Problematische Idee zur Honorarumverteilung: Teil 1 der Analyse

GKV: Honorarkürzung soll Apotheken stärken

22.05.2024, 07:00 Uhr

Apotheken in Innenstadtlagen müssen in den Augen des GKV-Spitzenverbandes nicht gestärkt werden. (Foto: IMAGO / Hanno Bode)

Apotheken in Innenstadtlagen müssen in den Augen des GKV-Spitzenverbandes nicht gestärkt werden. (Foto: IMAGO / Hanno Bode)


Der GKV-Spitzenverband hat sich mit neuen Vorschlägen zu den Apotheken zu Wort gemeldet. Im Kern geht es dabei um eine Umverteilung beim Honorar. Offenbar soll der prozentuale Zuschlag für Rx-Arzneimittel reduziert und das Geld auf absatzschwache Apotheken verteilt werden. Angeblich soll das die ländliche Versorgung stärken. Viele Apotheken hätten dann aber weniger Geld als bisher zur Verfügung. DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn stellt die Zusammenhänge in einer Analyse dar. 

Die Idee der Umverteilung bei der Apothekenhonorierung führte lange Zeit ein Schattendasein, aber seit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen solchen Ansatz vorgeschlagen hat, scheint ein Wettstreit um solche Ideen ausgebrochen. 

Die Umverteilung spielt auch eine zentrale Rolle in den neuesten Vorschlägen des GKV-Spitzenverbandes zu den Apotheken. Der GKV-Spitzenverband bezieht sich ausdrücklich auf die Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), geht aber darüber hinaus. Beispielsweise nennt der GKV-Spitzenverband auch „alternative Abgabeformen“ und die „automatisiert unterstützte Abgabe von Arzneimitteln und Beratung“.

Deckelung des prozentualen Honorars gefordert

Zentraler Aspekt in den Ansätzen des GKV-Spitzenverbandes ist eine Vergütungsreform, die die flächendeckende Versorgung stärken soll. Demnach sei die Senkung des variablen Vergütungsanteils zu begrüßen – gemeint ist die vom BMG vorgesehene Reduktion des Zuschlags auf den Preis der Rx-Fertigarzneimittel von drei auf zwei Prozent. In den Eckpunkten des BMG heißt es dazu, der prozentuale Zuschlag bleibe „auch weiterhin ungedeckelt“. Dazu verweist das BMG auf die nötige Kostendeckung für preisbezogene Kosten. 

Der GKV-Spitzenverband fordert dagegen zusätzlich eine Deckelung des variablen Zuschlags und erklärt, der variable Zuschlag bei Hochpreisern stehe nicht in Relation zum tatsächlichen Aufwand, auch nicht angesichts der „Handelsrisiken“. Von der Finanzierung in Abhängigkeit vom mittlerweile beachtlichen Zinsniveau und von umsatzabhängigen Beiträgen und Prämien ist hier keine Rede. Dass viele Apotheken dann Hochpreiser nicht mehr finanzieren könnten und welche Konsequenzen das für die Versorgung hätte, bleibt auch unerwähnt.

Ziel: Stärkung bedarfsnotwendiger Apotheken

Die Eckpunkte des BMG sehen vor, als Kompensation für den sinkenden prozentualen Zuschlag den Festzuschlag zu erhöhen. Der GKV-Spitzenverband argumentiert jedoch, dies würde insbesondere großstädtische Apotheken mit hoher Kundenfrequenz und Versandapotheken stärken, aber die Mittel seien „zur Stärkung bedarfsnotwendiger Apotheken auf dem Land“ notwendig. Die Umverteilung solle daher stärker an Bedarfskriterien ausgerichtet werden. 

Dafür führt der GKV-Spitzenverband zwei Punkte an. Der erste Punkt ist die „Einführung eines Finanzierungsmechanismus, der Apotheken stärkt, die eine flächendeckende Versorgung sicherstellen“. Dazu biete sich ein „Abgleich“ mit der Zahl der Notdienste an, weil mehr Notdienste auf einen höheren Versorgungsbedarf hinweisen würden. Dazu solle der Notdienstbedarf anhand bundeseinheitlicher Standards justiert und die Notdienstverteilung länderübergreifend geplant werden.

