Folgen für Fertilität, Stoffwechsel und Gefäße

PCOS – weit mehr als eine Zyklusstörung

23.05.2024, 07:00 Uhr

Beim PCOS sind die Follikel im Eierstock oft perlschnurartig („string of pearls“) peripher ausgerichtet. (Symbolfoto: licvin / AdobeStock)

Beim PCOS sind die Follikel im Eierstock oft perlschnurartig („string of pearls“) peripher ausgerichtet. (Symbolfoto: licvin / AdobeStock)


Das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) wird bei über 10 % aller Frauen im reproduktiven Lebensalter diagnostiziert und ist damit deren häufigste hormonelle Störung. Der Fokus auf die Ovarien greift zu kurz – die betroffenen Frauen tragen hohe metabolische und kardiovaskuläre Risiken. Daher handelt die aktualisierte internationale Leitlinie zum PCOS nicht nur von Zyklusstörungen, sondern von einem kompletten metabolischen Syndrom. 

Die klassische Beschreibung einer Trias aus Hirsutismus, Amenorrhö und Ovarienveränderungen lieferten schon 1935 die Amerikaner Dr. Irving F. Stein und Dr. Michael Leventhal (Amenorrhea associated with polycystic ovaries). Besser bekannt ist das Stein-Leventhal-Syndrom heute als polyzystisches Ovar- oder Ovarialsyndrom (englisch polycystic ovary syndrome, PCOS). 

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Klinisch auffällig und belastend für die betroffenen Frauen ist zunächst der Androgenexzess, der zu einem männlichen Behaarungsmuster inklusive Haarausfall und Akne führen kann, sowie die Zyklusstörungen, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Durch den Rotterdam-Konsensus im Jahr 2003 wurde als Diagnosekriterium die im vaginalen Ultraschall sichtbare, typische polyzystische Morphologie der Eierstöcke ergänzt [1]. Laut der 2023 publizierten aktualisierten internationalen Leitlinie zum polyzystischen Ovarialsyndrom kann alternativ zur Sonografie das Anti-Müller-Hormon (AMH) als Marker für den ovariellen Follikelpool herangezogen werden [2].

Ein heterogenes Krankheitsbild

Der Begriff PCOS ist also aus der modernen Bildgebung abgeleitet, greift aber durch die Fixierung auf die Reproduktionsorgane zu kurz. Es handelt sich bei der chronischen Erkrankung, wie schon von Stein und Leventhal erahnt, um eine komplexe Hormonstörung mit gravierenden Auswirkungen auf die Fertilität, aber auch den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf-System und die Psyche, wie man heute weiß (s. Abb. 1). Kaum eine Frau hat aber alle Symptome. Diagnose und Therapie des PCOS beschränken sich nicht auf die reproduktive Lebensphase, sondern erstrecken sich von der Adoleszenz bis in die Postmenopause.

Abb. 1: Pathophysiologie des PCOS: Das wichtigste pathophysiologische Agens ist die Insulin-Resistenz. Freies Insulin wirkt als ko-gonadotropes Hormon auf die Ovarien und auf die Nebennierenrinde und stimuliert dort die Androgenausschüttung. Insulin bewirkt zudem im Hypophysenvorderlappen eine erhöhte Ausschüttung des luteinisierenden Hormons (LH), das als Gonadotropin ebenfalls die Androgenbildung steigert. Neben der doppelten Stimulation der Androgene senkt Insulin in der Leber die Bildung des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG), sodass mehr freies Testosteron im Blut zirkuliert. Durch die, entgegen dem Zyklus, kontinuierlich hohen LH-Spiegel werden Eizellen zu früh mit LH konfrontiert, das unter anderem die Ovulation auslöst. Die Eizellen bleiben unreif, es kommt seltener zu einem Eisprung und die Monatsblutung bleibt häufiger aus [4].

