Beratung

Reiseapotheke für Schwangere – von Allergie bis Verstopfung

Stuttgart - 09.04.2024, 17:50 Uhr

Damit es im Urlaub keine unangenehmen Überraschungen gibt, empfiehlt sich eine gut ausgestattete Reiseapotheke – auch für Schwangere. (Foto: Prostock-studio / AdobeStock)

Damit es im Urlaub keine unangenehmen Überraschungen gibt, empfiehlt sich eine gut ausgestattete Reiseapotheke – auch für Schwangere. (Foto: Prostock-studio / AdobeStock)


Das Thema Reisepharmazie und die Zusammenstellung einer Reiseapotheke können sich je nach Reiseziel durchaus beratungsintensiv darstellen. Ist unter den Reisenden eine Schwangere, gestaltet sich die Beratungssituation noch komplexer. Da hilft es, ein paar Standardempfehlungen parat zu haben.

Für die allgemeine Reiseapotheke bietet die ABDA eine Checkliste an. Darauf stehen nicht nur Arzneimittel, sondern beispielsweise auch Insektenschutzmittel, Sonnenschutzmittel und (bei Flugreisen) Kompressionsstrümpfe [1]. Gerade letztere sind für viele Schwangere sicherlich eine sinnvolle Empfehlung, sollten sie die Strümpfe nicht ohnehin schon dauerhaft tragen. Wer bei Sonnenschutzmitteln sichergehen möchte, greift bei Schwangeren wohl am besten auf Produkte mit mineralischen Filtern zurück [2].

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Was Insektenschutzmittel angeht, sind DEET (Diethyltoluamid) und Icaridin die bekanntesten Wirkstoffe in der Apotheke. Allerdings sind sie nicht in jeder Reisesituation für jede Schwangere geeignet. Neben DEET und Icaridin empfiehlt die WHO (Weltgesundheitsorganisation) in Gebieten mit Malariarisiko auch den Wirkstoff IR3535, der sich durch ein besonders gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis auszeichnen soll: „Er ist der natürlich vorkommenden Aminosäure Beta-Alanin nachempfunden und weist laut WHO das beste toxikologische sowie ökotoxikologische Sicherheitsprofil aller zugelassenen Biozidwirkstoffe auf“, erklärt der Hersteller der Marke My Control® auf seinem Internetauftritt. Der Wirkstoff könne unbedenklich bei Schwangeren, Stillenden und Kindern ab zwölf Monaten eingesetzt werden. Auch die Marke Ballistol® bewirbt ihre Lotion „Stichfrei® Kids“ mit dem Inhaltsstoff IR3535 [3, 4, 5, 6].

Schwangeren von Reisen in Malaria-Gebiete abraten!

Laut der Webseite embryotox.de können zur Malariaprophylaxe DEET und Icaridin in der Schwangerschaft und Stillzeit als Mückenabwehrmittel angewendet werden. Allerdings heißt es dort, dass Schwangeren grundsätzlich von einer Reise in ein Malaria-Endemiegebiet abgeraten werden sollte. Ansonsten wird dringend eine individuelle Beratung in einem Zentrum für Reise- und Tropenmedizin empfohlen, es kommt dann beispielsweise auch eine medikamentöse Prophylaxe mit Mefloquin in Frage. Der Wirkstoff ist in Deutschland allerdings nicht im Handel (Lauer-Taxe® Stand 1. April 2024) [7]. 

Von gängigen wirkstoffhaltigen Gelen gegen Juckreiz nach Insektenstichen raten die Fachinformationen eher ab. Laut Embryotox gibt es für die dermale Therapie keine besser geeignete Alternative als das H1-Antihistaminikum Dimetinden. 

Der Klassiker in der Reiseapotheke, an den wohl jede:r denkt, sind Arzneimittel gegen Durchfall. Zur Prävention empfiehlt sich (auch gegen andere Infektionskrankheiten) auf jeden Fall die Mitnahme von Händedesinfektionsmitteln. Außerdem sollten immer Elektrolyt-Präparate im Gepäck sein, um eine Dehydratation zu verhindern.

Bei Durchfall reichen meist diätetische Maßnahmen

Laut der aktuellen S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen“ kann Loperamid „bei Erwachsenen mit akuter Gastroenteritis ohne Fieber und ohne Blut im Stuhl für < 48 Stunden verwendet werden“. Andere Präparate werden nicht empfohlen [9]. Auch Embryotox listet zur symptomatischen Behandlung von Diarrhöen keine besser geeigneten Alternativen, erklärt aber: „Nur selten erfordert eine akute Diarrhö eine Behandlung, die über diätetische Maßnahmen hinausgeht. Falls tatsächlich eine medikamentöse Hemmung der Darmmotilität indiziert ist (Arztrücksprache!), sollte Loperamid gewählt werden. Eine Langzeittherapie sollte während der Schwangerschaft vermieden werden.“ Es müsse mit keinem substanziellen teratogenen Risiko gerechnet werden, jedoch bestehen Unsicherheiten [10].

