pharmariesen Novartis zum Preis von 2,7 Milliarden Euro ist eine für das Wirtschaftsleben typische Win-Win-Situation: Für Novartis, weil sich bei den Schweizern die Patentlaufzeit wichtiger Umsatzbringer wie Entresto und Cosentyx dem Laufzeitende neigt. Die Entwicklungspipeline braucht neues Futter mit umsatzträchtigen Arzneimittelkandidaten. Durch den Kauf sichert sich Novartis Zugriff auf den größten Morphosys-Hoffnungsträger, das Mittel Pelabresib zur Behandlung einer seltenen bösartigen Erkrankung des Knochenmarks.
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Für Morphosys wiederum könnte die Übernahme ein Gewinn sein, weil das Unternehmen in den vergangenen Jahre sowohl strategisch als auch bei der Produktwahl kein glückliches Händchen gezeigt hat: Arzneimittelkandidaten zeigten nicht die erhoffte Wirkung, eine teure Übernahme zum falschen Zeitpunkt, dazu ein von Anfang 2020 bis Ende 2022 stark sinkender Aktienkurs. Entsprechend preiswert war das Papier, als Novartis die Übernahmeverhandlungen führte.
Biotechübernahmen ziehen nach Flaute wieder an
Nachdem das globale Übernahmegeschäft von Biotechs durch Big Pharma einige Jahre recht mau verlaufen war, nahmen sowohl die Anzahl als auch der Wert der Akquisitionen im vergangenen Jahr wieder deutlich zu. So verweist das Anlegermagazin „Der Aktionär" auf Quellen, wonach das Dealvolumen im Biotech- und Life-Science-Sektor 2023 „enorm gestiegen“ sei – im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 Prozent auf 237,6 Milliarden Dollar. Auch für 2024 würden Experten einen weiteren deutlichen Anstieg des Transaktionsvolumens erwarten.
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Daniel Koller, Head Investment Management bei der Schweizer Beteiligungsgesellschaft BB Biotech, weist darauf hin, dass die Kapitalmärkte angesichts sinkender Zinsen wieder Gefallen an Biotechfirmen gefunden hätten. Dabei würden Pharmariesen vor allem kleinere Biotechs bevorzugen, um ihre Pipeline und den Technologiezugang weiter auszubauen. Hinzu komme, dass viele Biotechs derzeit attraktiv bewertet seien, andererseits aber über eine starke Innovationskraft verfügen.
Bereits Ende 2022 sagte Koller in einem Interview, dass die Biotechbranche die treibende Kraft bei neuen therapeutischen Ansätzen sei. An erster Stelle stünden dabei Entwicklungen aus den Bereichen Immunonkologie, Gentherapien, zellbasierten Therapien und Gene Editing. Der BB Biotech-Manager verwies in dem Zusammenhang auf Daten des IQVIA Institute for Human Data Science, denen zufolge 65 Prozent aller globalen klinischen Studien des Jahres 2021 von kleineren Biotechunternehmen durchgeführt worden seien.
„Deutschland ist ein wichtiger Biotechstandort"
Das deckt sich mit Angaben des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa), wonach mehr als die Hälfte der Neuzulassungen auf dem Pharmamarkt mittlerweile biotechnologisch hergestellte Arzneimittel sind. Die biopharmazeutische Pipeline habe sich seit 2005 weit mehr als verdoppelt, so der vfa. Von 256 klinischen Entwicklungskandidaten im Jahr 2005 sei sie auf 672 Ende vergangenen Jahres gestiegen. Manfred Heinzer, Geschäftsführer der in München angesiedelten Amgen GmbH, stellte bereits vor zwei Jahren fest: „Deutschland ist ein wichtiger Biotechstandort, der gefördert und nicht geschröpft werden sollte.“
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Auf der anderen Seite stehen forschende Pharmakonzerne unter dem Druck – insbesondere ihrer Aktionäre – neue Wachstumstreiber und damit Cash für die Kasse zu generieren. Koller verwies auf Schätzungen der US-Arzneimittelbehörde FDA, wonach in der nächsten Dekade Blockbuster-Arzneien mit einem Gesamtumsatz von mehr als 250 Milliarden Dollar ihren Patentschutz verlieren. Sofern die eigene Entwicklung nicht für ausreichenden Nachschub an neuen Wirkstoffen sorgt, ist in der Branche die Übernahme interessanter Wettbewerber oder Biotechfirmen seit jeher ein probates Mittel. Dabei geht die Tendenz laut Koller bei den Pharmaunternehmen dahin, vor allem Biotechs zu akquirieren, die für ihre ersten Produkte auf der Basis von neuen, bahnbrechenden Technologien die Marktzulassung erhalten haben oder in Kürze erhalten werden.
