Möglicherweise erhöhtes kindliches Krebsrisiko

PRAC empfiehlt Zulassung von 17-Hydroxyprogesteron zurückzuziehen

Stuttgart - 21.05.2024, 13:45 Uhr

Die Risiken überwiegen den Nutzen, daher soll 17-Hydroxyprogesteron seine Zulassung verlieren. (Foto: Yakobchuk Olena / AdobeStock)

Die Risiken überwiegen den Nutzen, daher soll 17-Hydroxyprogesteron seine Zulassung verlieren. (Foto: Yakobchuk Olena / AdobeStock)


17-Hydroxyprogesteroncaproat könnte bei exponierten Kindern möglicherweise zu einem erhöhten Krebsrisiko führen. Auch die Wirksamkeit beim Verhindern von Frühgeburten konnte nicht belegt werden. Daher soll der Wirkstoff laut dem europäischen PRAC seine Zulassung verlieren.

Der Pharmakovigilanz-Ausschuss für Risikobewertung (Pharmacovigilance Risk Assessment Comittee, PRAC) der Europäischen Union empfiehlt, die Zulassung für 17-Hydroxyprogesteroncaproat zurückzuziehen. Der Wirkstoff, der dafür zugelassen ist, Frühgeburten zu verhindern, könnte möglicherweise bei den im Mutterleib exponierten Kindern das Krebsrisiko erhöhen, so die Schlussfolgerung in einem Review des PRAC. Außerdem sei 17-Hydroxyprogesteroncaproat nicht effektiv, um Frühgeburten zu verhindern. Auch bei anderen zugelassenen Indikationen sei der Arzneistoff möglicherweise nicht wirksam.

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17-Hydroxyprogesteroncaproat ist in einigen EU-Ländern zugelassen, um Frühgeburten bei Frauen zu verhindern, die bereits eine Frühgeburt hatten: in Österreich, Frankreich und Italien unter den Handelsnamen Proluton Depot, Progesteron Retard Pharlon und Lentogest, in Deutschland sind keine Präparate am Markt. Auch bei anderen gynäkologischen Erkrankungen kann das injizierbare künstliche Gestagen eingesetzt werden.

Umfassender Review zur Sicherheit und Wirksamkeit 

Das PRAC hat in einem Review die Ergebnisse mehrerer Studien zusammengefasst und bewertet. In einer der Studien wurden Menschen, die im Mutterleib Hydroxyprogesteron ausgesetzt waren, 50 Jahre lang nachbeobachtet: Es zeigte sich, dass sie wahrscheinlich ein höheres Risiko hatten, an Krebs zu erkranken, als die nicht-exponierte Kontrollgruppe. Es wurden jedoch nur wenige Krebsfälle in der Studie gezählt, was die statistische Aussagekraft schmälert. Von 18.751 Kindern waren 234 dem Arzneistoff in utero ausgesetzt gewesen. Von den Exponierten erkrankten 23 während der Studienlaufzeit an Krebs; in der Kontrollgruppe 985. Der Median des Erkrankungsalters war in beiden Gruppen ähnlich und lag bei 45 Jahren. Das PRAC sieht es als möglich an, dass 17-Hydroxyprogesteron das Krebsrisiko erhöht.

In einer anderen Arbeit wurde untersucht, wie gut der Arzneistoff Frühgeburten verhindern kann. Mehr als 1700 schwangere Frauen, bei denen schon einmal eine Frühgeburt aufgetreten war, nahmen an der Untersuchung teil. 17-Hydroxyprogesteron verhinderte demnach Frühgeburten oder medizinische Komplikationen aufgrund von Frühgeburten bei Neugeborenen nicht besser als Placebo. In der Verumgruppe erlitten 11% eine Frühgeburt vor der 35 Schwangerschaftswoche, in der Kontrollgruppe 11,5% (n = 578). Auch in anderen Studien wurde dies beobachtet, wie das PRAC in einer Mitteilung schreibt.

Andere Progesterone, die anders wirken als 17-Hydroxyprogesteron, sind von der PRAC-Mitteilung nicht betroffen.


Angesichts der Bedenken über das mögliche Krebsrisiko bei Menschen, die im Mutterleib Hydroxyprogesteron ausgesetzt sind, und der Daten über die Wirksamkeit bei den zugelassenen Verwendungen ist der PRAC der Ansicht, dass der Nutzen bei keiner der zugelassenen Verwendungen seine Risiken überwiegt. Der Ausschuss empfiehlt daher die Aussetzung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen dieser Arzneimittel.

Der PRAC in einer Mitteilung vom 17. Mai 2024


Literatur

Blackwell SC et al. 17-OHPC to Prevent Recurrent Preterm Birth in Singleton Gestations (PROLONG Study): A Multicenter, International, Randomized Double-Blind Trial. Thieme E-Journals 2020, doi: 10.1055/s-0039-3400227

Hydroxyprogesterone caproate-containing medicinal products – referral. European Medicines Agency (europa.eu)

Murphy CC et al. In utero exposure to 17α-hydroxyprogesterone caproate and risk of cancer in offspring. Am J Obstet Gynecol 2023, doi: 10.1016/j.ajog.2021.10.035)

Nonnenmacher A. Progesteron zur Prävention der Frühgeburt. Springer, Der Gynäkologe 16 Juni 2012)


Juliane Russ, M.Sc., DAZ-Redakteurin
jruss@dav-medien.de


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