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OTC-Kauf via Amazon-Marktplatz
EuGH-Generalanwalt: OTC-Bestelldaten sind keine „Gesundheitsdaten“
Geht es nach EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar, scheitert der Verkauf rezeptfreier Arzneimittel von Apotheken via Amazon-Marktplatz nicht daran, dass hier möglicherweise sensible Gesundheitsdaten ohne Einwilligung des Betroffenen verarbeitet werden. Aus den Bestelldaten lassen sich aus seiner Sicht nämlich keine sicheren Informationen über den Gesundheitszustand einer Person ablesen. Nun muss sich zeigen, ob der Gerichtshof seinen Argumenten folgt.
Bereits seit dem Jahr 2017 kämpft der Münchener Apotheker Hermann J. Vogel gegen den Arzneimittelverkauf über den Amazon-Marktplatz. Er ging gegen zwei Kollegen in Sachsen-Anhalt vor, die ihre Versanderlaubnis auch für diesen Vertriebsweg nutzen. Über den Online-Marktplatz bieten sie apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an. Vogel machte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend, weil das Vorgehen der Konkurrenten aus seiner Sicht gegen zahlreiche Marktverhaltensregeln verstößt – verortet beispielsweise im Arzneimittelgesetz, dem Heilmittelwerbegesetz und der Apothekenbetriebsordnung. Zudem sieht er einen Verstoß gegen das europäische Datenschutzrecht gegeben.
Während in erster Instanz zwei unterschiedliche Gerichte die ähnlich gelagerten Fälle noch unterschiedlich beurteilten, entschied das Oberlandesgericht Naumburg, vor dem beide Verfahren in der Berufung landeten, einheitlich. Es bejahte mit Blick auf den Datenschutz einen Unterlassungsanspruch: Die beklagten Apotheker verarbeiteten im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten ihrer Kunden (Art. 9 Abs. 1 DSGVO). Und wer derart sensible Daten verarbeitet, muss dafür zuvor eine Einwilligung einholen. Dies war jedoch nicht geschehen. Somit bejahte das Gericht einen Verstoß gegen Marktverhaltensregeln. Arzneimittel- oder apothekenrechtliche Vorschriften sah das Oberlandesgericht hingegen nicht in unlauterer Weise verletzt.
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Die Verfahren landeten sodann im Jahr 2019 vor dem Bundesgerichtshof. Dass sie dort noch immer anhängig sind, liegt daran, dass die Karlsruher Richter*innen derzeit ein zweites Mal auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH) warten. Denn dieser soll erst einmal klären, ob ein Mitbewerber überhaupt wettbewerbsrechtlich gegen einen Kollegen vorgehen darf, wenn dieser gegen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt. Denn es gibt die Auffassung, die DSGVO enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das Wettbewerber nicht einschließe.
Ein erstes EuGH-Urteil in einem anderen Verfahren brachte noch nicht die gewünschte Klarheit, sodass der Zivilsenat den EuGH im Januar 2023 nochmals direkt zu den Apotheken-Fällen um Vorabentscheidung ersuchte. Jetzt wollte er dezidiert wissen: Hat der klagende Apotheker überhaupt ein Recht, im Wege einer Zivilklage einen DSGVO-Verstoß geltend zu machen? Und: Handelt es sich bei den Bestelldaten (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen) um „Gesundheitsdaten“ im Sinne der DSGVO?
Die Schlussanträge des Generalanwalts
Das Urteil des EuGH ist nach wie vor nicht gesprochen – doch Generalanwalt Maciej Szpunar hat diesen Donnerstag seine Schlussanträge vorgelegt. Der polnische Jurist dürfte einigen Apotheker*innen noch bekannt sein, da er dem 2016 ergangenen EuGH-Urteil zur (Nicht-)Preisbindung für EU-Arzneimittelversender den Weg bereitet hat.
Nun vertritt Szpunar die Auffassung, dass „die Daten der Kunden eines Apothekers, die bei der Bestellung von apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf einer Online-Verkaufsplattform übermittelt werden, keine ‚Gesundheitsdaten‘ im Sinne von Art. 4 Nr. 15 und Art. 9 DSGVO darstellen“. Zwar lasse sich auf den ersten Blick nicht leugnen, dass aus diesen Daten bestimmte Informationen über die Gesundheit abgeleitet werden können oder sie zumindest bestimmte Hinweise auf die Gesundheit geben können. Dennoch: Solche Rückschlüsse könnten nur hypothetisch oder ungenau sein. Etwa deshalb, weil diese Art von Arzneimitteln zumeist der Behandlung von Alltagsbeschwerden (z. B. Schmerzen) dienten und häufig vorsorglich gekauft würden – zudem ohne zu wissen, wer sie am Ende wirklich einnimmt.
Wenn es sich damit aus Szpunars Sicht schon nicht um Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO handelt, musste die erste Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs, ob ein Wettbewerber wegen eines solchen Verstoßes klagebefugt ist, eigentlich gar nicht mehr beantwortet werden. Der Generalanwalt tat es der Vollständigkeit halber dennoch. Sein Ergebnis: Ja, das könnte er.
Nun bleibt das Urteil aus Luxemburg abzuwarten. Dann hat der Bundesgerichtshof das letzte Wort. Sollte der EuGH dem Generalanwalt folgen – was er nicht muss –, wird den „Amazon-Apothekern“ mit Blick auf die erhobenen Bestelldaten wohl kein unlauteres Verhalten vorzuwerfen sein. Unklar ist noch, wie der Bundesgerichtshof zu den ebenfalls gerügten Verstößen gegen arzneimittel- und apothekenrechtliche Vorschriften steht, die die Berufungsinstanz verneint hatte.
2 Kommentare
EuGH
von Gregor Nelles am 01.05.2024 um 18:58 Uhr
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OTC
von Ute Müller am 26.04.2024 um 10:04 Uhr
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