Aus dem Kontext kann geschlossen werden, dass dann der Notdienstzuschlag erhöht werden soll – das wird jedoch an dieser Stelle nicht erwähnt. In einem anderen Abschnitt des Papiers fordert der GKV-Spitzenverband, Mittel zur Erhöhung der Notdienstvergütung aus der Absenkung des Festzuschlags zu gewinnen und diese umzuverteilen.

Unterschiedliches Fixhonorar abhängig von der Packungszahl

Der logische Zusammenhang zum zweiten Punkt der bedarfsorientierten Honorierung bleibt unklar. Zunächst werden „zwei Schritte“ angekündigt, also eine Abfolge. Demnach könnte die Notdienstzahl als Maß für die Honorarverteilung im zweiten Schritt dienen. 

Der zweite Punkt beginnt hingegen mit dem Hinweis, „gleichzeitig“ (also nicht als folgender Schritt) solle eine „stärkere Umverteilung zu flächenversorgenden Apotheken durch ein degressiv ausgestaltetes Fixum“ stattfinden. Es wird nicht ausdrücklich erwähnt, dass dabei die Mittel aus der Senkung des prozentualen Zuschlags eingesetzt werden sollen, aber der Kontext legt dies nahe. Die Umverteilung könne „unter Beibehaltung des einheitlichen Apothekenverkaufspreises“ über den Nacht- und Notdienstfonds abgewickelt werden. 

Der Festzuschlag auf den Preis von Rx-Arzneimitteln solle dann in einen Grundbestandteil und eine zusätzliche Komponente, einen möglicherweise gestaffelten „Versorgungsbonus“, aufgeteilt werden. Den Grundbestandteil sollen alle Apotheken erhalten, den Versorgungsbonus hingegen nur Apotheken, „die nur eine geringe Anzahl Packungen abgeben und damit die flächendeckende Versorgung sicherstellen“.

Honorarkürzung wird als Stärkung dargestellt

Offenbar setzt der GKV-Spitzenverband eine feste Verknüpfung zwischen geringen Packungszahlen und hoher Versorgungsrelevanz voraus. Darauf stützt sich die Argumentation zur Förderung der Landapotheken. Doch umsatzstarke Landapotheken, die große Gebiete versorgen, würden dann nicht als versorgungsrelevant gelten, wohl aber kleine Stadtapotheken an ungünstigen Standorten. 

Es bleibt auch offen, welche Bedeutung dabei das Kriterium der Notdienstzahl haben soll. Wenn die hier vorgenommene Auslegung der teilweise unklaren Formulierungen zutrifft, bleibt als größtes Problem allerdings, dass viele Apotheken bei diesem Vorschlag deutlich weniger als bisher honoriert würden. Apotheken, die vom Fixum nur das Grundhonorar erhalten, würden dann wohl einen Prozentpunkt beim prozentualen Zuschlag einbüßen und dafür keine Kompensation erhalten.

Damit bleibt die zentrale Frage, wie der GKV-Spitzenverband eine so massive Honorarsenkung als „Stärkung der niedergelassenen Apotheken“ bezeichnen kann. Außerdem würden alle Apotheken durch die Deckelung des prozentualen Zuschlags belastet.

Rahmen für Honorarverhandlungen und Parallelen zum Götz-Gutachten


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


3 Kommentare

Ökonomischer Sachverstand?

von Thomas Trautmann am 23.05.2024 um 8:09 Uhr

Nun ja, Apotheken-Bashing ist ja gerade so was von "in". Der GKV-Vorständin Stoff-Ahnis, die das rausgehauen hat, fehlt ja genau dieser. Soweit ich weiß, ist BWL oder ähnliches nicht Bestandteil des Jurastudiums. Sie müsste aber auch wissen, das Unwahrheiten auch rechtliche Konsequenzen haben können. (sinngemäß "GKV-Gelder subventionieren OTC-Produkte")

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Umverteilung

von Peter Hoffmeister am 22.05.2024 um 18:34 Uhr

Wieviel Unsinn müssen wir uns noch anhören, noch dazu von Leuten, die echte Arbeit kaum kennen und von dem, was sie neu regeln wollen keine Ahnung haben?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ganz genau.

von Karl Friedrich Müller am 22.05.2024 um 10:17 Uhr

Nun stärken wir mal die GKV. Beiträge und Gehälter kürzen auf den Stamd von 2004.
wie kann man es sich erlauben, so einen Stuss abzusetzen!
Unfassbar.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.