Können Desinfektionsmittel auch schaden?

„[...] Alkohole (Ethanol, 1- und 2-Propanol) werden bei sachgerechter Anwendung auf intakter Haut kaum resorbiert. Eine Aufnahme der leichtflüchtigen Verbindungen kann aber über die Atemwege erfolgen. Allerdings sind für keinen der genannten Alkohole bisher Vergiftungen durch eine solche Inhalation bekannt.

Da jedoch die inhalative Toxizität von Ethanol geringer als die von 2-Propanol ist, kann es bei empfindlichen Personen wie Neugeborenen, Kleinkindern und Patienten mit Atemwegserkrankungen sinnvoll sein, ethanolhaltige Händedesinfektionsmittel zu bevorzugen.“ 

Quelle: Hände­desinfektionsmittel – was ist drin? DAZ.online 09.05.2023 [11]

Tritt im Rahmen des Infekts auch Übelkeit auf, können im Erwachsenenalter laut Leitlinie bei Gastroenteritis Antiemetika „kurzfristig“ eingesetzt werden. Allerdings werden dann verschreibungspflichtige Stoffe wie Metoclopramid oder Ondansetron empfohlen. Dem traditionell in Deutschland verwendeten und ohne Rezept erhältlichen Dimenhydrinat spricht die Leitlinie einen geringeren Nutzen zu, außerdem wird die sedierende Wirkung kritisch erwähnt [9]. 

Sind diese Wirkstoffe auch in der Schwangerschaft geeignet?

Arzneimittel gegen Übelkeit nur auf Rezept?

Speziell zu Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft empfiehlt Embryotox, zunächst die Antihistaminika Doxylamin, Meclozin oder auch Dimenhydrinat zu versuchen. „Bei schwererer und länger anhaltendender Symptomatik kann auch Ondansetron erwogen werden“, heißt es. Eine Therapie mit Metoclopramid soll so kurz wie möglich erfolgen. 

Meclozin ist allerdings in keinem deutschen Präparat erhältlich. Und Doxylamin ist für die Indikation Übelkeit nur auf Rezept erhältlich, bei den rezeptfreien Doxylamin-Präparaten handelt es sich um Schlafmittel (Vorsicht abweichende Dosierungen!). Ohne Rezept mit der passenden Indikation gegen Übelkeit bleibt somit nur Dimenhydrinat, das laut Embryotox jedoch keine erste Wahl ist: „Dimenhydrinat darf bei Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft angewendet werden. Bei vorzeitigen Wehen sollte es möglichst nicht zum Einsatz kommen“ [12].

Freie Auswahl bei Antiallergika?

Wer in der Apotheke zu Antihistaminika berät, denkt vermutlich automatisch auch an Antiallergika. Hier gelten laut Embryotox Loratadin und Cetirizin bei oraler Therapie als Mittel der Wahl. Topisch sollte bevorzugt Cromoglicinsäure eingesetzt werden. Aber auch Azelastin und Levocabastin gelten als „akzeptabel“. Wer jenseits von Antihistaminika und Mastzellenstabilisator ein wirksames Nasenspray gegen Heuschnupfen möchte, darf auf Budesonid zurückgreifen. Allerdings ist Budesonid nicht ohne Rezept erhältlich. 

Auch von Beclometason, das auch ohne Rezept erhältlich ist, rät Embryotox nicht ab. In der Fachinformation von beispielsweise „Ratioallerg Heschnupfenspray“ werden jedoch einige Warnungen zur Anwendung in der Schwangerschaft ausgesprochen (Lauer-Taxe Stand 1. April 2024) [13].

Verdauungsprobleme in der Schwangerschaft

Sodbrennen und Verstopfung können im Urlaub ebenfalls zum Problem werden – insbesondere in der Schwangerschaft. „Bei unzureichender Wirkung von Quellmitteln ist Lactulose das Abführmittel der Wahl in der Schwangerschaft. Das osmotische Laxans Macrogol kommt alternativ infrage“, erklärt Embryotox zum Thema Obstipation [14]. Auch Simeticon ist bei Blähungen in der Schwangerschaft geeignet [15].

Gegen Sodbrennen empfiehlt Embryotox Antazida wie Sucralfat, aber auch Famotidin (rezpetpflichtig) und Omeprazol oder Pantoprazol. Wer möchte, kann vor allem bei längerfristiger Anwendung aluminiumfreie Antazida wählen, die speziell für die Schwangerschaft beworben werden [16].

Schmerz- und Erkältungsmittel in der Schwangerschaft

Ob bei Infekten, kleineren Verletzungen oder auch Kopfschmerzen – Schmerz- und Fiebermittel sollten in der Reiseapotheke nie fehlen. Hier gilt Paracetamol in der Schwangerschaft als Mittel der Wahl [17]. 

