Apothekenpraxis

Rechtsschutz ist kein Luxus, sondern unverzichtbar

Stuttgart - 13.05.2024, 07:00 Uhr

Eine Rechtsschutzversicherung ist auch für Apothekeninhaber sinnvoll. (Foto: Robert Kneschke/AdobeStock)

Eine Rechtsschutzversicherung ist auch für Apothekeninhaber sinnvoll. (Foto: Robert Kneschke/AdobeStock)


Rechtsstreitigkeiten sind in der Gesundheitsbranche oft ungewöhnlich komplex, langwierig und damit teuer. Deshalb sollten Apotheken beim Rechtsschutz nicht sparen.

Die eigene Gesundheit ist ein existenzielles und daher auch ein extrem emotionales Thema. Deshalb sind juristische Auseinandersetzungen in der Gesundheitsbranche gang und gäbe. Apotheker werden nicht nur von Kunden in zum Teil absurde Rechtsstreitigkeiten zum Beispiel wegen angeblicher Körperverletzung gezogen, sondern müssen sich auch mit Betrugsklagen von Krankenkassen oder der Abzocke von Wettbewerbsanwälten herumärgern.

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Weil die Kläger sich von Apothekern erhoffen, dass diese lieber zahlen als streiten, sind diese Klagen und die erhobenen Ansprüche meistens massiv überzogen. Deswegen gehen so viele Prozesse eben aber auch zugunsten der Apotheke aus. Eine Rechtsschutzversicherung ist daher für Apotheken­inhaber ein unverzichtbarer Schutz. Denn praktisch jede Facette der Unternehmertätigkeit kann in juristischen Auseinandersetzungen münden. Gerade bei Strafrechtsklagen ist der Rückhalt eines Rechtsschutzes mitunter existenz­sichernd, auf jeden Fall aber immer nervenschonend. Zudem sind steigende Kosten für Rechtsstreitigkeiten in allen Bereichen zu beobachten.

Reicht nicht der Rechtsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung?

Doch enthält nicht die Betriebshaftpflichtversicherung (BHV) bereits einen Rechtsschutz? Braucht es da noch eine gesonderte Absicherung? Die Antwort ist ja, die braucht es. Denn die Haftpflicht enthält üblicherweise lediglich einen passiven Rechtsschutz. Das heißt, der Versicherungsnehmer wird gegen ungerechtfertigte Haftpflichtvorwürfe verteidigt, die strafrechtlich nicht relevant sind. Vorwürfe wegen Körperverletzung oder Betrug sind durch den passiven Rechtsschutz nicht gedeckt. Für solche Anschuldigungen, die unter das Strafrecht fallen, braucht es einen Spezial-Strafrechtsschutz. Letzterer ist Apothekern unbedingt zu empfehlen, zumal Haftpflichtthemen eher selten Gegenstand von Klagen sind. Vereinfacht gesagt gibt es für Apotheker eine Dreieinigkeit der Offizin-Absicherung:

  • Die Betriebshaftpflichtversicherung deckt in der Regel die Ansprüche Dritter ab, wenn der Versicherungsnehmer diesen einen Personen- oder Sachschaden zugefügt hat. Schutz im Strafrecht gibt es – wie gesagt – nur mit Zusatzabsicherung.
  • Die Inhaltsversicherung ersetzt bei versicherten Gefahren nach einem Schaden Inventar und deckt idealerweise auch die Kosten und Unternehmergewinne während einer schadensbedingten Apothekenschließung.
  • Die Rechtsschutzversicherung steht an der Seite des Versicherten (immer vorausgesetzt, dass alle Obliegenheiten und Vertragsbestimmungen passen), wenn diesem ein Schaden zugefügt wird, er sich wehren und für sein Recht kämpfen muss.

Prozesskosten werden kalkulierbar durch Rechtsschutzversicherung

Was weitgehend unbekannt ist: Die Rechtsschutzversicherung ist Schild und Schwert zugleich. Sie hilft Betroffenen, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen, und stärkt Versicherungsnehmer bei der juristischen Durchsetzung eigener Interessen. Sie versetzt also in die Lage, z. B. Forderungen bei Nebenkostenabrechnungen oder Leasingkosten eines Firmenwagens abzuwehren oder geltend zu machen.

Selbstverständlich kann eine Versicherung keinen Erfolg in einem Rechtsstreit garantieren, aber sie sichert juristische Auseinandersetzungen finanziell ab. Dies verringert die Gefahr, dass Betroffene auf die Wahrung der eigenen Interessen verzichten, weil ein Verfahren zu kostspielig werden könnte – und darauf setzen erfahrungsgemäß nicht wenige Kontrahenten in juristischen Verfahren. Die Aufwendungen für juristische Verfahren werden kalkulierbar. Darüber hinaus sorgt der Rechtsschutz für Chancengleichheit vor Gericht – zum Beispiel, wenn sich eine „kleine“ Apotheke und ein großer Apothekendienstleister mit eigener Rechtsabteilung oder eine finanzstarke Krankenkasse gegenüberstehen.

Ein Schutz nicht nur für „Streithansl“

Ein gängiger Vorwand gegen eine Rechtsschutzversicherung lautet, dass man ja kein „Streithansl“ sei. Doch des­wegen auf eine solche Absicherung zu verzichten, kann sich schnell als fatale Fehleinschätzung herausstellen. Denn auch wenn sich die meisten Apothekeninhaber nicht gerne vor Gericht streiten, so ist es meist die Gegenseite, die auf einer juristischen Klärung beharrt.

