Gegen die Nichtalkoholische Fettleber fehlen Arzneimittel

Mit ASS Leberfett reduzieren?

Stuttgart - 10.05.2024, 09:15 Uhr

Während die alkoholische Fettlebererkrankung primär durch schädlichen Alkoholkonsum verursacht wird, ist eine nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) vor allem metabolisch bedingt. (Foto: airborne77 / AdobeStock)

Während die alkoholische Fettlebererkrankung primär durch schädlichen Alkoholkonsum verursacht wird, ist eine nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) vor allem metabolisch bedingt. (Foto: airborne77 / AdobeStock)


Für die Behandlung der nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD), die auch Stoffwechselstörung-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD) genannt wird, gibt es in Europa noch keine zugelassenen Arzneimittel. Eine US-amerikanische Studie deutet nun auf ein gewisses Potenzial von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure in der Behandlung einer Fettleber hin.

Wenn sich in einer Leber Fettablagerungen finden lassen, aber keine Entzündungen oder Gewebeschäden vorliegen, wird häufig die Diagnose nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) gestellt [1]. Diese wird neuerdings auch als Stoffwechselstörung-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD) bezeichnet [2].

Eine Leberzellverfettung (Steatosis hepatis) kann laut der aktuellen AWMF-Leitlinie zur NAFLD durch zahlreiche Erkrankungen oder Ursachen ausgelöst werden, die nicht immer bekannt sind. Bekannt ist die Abgrenzung der NAFLD zur alkoholischen Fettlebererkrankung (ALD). Während die ALD primär durch schädlichen Alkoholkonsum verursacht wird, ist eine NAFLD laut Leitlinie „im weitesten Sinne metabolisch bedingt“. Häufig ist eine zentrale Adipositas festzustellen, doch die NAFLD kann auch bei Normalgewicht auftreten [3].

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Kommen zu den Fettablagerungen Entzündungen und Gewebeschäden in der Leber hinzu, spricht man von einer NASH: nicht-alkoholische Steatohepatitis. Aus der NASH können sich wiederum über eine Leberfibrose eine Leberzirrhose und auch Krebs entwickeln [1, 3].

Auch Arzneimittel können zu einer Leberverfettung führen. Eines davon ist beispielsweise Acetylsalicylsäure (ASS), die laut Leitlinie zu einer mikrovesikulären Verfettung führen können soll [3]. Laut der Webseite „Livertox“ kann ASS verschiedene Formen von Leberschädigung hervorrufen [4].

ASS reduziert Leberfettgehalt in Studie um rund 10 Prozent

Andererseits wird in der Wissenschaft auch schon länger das chemopräventive Potenzial von ASS zur Prävention von Leberkrebs diskutiert [5]. Und erst kürzlich ließ eine sechsmonatige (1:1) randomisierte und placebokontollierte klinische Phase-II-Studie mit 80 Erwachsenen mit einer NAFLD/MASLD aufhorchen. Denn darin konnte niedrig dosierte ASS (81 mg/Tag) den Leberfettgehalt der Proband:innen im Durchschnitt um rund 10% reduzieren. 


„Mehrere nicht-invasive Blut- und bildgebende Tests für Leberfett, Entzündung und Fibrose zeigten alle eine ähnliche Richtung des Nutzens, die eine Aspirin-Behandlung begünstigte“

Hauptautorin und Studienleiterin Tracey G. Simon, eine Hepatologin in der Abteilung für Gastroenterologie am „Massachusetts General Hospital“ in einer Pressemitteilung des Krankenhauses


Doch die Ergebnisse seien als vorläufig zu betrachten, weitere Studien seien jetzt notwendig, betonen die Stuidenautor:innen [6].