Die Bedeutung für die reproduktive Gesundheit ist immens: Frauen mit PCOS benötigen mehr Zeit und häufiger medizinische Maßnahmen zur Erfüllung ihres Kinderwunsches. Zwar gibt es eine Vielzahl therapeutischer Optionen, von der medikamentösen ovariellen Stimulation bis hin zur assistierten Reproduktion, sodass Frauen mit und ohne PCOS heute, kumulativ betrachtet, ihren Kinderwunsch vergleichbar oft erfüllen können. Aber die Risiken für Komplikationen wie Präeklampsie, Fehl- und Frühgeburtlichkeit sowie Gestationsdiabetes sind bei Schwangeren mit PCOS signifikant erhöht, was auch in der neuen Leitlinie explizit herausgestellt wird. Es ist sogar wahrscheinlich, dass ein PCOS über die aktuelle Morbidität hinaus auch wesentlich die Gesundheit der Nachkommen determiniert. „Zusätzlich ist von epigenetischen Faktoren auszugehen, die sich bereits perikonzeptionell sowie während der frühen intrauterinen Entwicklung transgenerational auf die spätere reproduktive und metabolische Gesundheit der Nachkommen auszuwirken scheinen“, erklärt Prof. Dr. Barbara Sonntag vom Facharztzentrum für Kinderwunsch, pränatale Medizin, Endokrinologie und Osteologie in Hamburg [3].

Hand in Hand: Metabolisches Syndrom und PCOS

Die Ätiologie des PCOS ist nach wie vor unklar; neben genetischen und epigenetischen Faktoren spielen auch Lebensstil und Ernährung eine Rolle. „Sowohl die Schwangerschaftskomplikationen als auch später auftretende kardiovaskuläre Erkrankungen sind ganz wesentlich auf die mit dem PCOS assoziierten, kardiovaskulären und metabolischen Risikofaktoren zurückzuführen“, sagt Prof. Dr. Sonntag. Die Relevanz von Übergewicht und Insulin-Resistenz für die Pathogenese und die Progression der Erkrankung verdeutlicht die aktualisierte Leitlinie [2]. Eine zentrale Rolle weist sie der Adipositas zu, von der rund die Hälfte der Patientinnen betroffen ist. Adipositas verstärkt wechselseitig die Interaktion zwischen kardio-metabolischen Risikofaktoren, individueller Ernährung, körperlicher Aktivität und psychischen Komorbiditäten. Im Ergebnis tritt bei PCOS ein Typ-2-Diabetes 3- bis 5-fach häufiger auf, eine Fettleber 2-fach und ein Bluthochdruck 1,7-fach häufiger als bei gesunden Frauen. „Es kann nicht verwundern, dass Beobachtungsstudien bei Frauen mit PCOS ein 1,1- bis 4-fach höheres Risiko für ischämische Herzerkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall und die kardiovaskuläre Gesamtmortalität finden“, sagt die Internistin und Endokrinologin Dr. Cornelia Jaursch-Hancke, Wiesbaden [4]. 

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Noch wird diskutiert, inwieweit sich diese Endpunkte auch unabhängig von der Adipositas dem PCOS zuschreiben lassen; Insulin-Resistenz und Dyslipidämie sind bei PCOS auch gewichtsunabhängig zu beobachten. „Wir sehen viele schlanke PCOS-Patientinnen mit einer Insulin-Resistenz“, so Jaursch-Hanke. Laut einer aktuellen Metaanalyse ist die Adipositas jedoch als ausschlaggebend für das erhöhte kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko bei Frauen in den Wechseljahren anzunehmen [5]. Die in der reproduktiven Lebensphase dominanten Symptome der Zyklusstörung und des unerfüllten Kinderwunsches geraten in den Wechseljahren in den Hintergrund, während sich das altersabhängige Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht.

Präzisierte Diagnosekriterien

Seit dem Rotterdam-Konsensus von 2003 wird das PCOS durch drei Hauptmerkmale definiert, von denen zwei für die Diagnosestellung ausreichen, sofern andere Ursachen ausgeschlossen sind [1, 2].

