Lieferengpässe überbrücken

NRF veröffentlicht zwei Vorschriften für flüssige Vitamin-A-Oralia

Stuttgart - 05.04.2024, 12:15 Uhr

Dem Lieferengpass von Vitadral® die Stirn bieten: Tropfen mit Retinolpalmitat können nach Vorschriften des NRF-Rezepturhinweises in der Apotheke selbst hergestellt werden. (Symbolbild: DAZ/Alex Schelbert)

Dem Lieferengpass von Vitadral® die Stirn bieten: Tropfen mit Retinolpalmitat können nach Vorschriften des NRF-Rezepturhinweises in der Apotheke selbst hergestellt werden. (Symbolbild: DAZ/Alex Schelbert)


Vitadral Tropfen sind seit Februar 2023 nicht lieferbar, ein Alternativpräparat zu den hoch dosierten Vitamin-A-Tropfen gibt es nicht. Das NRF gibt nun mit zwei Vorschriften Hilfestellung für eine Überbrückung des Lieferengpasses mit Rezepturen.

Vitadral® Tropfen enthalten 54.900 internationale Einheiten (I.E.) Retinolpalmitat pro Milliliter Lösung und unterliegen mit den hohen empfohlenen Tagesdosen von 4.000 I.E. bis 80.000 I.E. der Verschreibungspflicht. Das Vitamin-A-Präparat ist indiziert zur Therapie eines Vitamin-A-Mangels, der nicht durch die Ernährung ausgeglichen werden kann. Gründe hierfür können beispielsweise chronische Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts wie Morbus Crohn oder Zöliakie, Funktionsstörungen von Leber oder Bauchspeicheldrüse, oder Alkoholabusus sein [1, 2]. 

Hochkonzentrierte Lösung als Rezeptursubstanz

Das Fertigarzneimittel enthält den lipophilen Arzneistoff in Erdnussöl gelöst und mit Butylhydroxytoluol als Antioxidans stabilisiert. Als Rezeptursubstanz sind ölige Lösungen von Retinolpalmitat mit 1 Million I.E. pro Gramm erhältlich, wie das Fertigarzneimittel sind sie auf Basis von Erdnussöl, jedoch stabilisiert mit Tocopherol. Ein Verdünnen mit Erdnussöl führt zum gewünschten Rezepturarzneimittel – doch hier gilt es einiges zu beachten. Der NRF-Rezepturhinweis „Vitamin A (Retinol)“ sowie die Vorschrift „Vitamin-A-Lösung 54.900 I.E./ml“ im Rezepturenfinder geben wichtige Hinweise für die Herstellung [3, 4].

Komplexe Berechnung

Über eine Einwaagekorrektur sowie die Umrechnung des Gehalts pro Gramm in den geforderten Gehalt pro Milliliter muss zunächst die Einwaage der Rezeptursubstanz individuell berechnet werden. Die Dichte der fertigen Zubereitung kann mit der vom Arzneibuch angegebenen Dichte von raffiniertem Erdnussöl ρ = 0,9134 g/ml gleichgesetzt werden [3].

Für eine Rezeptur mit 50 ml, die analog zum Fertigarzneimittel Vitadral® 54.900 I.E. pro Milliliter enthalten soll, aus einer Rezeptursubstanz mit einer Aktivität von 1.050.000 I.E. pro Gramm ergibt sich beispielsweise folgender Rechenweg:

Ansatzmasse:                                

50 ml x 0,9134 g/ml = 45,67 g

Benötigte I.E. für den Ansatz:  

54.900 I.E. / ml x 50 ml = 2.745.000 I.E.

Einwaage Rezeptursubstanz:  

1.050.000 I.E. sind in 1 g enthalten

2.745.000 I.E. sind somit in 2.745.000 / 1.050.000 = 2,61 g enthalten

Die Verwendung des Einwaagekorrektur-Tools des NRF erleichtert die Berechnungen.

Oxidation vorbeugen

Eine weitere Stolperstelle bei der Rezepturherstellung ist die Oxidationsempfindlichkeit des Retinolpalmitats. Der Rezeptur muss ein Antioxidans zugesetzt werden, die Vorschrift des Rezepturenfinders empfiehlt hier wie im Fertigarzneimittel Butylhydroxytoluol. Um den Kontakt mit Luftsauerstoff so weit wie möglich zu vermeiden, sollte für das Abgabegefäß ein passendes Flaschenvolumen ohne größeren Luftüberstand gewählt und die Zubereitung mit Inertgas überschichtet werden. Ist letzteres nicht möglich, muss die Laufzeit des Rezepturarzneimitttels auf 4 Wochen begrenzt werden. Unter Schutzbegasung beträgt die Laufzeit 1 Jahr, die Aufbrauchfrist 4 Wochen.

Lieferengpässe mit Rezepturen überbrücken

Noch mehr Wissen für die Rezeptur gibt es für Sie auf der INTERPHARM in Mannheim: 

Apotheker Dr. Berthold Pohl referiert zum Thema „Schritt für Schritt vom Lieferengpass zum Rezepturarzneimittel" und Apotheker Dr. Holger Reimann gibt Tipps, wie mit Lieferengpässen bei Rezepturausgangsstoffen umgegangen werden kann. 

Alle Infos zur INTERPHARM am 12. und 13. April in Mannheim, zum Beispiel zum Programm, den Ticketpreisen, der Happy Hour, der Ausstellung .... gibt es hier

Vitadral® wird laut Herstellerangaben tropfenweise dosiert. Für Rezepturarzneimittel wird im Rezepturhinweis des NRF jedoch dringend die Dosierung nach Volumen mithilfe einer Kolbenpipette empfohlen, da die Tropfendosierung stark von der Art des verwendeten Tropfers abhängt [3]. 27 Tropfen des Fertigarzneimittels entsprechen dabei dem Volumen eines Milliliters. Gegebenenfalls kann, um ein leichter abmessbares Volumen der Einzeldosis zu erhalten, auch die Konzentration der Lösung entsprechend angepasst werden.

Auch wässrige Zubereitungen sind möglich 

Im Rezepturenfinder ist mit „Vitamin A-Lösung 50.000 I.E./ml, wässrig FNA“ auch eine wässrige Zubereitung mit Retinolpalmitat beschrieben [5]. Sie stammt aus dem niederländischen Formularium (FNA), ist mit Kaliumsorbat / Citronensäure konserviert und enthält Polysorbat 80 als emulgierenden Hilfsstoff.

Für beide Rezepturen finden sich im Rezepturhinweis des NRF weitere Angaben zur Kennzeichnung, Lagerung, sowie zum genauen Herstellungsvorgang [3].

[1]          Aristo Pharma GmbH. Fachinformation „Vitadral®-Tropfen“, Stand Mai 2016

[2]        Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Vitamin A. Stand November 2020. www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/ausgewaehlte-fragen-und-antworten-zu-vitamin-a/#c3517

[3]        NRF-Rezepturhinweis „Vitamin A (Retinol)“, Stand 13. März 2024, dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturhinweise/apo/einzelansicht/919

[4]          Vorschrift „Vitamin-A-Lösung 54.900 I.E./ml“ im NRF-Rezepturenfinder, Stand 28. März 2024, dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/4072

[5]          Vorschrift „Vitamin A-Lösung 50.000 I.E./mL, wässrig FNA“ im NRF-Rezepturenfinder, Stand 29.12.2023, dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/4005


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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