Denn neben der Reduktion von Leberfett gelten laut der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA auch die Verringerung einer Steatohepatitis und das Aufhalten einer Fibrose als wichtige histologische Endpunkte, um die Effektivität einer Behandlung in einer Spätphase der MASLD in Studien zu beurteilen. Solche Endpunkte müssen laut den Studienautor:innen also in künftigen größeren Studien mit ASS untersucht werden. Dann sollten auch die optimale ASS-Dosis, der beste Zeitpunkt für den Beginn einer Behandlung und die Dauer des Effekts untersucht werden [7].

Möglicher Mechanismus von ASS bei Fettleber

Doch wie kamen die Forscher:innen überhaupt darauf, ASS als Arzneimittel bei NAFLD/MASLD zu untersuchen? Sie berufen sich auf eine präklinische Studie zur Steatohepatitis, in der Thrombozyten die ersten Zellen waren, die in die Leber eindrangen und Entzündungsprozesse förderten. ASS soll in dieser Studie sowohl die Steatose als auch die Entzündung umgekehrt und eine Fibrose und Karzinomentstehung verhindert haben. Mechanistisch soll sich dahinter eine Glykoprotein1bα(GPIbα)-vermittelte Hemmung der Thrombozytenaktivierung verbergen [7, 8]. Das Plättchenglykoprotein (GP) Ibα ist die wichtigste ligandenbindende Untereinheit des GPIb-IX-V-Komplexes, der den von Willebrand-Faktor bindet [9].

In den USA ist man etwas weiter als in Europa

Medikamentös kann die NAFLD/MASLD oder NASH in Europa derzeit nur insofern behandelt werden, dass Arzneimittel gegen die Begleiterkrankungen wie Diabetes, Hypelipoproteinämie und Adipositas eingesetzt werden [3]. Erst kürzlich sprach sich die europäische Arzneimittelbehörde EMA in einem Diskussionspapier dafür aus, angesichts des großen Bedarfs bedingte Zulassungen für NASH-Arzneimittel auch anhand von Zwischenendpunkten in Erwägung zu ziehen [10,11]. 

In den USA wurde im März erst vor kurzem das erste Arzneimittel gegen NASH zugelassen: Resmetirom – ein Thyreoidhormonrezeptor(THR)-β-Agonist [12].

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Die aktuelle Studie zu ASS bei NAFLD im Detail

Die Proband:innen waren zwischen 18 und 70 Jahre alt, zu 55% Frauen und litten an einer NAFLD/MASLD ohne Zirrhose. Sie wurden zwischen dem 20. August 2019 und dem 19. Juli 2022 für die Studie rekrutiert. Die letzte Nachuntersuchung war am 23. Februar 2023. Von den 80 Teilnehmer:innen erreichten 71 die Nachuntersuchung nach sechs Monaten.

Der primäre Endpunkt  war die mittlere absolute Veränderung des Leberfettgehalts. Diese wurde durch Protonenmagnetresonanzspektroskopie (MRS) ermittelt. Die mittlere absolute Veränderung des Leberfettgehalts durch MRS betrug -6,6% unter ASS gegenüber 3,6% unter Placebo (Differenz, -10,2% [95% KI -27,7% bis -2,6%]; p = 0,009).

Zu den vier wichtigsten sekundären Endpunkten gehörten

  • die mittlere prozentuale Veränderung des Leberfettgehalts mittels MRS,
  • eine Verringerung des Leberfetts um mindestens 30%, 
  • die mittlere absolute und
  • relative Verringerung des Leberfettgehalts – gemessen mittels Magnetresonanztomographie-Protonendichte-Fettfraktion (MRI-PDFF).