Klinische und/oder biochemische Zeichen des Hyperandrogenismus:

  • Hirsutismus, beurteilt nach dem Ferriman-Gallwey-Schema (Score > 8),
  • Hyperandrogenämie: Messung von Testosteron, seinem Prohormon Dehydroepiandrosteron (DHEA), Dihydrotestosteron, Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) und weiteren androgenen Steroiden. Für eine aussagekräftige Labor-Biochemie müssen kombinierte orale Kontrazeptiva mindestens drei Monate abgesetzt werden, da sie das Sexualhormon-bindende Globulin erhöhen und Androgene senken.

Zyklusstörungen mit Oligo-/Anovulation:
Hier präzisiert die Leitlinie von 2023 die Definitionen. Als normal gelten bei jungen Frauen (ein bis drei Jahre nach der Menarche) Zykluslängen von 21 bis 45 Tagen, danach bis zur Perimenopause Zyklen von 21 bis 35 Tagen. Als irregulär gelten Zyklen außerhalb dieser Intervalle, Abstände größer als 90 Tage oder weniger als acht Zyklen pro Jahr.

Polyzystische Ovarien im vaginalen Ultraschall:
Die 2023er-Leitlinie führt als Schwelle für die PCOS-Diagnose bei Erwachsenen > 10 Follikel in zumindest einem Eierstock oder ein Ovarvolumen > 10 ml ein. Ein weiteres Novum ist die alternative Bestimmung des Anti-Müller-Hormons (AMH) als Marker für den ovariellen Follikelpool bei erwachsenen Frauen (s. Kasten „Exkurs: Was macht das Anti-Müller-Hormon?“). Ultraschall- und AMH-Untersuchung erübrigen sich, wenn irreguläre Zyklen und Zeichen des Hyperandrogenismus festgestellt worden sind. Das heißt, eine Diagnosestellung ist auch ohne die namensgebenden polyzystischen Ovarien möglich. Bei Jugendlichen sollen weder die vaginale Sonografie noch die AMH-Messung wegen mangelnder Validität verwendet werden.

Exkurs: Was macht das Anti-Müller-Hormon?

Das zu den Glykoproteinen gehörende Proteohormon AMH hat in der Embryonalentwicklung eine entscheidende Bedeutung für die Geschlechtsdifferenzierung. Bei der erwachsenen Frau stellt es einen Marker für die Eizellenreserve und die Fertilität dar.

Im männlichen Embryo leitet AMH durch Rückbildung der Müller-Gänge die Entwicklung der Hoden ein; der weibliche Embryo bildet kein AMH, in der Folge entstehen aus den Müller-Gängen die inneren weiblichen Geschlechtsorgane.

Mit Beginn der weiblichen Pubertät wird AMH in den Eierstöcken gebildet. Seine Aufgabe besteht darin, der jeweils größten und am besten entwickelten Eizelle zum „Sprung“ in den Eileiter zu verhelfen. Insgesamt liegen beim Erreichen der Pubertät etwa 500.000 Follikel oder unreife Eizellen vor, von denen im Laufe der fruchtbaren Jahre 400 bis 500 zum Eisprung gelangen. Jeden Monat reifen aus Follikeln 15 bis 20 reife Eizellen heran. Zwischen der Anzahl reifungsfähiger Eizellen und dem AMH-Spiegel besteht eine direkte Korrelation. In der fertilen Lebensphase der Frau liegen die AMH-Serumspiegel bei 1 bis 10 ng/ml, ab dem 30. Lebensjahr sinken sie; daher kann das Anti-Müller-Hormon zur Fertilitätsdiagnostik verwendet werden (< 1 ng/ml = eingeschränkte Ovarialreserve) [6].

