Problematische Idee zur Honorarumverteilung: Teil 2 der Analyse

Fehlanreize und allenfalls kurzfristige Vorteile für einzelne Apotheken

22.05.2024, 17:50 Uhr

Die Vorschläge der Kassen werden in den Augen von DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn die langfristige Unterfinanzierung des Systems nicht beheben. (Foto: MAGO / Funke Foto Services)

Die Vorschläge der Kassen werden in den Augen von DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn die langfristige Unterfinanzierung des Systems nicht beheben. (Foto: MAGO / Funke Foto Services)


Der Referentenentwurf zur Apothekenreform lässt weiter auf sich warten. Stattdessen hat nun der GKV-Spitzenverband Vorschläge zu den Apotheken gemacht. Kern ist eine Umverteilung des Honorars, um die ländliche Versorgung zu stärken. Zudem äußern sich die Kassen zu den geplanten Honorarverhandlungen. Im zweiten Teil seiner Analyse befasst sich DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn unter anderem mit potenziellen Fehlanreizen und Parallelen und Unterschieden zu den Honorarvorschlägen des Ökonomen Georg Götz. 

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In einem weiteren Abschnitt des Papiers geht der GKV-Spitzenverband auf die vom BMG vorgeschlagenen Verhandlungen zu den Apothekenhonoraren für die Zeit ab 2027 ein. Der GKV-Spitzenverband fordert dazu eine neue Datengrundlage und versucht offenbar einige Rahmenbedingungen festzulegen. Es müsse um alle krankenkassenrelevanten Vergütungskomponenten und nicht nur um den Festzuschlag gehen. Der GKV-Spitzenverband erklärt, eine Kopplung des Fixums an Indizes wie den Verbraucherpreisindex und die Grundlohnsumme stünde „im Widerspruch zu einer leistungs- und sachgerechten Vergütung“, begründet dies aber nicht. Weiter heißt es, eine Quersubventionierung anderer Leistungen müsse ausgeschlossen werden. Dabei wird auf den OTC-Bereich verwiesen, was offenbar auf das zentrale Problem der Kostenverrechnung im sogenannten 2hm-Gutachten abzielt, das 2018 für Schlagzeilen gesorgt hatte.

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Parallelen und Unterschiede zum Götz-Gutachten

Die größte Beachtung innerhalb des Papiers dürfte der Vorschlag zur Umverteilung erhalten, zumal dieses Thema kürzlich auch von anderer Seite aufgegriffen wurde. Beim DAV-Wirtschaftsforum hatte Professor Georg Götz ebenfalls eine Umverteilung vorgeschlagen – sein Gutachten liegt allerdings bei der ABDA unter Verschluss. Anders als der GKV-Spitzenverband hatte Götz das (relativ einfach lösbare) Problem, die Gleichpreisigkeit zu sichern, erst auf Nachfrage thematisiert. Anders als der GKV-Spitzenverband hatte Götz aber Szenarien betrachtet, bei denen absatzstarke Apotheken für die ersten Packungen hohe Zuschläge und nur für Packungen oberhalb bestimmter Grenzen geringere Zuschläge erhalten. Außerdem hatte Götz insbesondere Szenarien untersucht, bei denen zusätzliche Mittel in unterschiedlicher Weise an die Apotheken verteilt werden. Selbstverständlich würden zusätzliche Mittel das Apothekensystem stärken.

Analyse: Unklarheiten, Fehlanreize und fehlende Einsicht in steigende Kosten

Doch im Unterschied zu Götz setzt das Papier des GKV-Spitzenverbandes ausschließlich darauf, die bisherigen Mittel anders zu verteilen. Der GKV-Spitzenverband akzeptiert offenbar noch immer nicht den grundsätzlichen Effekt steigender Kosten und die Notwendigkeit, Personal in Zeiten des Fachkräftemangels höher als früher zu honorieren. Mit der Idee, den Festzuschlag zugunsten des Notdienstes zu senken, verkennt der GKV-Spitzenverband, dass das Notdiensthonorar eingeführt wurde, weil das Fixum so niedrig ist, dass sich daraus nicht einmal mehr der Notdienst finanzieren lässt. Ein Mangel lässt sich aber nicht dadurch beheben, dass an anderer Stelle ein neuer Mangel geschaffen wird. Das genaue Konzept der vorgeschlagenen Umverteilung bleibt angesichts unklarer Formulierungen vage. 

Einige Probleme lassen sich dennoch deutlich erkennen. Zunächst irritiert die durch keine empirische Betrachtung gestützte Voraussetzung, dass absatzschwache Apotheken zwangsläufig versorgungsrelevant sein müssten. Hinzu kommen drohende Fehlanreize. Wenn beim Sprung über eine bestimmte Absatzschwelle der Verlust des Versorgungsbonus droht, würden sich ländliche Apotheken nicht mehr bemühen, weiter entfernte Patienten mit einem Botendienst zu versorgen. Außerdem könnten Filialverbünde Rezepte zwischen Filialen verschieben, um den Bonus zu optimieren. Viele Effekte hingen von der gesetzten Absatzschwelle ab. Dies wäre anders, wenn alle Rezepte bis zu einer bestimmten Anzahl in allen Apotheken gleich und erst oberhalb der Grenze unterschiedlich behandelt würden. Bei allen Ansätzen für eine gestaffelte Vergütung und auch beim Versuch besonders versorgungsrelevante Apotheken zu definieren, stellt sich allerdings die Frage, ob das Ergebnis den organisatorischen Aufwand und die drohenden Fehlanreize rechtfertigt. Viel einfacher und vermutlich zielführender erscheint die ABDA-Forderung nach einem Pauschalhonorar für alle Apotheken als Entgelt für die Infrastruktur. Auch in diesem Fall bleibt jedoch die zentrale Herausforderung, dass das System für die Zukunft mehr Geld braucht. Das Pauschalhonorar müsste also zusätzlich fließen.

Fazit: Langfristige Unterfinanzierung wird nicht behoben

Ähnlich wie seit vielen Jahren die Umverteilung durch Schließungen würde eine Umverteilung durch eine Honorarreform allenfalls kurzfristige Vorteile für einzelne Apotheken schaffen, aber die langfristige Unterfinanzierung des Systems nicht beheben. Eine Honorarreform, die – wie hier – das Honorar vieler Apotheken kürzt, würde die Unterfinanzierung auf keinen Fall beheben, sondern die Lage sicherlich verschlechtern.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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