Die Proband:innen hatten zu Studienbeginn einen mittleren Leberfettgehalt von 35%, was für eine mäßige Steatosis spricht. Im Vergleich zu Placebo reduzierte ASS den relativen Leberfettgehalt signifikant (-8,8 versus 30,0 Prozentpunkte; mittlerer Unterschied, -38,8 Prozentpunkte [95%-KI -66,7 bis -10,8]; p = 0,007). 
Außerdem erhöhte ASS den Anteil der Patienten mit einer relativen Reduktion des Leberfetts um 30% oder mehr (42,5% versus 12,5%; mittlerer Unterschied, 30,0% [95%-KI 11,6% bis 48,4%]; p = 0,006). 
Und ASS verringerte sowohl den absoluten Leberfettgehalt, gemessen durch MRI-PDFF (-2,7% versus 0,9%; mittlere Differenz, -3,7% [95%-KI -6,1% bis -1,2%]; p = 0,004]) als auch den relativen Leberfettgehalt durch MRI-PDFF (-11,7 versus 15,7 Prozentpunkte; mittlere Differenz, -27,3 Prozentpunkte [95%-KI -45.2 bis -9,4]; p = 0,003) [7].

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Literatur 

[1] Informationsblatt der Leberhilfe von Juni 2020, www.leberhilfe.org/wp-content/uploads/2020/06/NASH-EDU-04-diagnosed-DE-1.pdf

[2] Artikel aus dem Ärzteblatt vom 31. Juli 2023: MASLD statt NASH: Nichtalkoholische Fettleber bekommt neuen Namen, www.aerzteblatt.de/nachrichten/144769/MASLD-statt-NASH-Nichtalkoholische-Fettleber-bekommt-neuen-Namen

[3] S2k-Leitlinie Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen, Stand 01.04.2022, gültig bis 30.09.2026, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/021-025

[4] LiverTox-Datenbank, Eintrag zu Aspirin, Stand Juli 2017, www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK548900/

[5] Artikel aus dem Ärzteblatt von 2019: Primärprävention von Malignomen: Jahrelange Einnahme von ASS senkt das Risiko für Leberkrebs deutlich, www.aerzteblatt.de/archiv/205784/Primaerpraevention-von-Malignomen-Jahrelange-Einnahme-von-ASS-senkt-das-Risiko-fuer-Leberkrebs-deutlich

[6] Pressemitteilung des Massachusetts General Hospital vom 22. März 2024: Aspirin Reduces Liver Fat in Clinical Trial of the Most Common Cause of Chronic Liver Disease, www.massgeneral.org/news/press-release/aspirin-reduces-liver-fat

[7] Simon TG, Wilechansky RM, Stoyanova S et al. Aspirin for Metabolic Dysfunction–Associated Steatotic Liver Disease Without Cirrhosis. JAMA 2024;331(11):920-929, doi:10.1001/jama.2024.1215, jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2816236

[8] Malhemir M, Pfister D, Gallage S et al. Platelet GPIbα is a mediator and potential interventional target for NASH and subsequent liver cancer. Nature Medicine 2019;25: 641–655, www.nature.com/articles/s41591-019-0379-5

[9] Hollenhorst MA, Tiemeyer KH, Mahoney K et al. Comprehensive analysis of platelet glycoprotein Ibα ectodomain glycosylation. J Thromb Haemost 2023;21(4):995-1009, doi: 10.1016/j.jtha.2023.01.009, pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36740532/ 

[10] Artikel der Webseite der Regulatory Affairs Professionals Society vom 5. April 2024: EMA says it will consider conditional approval for NASH drugs using intermediate endpoints, www.raps.org/news-and-articles/news-articles/2024/4/ema-says-it-will-consider-conditional-approval-for

[11] Reflection paper on regulatory requirements for the development of medicinal products for non-alcoholic steatohepatitis (NASH) der EMA vom 4. April 2024, www.ema.europa.eu/en/reflection-papers-regulatory-requirements-development-medicinal-products-chronic-non-infectious-liver-diseases-pbc-psc-nash-scientific-guideline

[12] Nachricht der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA vom 14. März 2024: FDA Approves First Treatment for Patients with Liver Scarring Due to Fatty Liver Disease, www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-first-treatment-patients-liver-scarring-due-fatty-liver-disease


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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