Deutsche Biotechs im Fokus
Beim Blick auf die deutschen Biotechs hat sich das Mainzer Unternehmen Biontech durch seinen Erfolg mit COVID-19-Impfstoffen hierzulande an die Bekanntheitsspitze der Branche gesetzt. Da die Firma über ein hervorragendes Technologie-Know how und eine attraktive Pipeline verfügt, dürfte sie immer wieder mal in den Blick interessierter Pharmamanager geraten. Allerdings befindet sich das Unternehmen zu einem wesentlichen Teil im Besitz der Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci sowie der Familie Strüngmann. Die zeigten bislang wenig Neigung, sich von ihren Anteilen zu trennen. Im Gegenteil: Biontech ist in den vergangenen Jahren mehrfach selbst als Käufer von Produktrechten oder der KI-Firma Instadeep aufgetreten. Zudem wäre Biontech mit einer Marktkapitalisierung von 20,2 Milliarden Euro nicht wirklich günstig zu haben, wenngleich sich der Aktienkurs und damit auch die Marktkapitalisierung seit den Hochs im Jahr 2021 mehr als gedrittelt haben.
Deutlich billiger könnte das Tübinger Unternehmen Curevac erworben werden. Die Marktkapitalisierung liegt bei gerade mal 680 Millionen Euro, der Aktienkurs ist mit rund 3 Euro nur noch ein Schatten seiner selbst im Vergleich zu den Notierungen aus der Corona-Hochzeit 2020 und 2021. Allerdings hat das Unternehmen trotz seines mittlerweile rund 24jährigen Bestehens noch kein Produkt vorzuweisen; stattdessen ist es wiederholt mit Kandidaten vor einer Marktzulassung gescheitert. Immerhin würde ein Käufer umfangreiche Expertise in der mRNA-Technologie erwerben und die Aussicht auf ein Corona-Vakzin der zweiten Generation.
Hiesige Biotechunternehmen mit Rang und Namen
Eine Perle in der deutschen Biotech-Landschaft stellt das Hamburger Unternehmen Evotec dar. Wenngleich sich der Aktienkurs seit seinem Hoch im Sommer 2021 ähnlich wie bei Biontech mehr als gedrittelt hat, ist das Unternehmen unverändert ein gefragter Partner großer Pharmakonzerne bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe.
Zu den großen hiesigen Biotechunternehmen mit Rang und Namen zählt auch Qiagen. Das Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Hilden hat sich auf die Entwicklung und Herstellung von Produkten für die Probenvorbereitung, Molekulardiagnostik, Forschung und pharmazeutische Industrie spezialisiert. Qiagen spielt damit eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Werkzeugen und Lösungen. Die Marktkapitalisierung liegt bei 8,95 Milliarden Euro, zu den wesentlichen Eigentümern gehören mehrere Investmentfonds, institutionelle Anleger sowie die Gründungsfamilie.
Das Unternehmen war bereits 2020 Objekt eines Übernahmeversuchs durch den US-Technologiekonzern Thermo Fisher Scientific, der jedoch am Widerstand der Qiagen-Aktionäre scheiterte. Jüngst kamen nach einem Bericht von Der Aktionär neue Kaufgerüchte auf: Laut der Finanzwebseite Betaville habe ein potenzieller Käufer Beratungs- und Finanzierungsfirmen eingeschaltet. Bereits im Januar habe die Webseite entsprechende Gerüchte um den im DAX gelisteten Konzern gestreut.
Einen Blick wert ist auch ITM aus Garching bei München. Die Firma, die an radioaktiven Therapien zur Bekämpfung von Krebs arbeitet, konnte kürzlich Investoren zu einer Finanzierung von insgesamt 255 Millionen Euro überzeugen. Der Nettoerlös soll die weitere Entwicklung von ITMs Onkologie-Pipeline für zielgerichtete Radionuklid-Therapien (TRT) unterstützen und die Kommerzialisierung des in der letzten klinischen Phase stehenden Pipeline-Kandidaten ITM-11 vorbereiten helfen.
Morphosys-Übernahme auf der Ziellinie
Derweil scheint die Übernahme von Morphosys durch Novartis auf einem guten Weg zu sein. „Wir erwarten keine Probleme", sagte Morphosys-Chef Jean-Paul Kress kürzlich in einer Telefonkonferenz anlässlich der Bilanzvorlage für 2023. Demnach soll das Geschäft noch in der ersten Jahreshälfte abgeschlossen werden. Dabei dürfte auch helfen, dass der ehemaliger Mitgründer und Vorstandschef von Morphosys, Simon Moroney, seit 2020 im Board von Novartis sitzt. Er dürfte bestens Bescheid wissen, welches Unternehmen die Schweizer da erwerben.
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