Weil es in Deutschland kaum Branchen gibt, die stärker reguliert sind und kontrolliert werden, sind die Apotheker schnell in Rechtsstreitigkeiten verwickelt – ob sie wollen oder nicht. Die Beschwerden gehen von Fehlberatung über Falschabgabe und Apotheken-Taler bis hin zu Datenschutz- und Wettbewerbsverstößen, und immer drohen rechtliche Konsequenzen. Zudem kommen ständig neue Regelungen hinzu (von der Datenschutzgrundverordnung über Testen und Impfen bis zum Gleichbehandlungsgesetz [AGG]), die Potenzial für juristische Auseinandersetzungen haben.

Von löchrigen Rettungsnetzen

Daher ist Apotheken-Rechtsschutz kein Luxus, sondern ein echtes Rettungsnetz. Nur – und das ist wichtig zu wissen – systembedingt leider immer auch ein löchriges, denn Firmenrechtsschutz gibt es nur im Baukastensystem. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Kein Rechtsschutzversicherer möchte sinnlose Streitfälle finanzieren, deren Scheitern offensichtlich ist, insbesondere wenn es dazu schon ein höchstrichterliches Urteil gibt. Zudem hat niemand ein Interesse daran, Straftäter auf Kosten der Versichertengemeinschaft durch die Instanzen zu finanzieren – auch keine Apotheker, die panschen oder mit sonstigen fragwürdigen Geschäftspraktiken aufwarten. Ebenso sind bei anhängiger Sammelklage zusätzliche Einzelklagen nicht gedeckt – Stichwort Pleite des Apothekenrechenzentrums AvP. Das alles sind systembedingte Löcher im Rechtsschutz-Netz.

Wo Rechtsschutz wirklich schützt

Der Grundbaustein im Firmenrechtsschutz deckt die rechtlichen Interessen der Apotheke ab. Hierzu gehören allgemein wichtige Themen wie Arbeitsrechtsschutz. Bei Streitigkeiten mit Angestellten in erster Instanz tragen allerdings beide Parteien ihre Verfahrenskosten selbst, Verwaltungs-, Sozial- und Steuerrechtsschutz – in guten Tarifen ab dem Widerspruchsverfahren und Schadenersatzrechtsschutz. Bei Apotheken sollte hier ergänzend der Vertragsrechtsschutz für Verträge mit Zulieferern und Kunden inkludiert sein, um millionenfachem Missbrauch vorzubeugen, gilt der jedoch nur für den gerichtlichen Bereich. Wegen der zunehmenden Zahl an Botendiensten ist auch der Verkehrsrechtsschutz wichtig. Er gilt für alle auf die Firma zugelassenen Motorfahrzeuge zu Lande. Ein Drohnenlieferservice wäre also nicht abgesichert. Außerdem sollte der Immobilien-Rechtsschutz nicht fehlen, und zwar sowohl für eigene als auch für gepachtete und gemietete Geschäftsräume, sowie der oben schon erwähnte Spezial-Strafrechtsschutz. Ein Tipp für Gründer: Wer schon privaten Rechtsschutz hat, sollte prüfen, ob für ihn die Niederlassungsklausel gilt. Falls nicht: Rechtsschutz arbeitet sehr oft mit Wartezeiten von (meist) drei Monaten ab Beginn. Da die entscheidenden Verträge alle vor der Eröffnung datieren, sollte Rechtsschutz spätestens drei Monate vor der ersten weitreichenden Unterschrift vorhanden sein (sonst hat das Netz von Anfang an riesige Löcher).

Dienstleistungen der Rechtsschutzversicherer

Mittlerweile sind auch für Apothekeninhaber attraktive Dienstleistungen jenseits der reinen Absicherung die Regel. Deshalb sollte vor Vertragsabschluss geprüft werden, was genau der Rechtsschutzversicherer diesbezüglich zu bieten hat: Eine kostenfreie telefonische Rechtsberatung sollte immer dabei sein, denn die allermeisten Apotheker sind in Rechtsfragen oft überfordert oder mit unserem Rechtssystem kaum vertraut. Diese Beratung hilft also bei essenziellen Fragen: Um welches Rechtsgebiet genau geht es, welcher Fachanwalt sollte gesucht werden, was sollte vorbereitet werden und worauf muss der Apotheker inhaltlich besonders achten? Idealerweise sollte auch direkter Zugriff auf Kanzlei-Adressen aus der Region geboten werden. (Tipp: Nehmen Sie nur Versicherer, die schon bei Beratungstelefonaten einen Schadenfall anlegen).

Auch die oft sehr effektive Mediation ist gerade für viele Apotheken-Streitfragen hochinteressant, denn deren Ziel ist es, möglichst viele Streitfälle vorgerichtlich beizulegen. Und zum guten Schluss sollte der Rechtsschutztarif auf die Gesundheitsbranche ausgerichtet sein, idealerweise ausdrücklich auf Apotheken. Denn sobald ein berufsspezifischer Vorwurf im Raum steht, kommt es eben auch auf die Branchenkenntnis des Rechtsschutzversicherers an, weil es sich oft um schwierige, komplexe und langwierige Verfahren handelt.

Sich beraten lassen

Zusammenfassung: Lassen Sie sich unbedingt beraten! Wer beim Rechtsschutz „alles drin“ verspricht, ist kaum vertrauenswürdig, denn das gibt es eben nicht. Vielmehr gilt es, eine individuell angepasste Absicherung mit dem passgenauesten Umfang zu entwickeln und dafür den geeignetsten Versicherer zu finden.


Sven Fuhrmeister


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