Wer bei Erkältungen oder beim Fliegen zusätzlich abschwellende Nasensprays benötigt, dem rät Embryotox weder von Xylometazolin noch Oxymetazolin ab – vorausgesetzt die Sprays werden nur kurzfristig angewendet [18]. Manche Fachinformationen raten jedoch von der Anwendung in der Schwangerschaft ab (Lauer-Taxe Stand 1. April 2024). Wem ein Meersalznasenspray genügt, sollte dieses also in der Schwangerschaft bevorzugt anwenden.

Wünscht sich die Schwangere zusätzlich noch ein hustenstillendes Präparat, bleibt unter den rezeptfreien Wirkstoffen nur Dextromethorphan. Als Schleimlöser kommen laut Embryotox Acetylcystein und Ambroxol in Frage [19]. Allerdings sind auch hier abweichende Angaben in den Fachinformationen zu berücksichtigen (Lauer-Taxe Stand 1. April 2024). 

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Wer außerdem an Lippenherpes leidet, darf laut Embryotox Aciclovir anwenden. Eine lokale Therapie gilt als unbedenklich [20]. 

Ganz grundsätzlich sollte bei der Zusammenstellung einer Reiseapotheke immer an einen ausreichenden Vorrat der individuell und dauerhaft benötigten Präparate gedacht werden. In der Schwangerschaft sollten beispielsweise Folsäurepräparate nicht zu Hause vergessen werden.

Zudem ist es sicher für jeden ratsam – ob schwanger oder nicht –, ein Wunddesinfektionsmittel, Verbandmaterialien (plus Kühlkompressen) und eine Wundheilsalbe einzupacken. Auch ein Fieberthermometer kann auf Reisen hilfreich sein. 

Generell gilt zu beachten, dass Arzneimittel in der Schwangerschaft immer nur dann zum Einsatz kommen sollten, wenn andere Maßnahmen nicht helfen. Werden hier also manche Arzneimittel als geeignet aufgelistet, so gilt dennoch stets abzuwägen, ob ihr Einsatz wirklich notwendig ist, denn eine absolute Risikofreiheit kann niemand garantieren. 

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Literatur 

[1] Checkliste Haus- und Reiseapotheke der ABDA, Abruf 8. April 2024, www.abda.de/fuer-apotheker/faqs-und-checklisten/checkliste-haus-und-reiseapotheke/ 

[2] Hinsken A. Sonnige Schwangerschaft – Werdende Mütter brauchen eine Extraportion Sonnenschutz. DAZ 2023, Nr. 26, S. 24, 29.06.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2023/daz-26-2023/sonnige-schwangerschaft

[3] Hinsken A. „Baby an Bord“ lockt Mücken an – Was bei der Abgabe von Repellentien für Schwangere zu beachten ist. DAZ 2023, Nr. 29, S. 34, 20.07.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2023/daz-29-2023/baby-an-bord-lockt-muecken-an 

[4] Internetseite der WHO zu Malaria, Stand 4. Dezember 2023, www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/malaria 

[5] Internetauftritt der Marke Atack Control bzw. My Control. Vorteile des verwendeten Wirkstoffs IR3535. Abruf 8. April 2024, atackcontrol.de/insektenschutz/wirkstoffe/ 

[6] Internetauftritt der Marke Ballistol zu Stichfrei® Kids  - Mückenschutz für Kinder. Abruf 8. April 2024, ballistol.de/produkte/mensch/stichfrei-kids-lotion-tube-30-ml-tube-30-ml.html 

[7] Embryotox. Malaria und Malariaprophylaxe. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/malaria-und-malariaprophylaxe 

[8] Embryotox-Eintrag zu Dimetinden. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/dimetinden 

[9] S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen, Stand: 01.11.2023, gültig bis 31.08.2028, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/021-024 

[10] Embryotox-Eintrag zu Loperamid Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/loperamid 

[11] Bergner A. Hände­desinfektionsmittel – was ist drin? DAZ.online 09.05.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/05/09/haende-desinfektionsmittel-was-ist-drin 

[12] Embryotox-Eintrag zu Emesis gravidarum/ Hyperemesis gravidarum. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/emesis-gravidarum-hyperemesis-gravidarum 

[13] Embryotox-Eintrag zu Allergie. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/allergie 

[14] Embryotox-Eintrag zu Obstipation. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/obstipation 

[15] Embryotox-Eintrag zu Simeticon. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/simeticon 

[16] Embryotox-Eintrag zur Refluxkrankheit. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/refluxkrankheit 

[17] Embryotox-Eintrag zu Paracetamol. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/paracetamol 

[18] Embryotox-Einträge zu Xylometazolin und Oxymetazolin. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/oxymetazolin 

[19] Embryotox-Einträge zu Dextromethorphan, Acetylcystein und Ambroxol. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/ambroxol 

[20] Embryotox-Eintrag zu Aciclovir. Abruf 8. April 2024, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/aciclovir


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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