Welchen Gerinnungshemmer auswählen?
Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen das Wissen um den Zusammenhang zwischen Hypermenorrhö und der Einnahme von Antikoagulanzien hat. Zwischen den verschiedenen Substanzklassen gibt es deutliche Unterschiede, die im klinischen Alltag Relevanz haben und beachtet werden sollten. In einer aktuellen Veröffentlichung konnte nachgewiesen werden, dass eine Kombination mehrerer Substanzklassen das Risiko für abnormale uterine Blutungen deutlich erhöht. Wurden Vitamin-K-Antagonisten, DOAK und niedermolekulares Heparin kombiniert verabreicht, stieg die Wahrscheinlichkeit für eine uterine Blutungsstörung deutlich an (adjusted Odds Ratio [aOR]: 2,63; p < 0,001). Eine Monotherapie mit DOAK hingegen wies das niedrigste Risiko für solche Störungen auf (aOR: 0,70; p = 0,032). Die Daten zeigten außerdem, dass eine afroamerikanische oder gemischte ethnische Herkunft mit einem höheren Risiko von Blutungsstörungen unter einer Antikoagulation verbunden ist, was im klinischen Alltag bedacht werden sollte [4, 6].
Im Hinblick auf die Rate abnormaler uteriner Blutungen ist die Datenlage bezogen auf Vitamin-K-Antagonisten widersprüchlich. Zum einen sind Blutungsstörungen nicht immer einheitlich definiert, zum anderen werden uterine Blutungsstörungen als mögliche Komplikation einer Antikoagulation oftmals vernachlässigt. Die Rate an abnormalen uterinen Blutungen unter Vitamin-K-Antagonisten wurde in Beobachtungsstudien mit 22% bis 65% angegeben [5].
Im Hinblick auf direkte orale Antikoagulanzien wurden unter Rivaroxaban abnormale uterine Blutungen in 20% bis 27% der Fälle beschrieben. Auch scheint eine Therapie mit Rivaroxaban die Dauer der Menstruationsblutung zu verlängern und die Wahrscheinlichkeit für medizinische Eingriffe sowie einen Präparatewechsel zu erhöhen. Überdies deutet sich an, dass Rivaroxaban mit einem fünffach erhöhten Risiko für die Entwicklung einer erneuten Thrombose einhergeht, was möglicherweise auf eine Nichteinhaltung der Therapie zurückzuführen ist. Apixaban und Dabigatran scheinen hingegen mit einem geringeren Risiko für abnormale uterine Blutungen assoziiert zu sein. Die Auswertungen von Studiendaten zeigen eine Inzidenz starker Menstruationsblutungen unter Apixaban von 9,3%, während sie bei Dabigatran bei 4,7% liegt [4, 5].
Konsequenzen für die klinische Praxis
Wenn Frauen Gerinnungshemmer benötigen, sollte zunächst eine sorgfältige Menstruationsanamnese erfolgen. Vor Therapiebeginn empfiehlt es sich, eine gynäkologische Untersuchung durchzuführen. Hierbei sollten Grunderkrankungen abgeklärt werden, die die Menstruation beeinflussen können, wie uterine Myome, Polypen oder Hyperplasien. Die Zusammenarbeit zwischen Hämatologen und Gynäkologen hat sich für diese Patientengruppe bewährt. Wenn klinisch möglich, erscheint eine Behandlung mit direkten oralen Antikoagulanzien als vorteilhaft. Traten vor der Gabe von Antikoagulanzien bereits eine starke Menstruationsblutungen auf, ist es wahrscheinlich, dass die Therapie die Blutungen noch weiter intensivieren wird. In solch einem Fall könnten Apixaban oder Dabigatran einer Therapie mit Rivaroxaban vorgezogen werden. Eine sorgfältige Aufklärung darüber, dass die Menstruationsblutung verstärkt ausfallen könnte, ist unumgänglich. Betroffene sollten bei besorgniserregenden Veränderungen oder Blutungen, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen, im Zweifel ärztlichen Rat einholen [4, 5, 6, 13].
Blutungen kontrollieren
Obgleich es auf den ersten Blick verwunderlich erscheint, in einem Patientenkollektiv mit Thromboseanamnese hormonelle Kontrazeptiva einzusetzen, handelt es sich um eine effektive Methode, die Blutungen zu kontrollieren. Des Weiteren bieten hormonelle Kontrazeptiva einen sicheren Verhütungsschutz, der bei einer Therapie mit potenziell fruchtschädigenden Gerinnungshemmern essenziell erscheint. Insbesondere Levonorgestrel-haltige Intrauterinsysteme (LNG-IUS) haben sich hierbei als effektiv erwiesen. Sie gehen mit einer Amenorrhö-Rate von 44% nach sechs Monaten einher. Studien zeigen, dass selbst bei Ausbleiben einer Amenorrhö in der Regel eine Reduktion der Menstruationsblutung um 80% erreicht wird. Dies spiegelt sich in einer Steigerung des Hämoglobin-Wertes um 7,8% wider. Gleichzeitig bieten Levonorgestrel-haltige Intrauterinsysteme einen sehr sicheren Verhütungsschutz. Alternativ werden Depot-Medroxyprogesteronacetat-Injektionen oder Tabletten mit Gestagen eingesetzt. Auch kombinierte hormonelle Kontrazeptiva sind eine Möglichkeit. Obgleich Estrogen das Risiko thromboembolischer Ereignisse erhöht, scheint diese Art der Kontrazeption bei bestehender Antikoagulation das Risiko für Thrombosen nicht zu beeinflussen.
Kaum Daten zu Antifibrinolytika
Im Hinblick auf die Verwendung von Antifibrinolytika wie Tranexamsäure liegen bisher wenig Daten vor. Zwar konnten Studien mit Risikogruppen keinen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Tranexamsäure und Thromboembolien aufweisen, jedoch ist die Datenlage bezogen auf antikoagulierte Patientengruppen dünn. Es stellt sich die Frage, ob ein kurzfristiger Einsatz von Antifibrinolytika vertretbar ist, wenn die Antikoagulation kontinuierlich fortgeführt werden kann. Letztlich bedarf es weiterer Studien, um diese Frage abschließend zu klären.
In Extremsituationen, wenn die Blutungen nicht anders kontrolliert werden können und kein Kinderwunsch besteht, kommen chirurgische Methoden zum Einsatz. Hierfür stehen die Endometriumablation, die Embolisation der uterinen Arterien sowie eine Hysterektomie zur Verfügung. Von einer vorzeitigen Beendigung der Antikoagulation sollte abgesehen werden. Ein solches Vorgehen würde das Risiko eines Wiederauftretens thromboembolischer Ereignisse erhöhen. Auch wird aktuell keine Reduktion der Dosis während der Menstruation empfohlen, da die Datenlage hierzu unzureichend ist. Vielmehr sollte bei persistierenden Beschwerden in Absprache mit den behandelnden Ärzten ein Präparatewechsel zugunsten von Apixaban oder Dabigatran erwogen werden [4, 5, 6, 13, 14]. |
Literatur
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1 Kommentar
Ein bisschen off topic, aber passend zur Ideologie
von Dr. House am 13.05.2024 um 10:07 Uhr
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