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Housekeeping für das Zentralnervensystem
Was ist eigentlich das glymphatische System?
Schlaf ist wichtig, nicht nur um sich zu erholen, zu erinnern oder Infekte abzuwehren, sondern auch für eine „Grundreinigung“ des Gehirns. Diese Aufgabe übernimmt das glymphatische System, das Äquivalent zum Lymphsystem im Gehirn. Ein gerichteter Strom des Liquors und der Gewebsflüssigkeit schwemmt Giftstoffe aus dem Parenchym und wird als möglicher Schlüssel gegen neurodegenerative Krankheiten gehandelt.
Gehirn: Stoffwechselabfälle müssen entsorgt werden
Das Gehirn besitzt im Unterschied zum restlichen Körper kein lymphatisches System. Die Blut-Hirn-Schranke verhindert den nötigen Flüssigkeitsstrom durch das Hirnparenchym. Lymphgefäße existieren im Gehirn nicht. Gleichzeitig hat es aber einen besonders aktiven Stoffwechsel. Wohin also mit dem ganzen Stoffwechselabfall? Schon im 19. Jahrhundert wurde vermutet, dass der Liquor in Verbindung mit der Gewebsflüssigkeit diese Aufgabe im Gehirn übernimmt [1]. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe von Maiken Nedergaard an der University of Rochester beschrieben dies erstmals im Jahr 2012: Sie identifizierten einen gerichteten Flüssigkeitsstrom im Gehirn, der vermutlich Stoffwechselprodukte und Giftstoffe ausschwemmt und tauften ihn „glymphatisches System“, eine Wortneuschöpfung aus Glia und Lymphe (s. Abb.) [2]. Absolute Sicherheit besteht bezüglich der Existenz und Funktionsweise dieses Systems aber noch nicht, die Erkenntnisse beruhen bis dato zum größten Teil auf Tierversuchen.
Zentrale Rolle der Astrozyten
Ausgangspunkt des glymphatischen Systems ist der Subarachnoidalraum, ein zusammenhängender Spalt zwischen den beiden inneren Hirnhäuten, der mit Liquor gefüllt ist und in dem die oberflächlichen Blutgefäße verlaufen. Von dort aus ziehen die Arterien ins Gehirn. Die Tight Junctions des Endothels bilden zusammen mit den Astrozyten (Gliazellen des zentralen Nervensystems) die Blut-Hirn-Schranke. Die Fortsätze der Astrozyten sitzen aber nicht direkt auf der Gefäßwand, sondern lassen einen kleinen Spalt zum Blutgefäß [1]. Entlang der ersten Segmente der Gefäße ist dieser perivaskuläre Zwischenraum besonders groß und wird dort als Virchow-Robin-Raum bezeichnet. Aus dem Subarachnoidalraum gelangt Liquor in diesen Hohlraum und wird durch die pulsatilen Kontraktionen der Blutgefäße weitertransportiert und im gesamten Hirnparenchym verteilt [1]. Die Astrozyten, die die Blutgefäße und den Zwischenraum umschließen, leiten die Flüssigkeit ins Interstitium weiter, wo Abfallstoffe ausgeschwemmt werden. Über den perivaskulären Raum zwischen Astrozyten und Hirnvenen wird der Flüssigkeitsstrom dann wieder aufgenommen, abtransportiert und dem Lymphsystem zugeführt, beispielsweise über die Lymphgefäße der Meningen. Welchen Pfad der Ausfluss aber genau nimmt, wird noch erforscht [1].
Nächtliche Reinigung
Was hat das nun aber mit dem Schlaf zu tun? Das glymphatische System scheint einem ausgeprägten circadianen Rhythmus zu unterliegen und ist dann besonders aktiv, wenn das Gehirn inaktiv ist, also im Non-REM(Rapid Eye Movement)-Schlaf [1]. Dann sind besonders viele wasserleitende Aquaporin-4-Kanäle in den Fortsätzen der Astrozyten geöffnet, wo sie die perivaskulären Flüssigkeitsräume abgrenzen. Dadurch können sie mehr Liquor aufnehmen, den sie in das Interstitium weiterleiten. Dass der Reinigungsmechanismus nicht im Wachzustand stattfindet, liegt möglicherweise daran, dass sonst Transmitter aus den Synapsen gespült werden könnten und die Signalweiterleitung stören würden, vermuten Wissenschaftler [1].
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Ansatz gegen Alzheimer?
Im Alter nimmt die Aktivität des glymphatischen Systems ab [1]. Die Astrozyten transportieren den Liquor dann weniger effektiv ins Hirnparenchym. Deformierte Blutgefäße vermindern möglicherweise zusätzlich den Liquortransport. Inwieweit die altersbedingte Abnahme der glymphatischen Aktivität neurodegenerative Krankheiten begünstigt, ist Gegenstand der gegenwärtigen Forschung. Ob als Frühwarnzeichen oder Auslöser für Alzheimer oder andere neurodegenerative Erkrankungen: Das glymphatische System könnte neue Targets für Diagnose und Therapie bieten. |
Literatur
[1] Hablitz LM, Nedergaard M. The glymphatic system. Curr Biol 2021;31(20):R1371-R1375, doi: 10.1016/j.cub.2021.08.026
[2] Iliff JJ et al. A paravascular pathway facilitates CSF flow through the brain parenchyma and the clearance of interstitial solutes, including amyloid β. Sci Transl Med 2012;4(147):147ra111, doi: 10.1126/scitranslmed.3003748
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