Wegen der zahlreichen Follikel sind bei PCOS die AMH-Spiegel im Blut jedoch erhöht. „Das Problem ist aber, dass wir keine validen AMH-Normalwerte haben“, erklärt die Endokrinologin Dr. Jaursch-Hanke. „Seine Konzentration ist nicht nur altersabhängig, sondern wird von vielen Faktoren beeinflusst, u. a. vom Körpergewicht, vom Menstruationszyklus und von der Einnahme der Pille.“ Daher soll AMH bei Erwachsenen nicht als alleiniges Diagnosekriterium verwendet werden und in der Adoleszenz überhaupt nicht [2, 4].

Betreuung von Frauen mit PCOS

Die Leitlinie von 2023 fordert für die Behandlung des PCOS ein lebenslanges Konzept, das die verschiedenen Facetten der Hochrisikokrankheit adressieren sollte: reproduktive Probleme und metabolische und kardiovaskuläre Risikofaktoren ebenso wie dermato­logische, schlafbezogene und psychologische Aspekte. Es wird empfohlen, sich schon vor der Empfängnis auf kardiometabolische Risikofaktoren und einen gesunden Lebensstil zu konzentrieren [1]. Konkret heißt das für Frauen mit PCOS-Diagnose:

  • Überprüfung des Glucosestoffwechsels (Nüchternblutzucker, HbA1c, oraler Glucosetoleranztest) bei Diagnosestellung, danach alle ein bis drei Jahre, abhängig von weiteren Risikofaktoren
  • Blutdruckmessung mindestens jährlich sowie bei Kinderwunsch oder einer geplanten Fertilitätsbehandlung
  • Lipidprofil erstellen (Gesamtcholesterol, LDL, HDL, Triglyceride) bei Diagnosestellung; wiederholen je nach Ergebnis und weiteren Risikofaktoren
  • Motivierung zu Gewichtskontrolle, körperlicher Aktivität, gesunder Ernährung und gegebenenfalls einer bilanzierten Diät

Im Blick zu behalten sind auch Schlafstörungen (obstruktive Schlafapnoe), Essstörungen, depressive und Angstsymptome, die allesamt bei Frauen mit PCOS häufiger sind. Prämenopausal besteht ein erhöhtes Risiko für Endometriumkrebs, wobei das absolute Risiko gering bleibt.

PCOS-Therapie ohne Kinderwunsch

Die meisten in der Leitlinie evidenzbasiert empfohlenen Arzneimittel haben zur Therapie des PCOS keine Zulassung. Ihr Off-Label-Einsatz erfordert vom Arzt eingehende Aufklärung der Patientinnen über Risiken und Nebenwirkungen. Die spezifische Therapie des PCOS erfolgt entsprechend der Symptomatik, den Risiken und den individuellen Zielen. Maßgeblich bei Letzteren ist der Stand der Familienplanung. Haben Frauen mit PCOS aktuell keinen Kinderwunsch, stehen als Therapieziele die Zyklusregulation und die Behandlung der androgen bedingten Symptome im Vordergrund, sekundär auch die Optimierung der Insulin-Empfindlichkeit mit Metformin, erklärt Prof. Dr. Nina Rogenhofer, stellvertretende Leiterin des Hormon- und Kinderwunschzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) [7]. Zur Therapie von Zyklusstörungen und Hyperandrogenismus werden in erster Linie kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) empfohlen, präferenziell in niedriger Dosierung. Ethinylestradiol-Dosen über 30 µg zeigen keine bessere Wirkung gegen Hirsutismus als niedrigere Dosen. „Es ist vollkommen egal, welches orale Kontrazeptivum Sie einsetzen, der Effekt scheint in der Anhebung des SHGB-Spiegels zu bestehen, und es gibt keine Überlegenheit spezifisch antiandrogener Gestagene oder spezifischer Kombinationenspillen“, sagt Jaursch-Hanke. Allenfalls wenn ein Hirsutismus nach sechs Monaten Therapie mit kombinierten oralen Kontrazeptiva und kosmetischen Maßnahmen fortbesteht, können laut Leitlinie zusätzlich spezifische Antiandrogene wie Cyproteronacetat zum Einsatz kommen.

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Die Verordnung von kombinierten oralen Kontrazeptiva muss der üblichen Nutzen-Risiko-Abwägung folgen. Thrombose-Risikofaktoren wie Hypertonie, Hyperlipidämie und Übergewicht liegen bei vielen Patientinnen mit PCOS vor; extrem hoher Blutdruck (> 160/100 mmHg), Thrombophilie und tiefe Venenthrombose in der Anamnese sind Beispiele für Kontraindikationen. Bei den für PCOS empfohlenen niedrigen Ethinylestradiol-Dosen (< 50 µg) liege das relative Risiko für eine Thrombose gegenüber der Allgemeinbevölkerung aber „nur“ um den Faktor 2 bis 3 höher (zusätzlich ca. 4 bis 10 neue Fälle pro 10.000/Jahr), so Rogenhofer, was den Einsatz der „Pille“ bei PCOS angesichts ihres Nutzens vollauf rechtfertige.

Bei metabolischen Hochrisikopatientinnen mit einem BMI > 30 kg/m2 ist es vorteilhaft, kombinierte orale Kontrazeptiva mit Metformin (off label) zu kombinieren. Der Einsatz von Metformin als „Insulin-Sensitizer“ ist trotz fehlender Zulassung bei PCOS langjährig bewährt, er zeigt positive Einflüsse auf Insulin-Resistenz (Blutzuckersenkung), Lipidprofil (Triglyceridsenkung) und Körpergewicht der Betroffenen [8].

Fertilitätssteigernde Therapie bei PCOS

Bei Patientinnen mit Kinderwunsch geht es laut Rogenhofer therapeutisch um drei Ziele:

  • schon vor Eintreten einer Schwangerschaft das metabolische Risikoprofil verbessern
  • ovulatorische Zyklen etablieren
  • die Eizellreifung verbessern

Bei anovulatorischen Zyklen infolge eines PCOS oder bei einer zentralen Regulationsstörung ist eine ovarielle Stimulation die Therapie der Wahl. Zugelassen hierfür, und seit Jahrzehnten eingesetzt, ist der Estrogenrezeptor-Modulator Clomifen. Das Racemat weist gemischte Estrogen-agonistische/-antagonistische Effekte auf; durch eine partiell antiestrogene Wirkung fördert Clomifen in der Hypophyse die Ausschüttung von follikelstimulierendem Hormon (FSH) [6]. Nachteilig ist dabei das gesteigerte Risiko von Mehrlingsschwangerschaften. Metformin kann das Ansprechen auf eine Clomifen-Stimulation verbessern oder bereits initial zu einer Zyklusregulierung eingesetzt werden. Die bei einer Unverträglichkeit von Metformin beworbenen Inositole als Nahrungsergänzungsmittel zeigen keinen vergleichbaren signifikanten Effekt [8].

Als First-line-Arzneimittel zur ovariellen Stimulation wurde Clomifen in der neuen internationalen Leitlinie zum PCOS durch den Aromataseinhibitor Letrozol abgelöst (s. Abb. 2). Letrozol (z. B. Femara®), zugelassen in der Therapie des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms, wird bei PCOS off label eingesetzt. Letrozol unterdrückt durch die Hemmung der Aromatase die periphere Biosynthese von Estrogen, was eine Senkung der Estradiol-Serumspiegel und reflektorisch eine Erhöhung der FSH-Ausschüttung durch die Hypophyse bewirkt [9]. „Die zwischenzeitlich vorliegenden positiven Studiendaten zu Letrozol belegen als Vorteile im Vergleich zu Clomifen eine erhöhte Lebendgeburtenrate und eine verminderte Mehrlingsrate“, so Rogenhofer.

Je ein Viertel der Patientinnen reagiert weder adäquat auf Clomifen noch auf Letrozol. Dann kommt eine Gonadotropin-Stimulation infrage, bei der follikelstimulierendes Hormon (FSH), luteinisierendes Hormon (LH) oder humanes Menopausengonadotropin (HMG) individuell verabreicht werden. Alle ovulationsstimulierenden Therapien sind zur Vermeidung von Mehrlingsschwangerschaften durch ein Ultraschallmonitoring zu begleiten; bei über zwei reifen Follikeln soll der Zyklus abgebrochen werden. Greift keine medikamentöse Behandlung, besteht in speziellen Zentren die Möglichkeit des „Ovardrillings“, bei dem die Oberfläche des Eierstocks perforiert wird, mit dem Ziel, dessen Volumen zu verringern und die Freisetzung der Eizelle zu befördern. Ultima ratio ist die In-vitro-Fertilisation (IVF) (s. Abb. 2) [8].

Abb. 2: Stufentherapieschema bei PCOS und Kinderwunsch: Letrozol hat in der internationalen PCOS-Leitlinie Clomifen mittlerweile als First-line-Therapieoption abgelöst, obwohl der Wirkstoff für diese Indikation eigentlich off label ist (LOD = laparoskopischer Ovardrilling, IVF = In-vitro-Fertilisation).

Die teils aufreibenden und kostenintensiven Bemühungen der Frauen mit PCOS, ihren Kinderwunsch zu erfüllen, werfen ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit der Prävention dieser folgenreichen Erkrankung. „Vor dem Hintergrund des gesamtgesellschaftlichen Anstiegs der Adipositas in den vergangenen Jahrzehnten und gleichzeitig zunehmendem Bewegungsmangel ist dringend eine Fokussierung auf präventive Strategien bereits in den frühen Lebensjahren zu fordern“, unterstreicht die Endokrinologin Prof. Dr. Barbara Sonntag. Diese Forderung soll in eine für den deutschen Raum im letzten Jahr initialisierte interdisziplinäre S2k-Leitlinie zum PCOS integriert werden. Auch wird dort angeregt werden, das PCOS als kardiovaskulären Risikofaktor in die entsprechenden Leitlinien anderer Fachgesellschaften aufzunehmen.

Literatur

[1] Revised 2003 consensus on diagnostic criteria and long-term health risks related to polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 2004;81:19-25. doi: 10.1016/j.fertnstert.2003.10.004.

[2] Teede HJ, Tay CT, Laven J, et al.: International PCOS Network. Recommendations from the 2023 International Evidence-based Guideline for the Assessment and Management of Polycystic Ovary Syndrome. Hum Reprod 2023; DOI: 10.1093/humrep/dead156

[3] Sonntag B, Das Polyzystische Ovarialsyndrom ist mehr als nur eine Zyklusstörung. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 120 | Heft 43 | 27. Oktober 2023

[4] Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke: Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS): Neue Leitlinie 2024 aus Sicht der Endokrinologie. Kongress „Innere Medizin fachübergreifend - Diabetologie grenzenlos“. München, 2.2.2024

[5] Millán-de-Meer M, Luque-Ramírez M, Nattero-Chávez L, et al.: PCOS during the menopausal transition and after menopause: a systematic review and meta-analysis. Hum Reprod Update 2023; DOI: 10.1093/humupd/dmad015

[6] Findeklee S, Grewe S, Diedrich K. Ovarielle Stimulation bei unerfülltem Kinderwunsch. Gynäkologie 2021;6

[7] Prof. Dr. med. Nina Rogenhofer. Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) aus Sicht der Gynäkologie. Kongress „Innere Medizin fachübergreifend - Diabetologie grenzenlos“. München, 2. Februar 2024

[8] Sonntag B, Segerer S, Keck C. Kinderwunsch: Beratung und Therapie in der gynäkologischen Praxis. CME Zertifizierte Fortbildung. Der Gynäkologe 2019;52:217–228, link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00129-018-4376-4.pdf


Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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