Ernährung bei Bluthochdruck

Was Apotheker über Kochsalzersatz wissen sollten

Stuttgart - 24.05.2024, 10:44 Uhr

Die DGE empfiehlt, nicht mehr als 6 g Speisesalz am Tag zu sich zu nehmen. (Foto: Daniel Täger/AdobeStoc)

Die DGE empfiehlt, nicht mehr als 6 g Speisesalz am Tag zu sich zu nehmen. (Foto: Daniel Täger/AdobeStoc)


Dass eine salzarme Ernährung Bluthochdruck und kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren kann, ist bekannt. Dabei hat der Patient die Wahl, weniger Natriumchlorid zuzuführen oder auf Koch­salzersatzprodukte umzusteigen. Welche Salze man darunter versteht, welche Produkte auf dem Markt sind, für wen diese geeignet sind und ob sie auch den gewünschten Pepp im Geschmack bringen, kann Teil der Beratung in der Apotheke sein.

Die Deutschen essen zu viel Salz. Zu diesem Schluss kamen die Autoren einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft initiierten Studie. Nach der Messung der Natriumausscheidung von knapp 7000 Probanden und der daraus geschätzten Salzaufnahme zeigte sich, dass Frauen durchschnittlich 8,4 g und Männer 10 g Kochsalz täglich zu sich nehmen. 50% der Männer und 38,5% der Frauen nahmen sogar täglich mehr als 10 g Salz auf [1]. 

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Wohlgemerkt: Für Erwachsene empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nicht mehr als 6 g Salz täglich. Denn schon seit Jahren ist bekannt, dass eine salz­arme Ernährung nicht nur den Blutdruck positiv beeinflusst, sondern auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen kann [2]. Kochsalzarme Ernährung gilt deshalb schon lange als wichtige Ergänzung zur medikamentösen Bluthochdrucktherapie. So hat eine Metaanalyse die Ergebnisse von 133 Studien zusammengefasst, in denen an 12.197 Patienten die Effekte einer Kochsalzreduktion auf den Blutdruck untersucht worden waren (s. Abb.) [3]. 

Abb. Blutdruckänderung bei Senkung der Natrium-Zufuhr um 50 mmol pro Tag. A: Abhängigkeit vom Ausgangsblutdruck, B: Abhängigkeit vom Vorliegen einer Nomotonie oder Hypertonie, C: Abhängigkeit vom Alter

Dabei zeigte sich der größte Effekt unter Kochsalzreduktion, je höher der Ausgangsblutdruck war. Ferner wirkte sich der blutdrucksenkende Effekt einer Kochsalzrestriktion stärker bei Hyper­tonikern als bei normotensiven Patienten sowie stärker bei älteren als bei jüngeren Menschen aus [4]. Neben der Reduktion der Kochsalzmenge kann die Natriumionen-Zufuhr auch durch sogenannte Salzsubstitutionsmittel reduziert werden [4]. Darunter versteht man salzig schmeckende Verbindungen, die statt Natriumionen andere Mineralstoffe wie Kaliumionen oder Magnesiumionen enthalten. Diese Verbindungen zählen als echter Kochsalzersatz und müssen in der Nährwerttabelle zwar namentlich erwähnt, aber nicht als Salz gekennzeichnet sein. Davon zu unterscheiden sind Mischungen aus Kochsalz und Kochsalzersatzmitteln sowie Gewürzmitteln, die mit Namen wie „Blutdrucksalz” ver­trieben werden. Bei diesen Mischungen kann die Natriummenge deutlich höher liegen als in den echten Substitutionsprodukten und sie müssen daher in der Nährwerttabelle als Salz deklariert werden [5]. 

Eine Auflistung verschiedener Kochsalzersatzmittel finden Sie in der Tabelle.

Tab.: Auswahl an im Handel erhältlichen Kochsalzersatzmitteln und deren Zusammensetzung, erstellt aus Produkt­informationen

Salz - (K)ein (un)gefährliches Geschmackserlebnis

Kochsalzersatzmittel unterscheiden sich zum Teil stark von echtem Kochsalz. Ihnen fehlt der würzige, rein salzige Geschmack. Stattdessen sind die enthaltenen Ersatzsalze oft metallisch und bitter. So schmecken schon Mischungen mit 25% Kaliumchlorid- oder Magnesiumchlorid-Anteil deutlich bitter. Calciumchlorid-Salze hingegen lassen sich an einem eher seifigen Geschmack erkennen. Auch bei der industriellen Verarbeitung bringen die Salzersatzprodukte einige Herausforderungen mit sich: so sind beispielsweise bei der Fleisch- und Wurstverarbeitung Probleme mit der Fettoxidation oder der Farbentwicklung möglich [6]. 

Statistisch gesehen treten Hyperkaliämien durch Salzersatzprodukte sehr selten auf [4]. Da es sich dabei jedoch um ein lebens­bedrohliches Ereignis handelt, sollte prinzipiell vor der Verwendung von Kochsalzersatz ein Arzt konsultiert werden. Insbesondere dann, wenn gleichzeitig Nieren­erkrankungen oder bestimmte Arzneimittel wie Kalium-sparende Diuretika oder Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems eingenommen werden [4].

Wie viel Salz steckt drin?

Vor allem in verarbeiteten Speisen und Fertigprodukten ist viel Salz versteckt. So enthalten 100 g Salami (etwa fünf Scheiben), 150 g Kassler oder 125 g Camembert mit jeweils drei Gramm Salz bereits die Hälfte des empfohlenen Tagesbedarfs. Wer sich salzarm ernähren möchte, sollte viel auf Milch und Joghurt (0,5 g Salz pro halber Liter), Muskelfleisch (0,1 – 0,3 g Salz pro 100 g) oder Fisch (< 0,3 g pro 100 g des Lebensmittels) zurückgreifen [2].

Natrium runter, Kalium hoch

Inzwischen weiß man, dass nicht nur eine erhöhte Natriumionen-Zufuhr, sondern auch eine unzureichende Kalium-Zufuhr Risikofaktoren für Hypertonie darstellen. Daher empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO der gesamten Bevölkerung, die tägliche Natrium-Zufuhr zu senken und die Kalium-Zufuhr zu erhöhen. Ambitioniertes Ziel bis 2025 soll es sein, in allen Staaten die durchschnittliche Natrium­ionen-Aufnahme um 30% auf maximal 2,0 g pro Tag (entspricht ca. 5,0 g Kochsalz) zu reduzieren [7]. 

Inzwischen ist klar, dass dieses Ziel wohl nicht erreicht wird. Zum einen, weil die Lebensmittelindustrie kaum auf Salzaustauschpräparate umgestellt hat. Aber auch die Bevölkerung konnte sich bisher nur schwer mit dem Geschmack von Kochsalzersatzprodukten anfreunden.

Positive Studienlage zu Kochsalzersatzprodukten

In einer gepoolten Datenanalyse konnte gezeigt werden, dass durch den Ersatz von NaCl durch KCl nicht nur das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall gesenkt wurde, sondern auch die Gesamtsterblichkeit und die kardiovaskuläre Mortalität positiv beeinflusst wurden. Der systolische Blutdruck verringerte sich im Mittel um 4,61 mmHg, der diastolische Blutdruck um 1,61 mmHg. Und das unabhängig von Wohnort, Alter, Body-Mass-Index und dem initialen Blutdruckwert [8].

Wenn es ein bisschen mehr Natriumchlorid sein darf

Ab und an wird in der Apotheke danach gefragt: Schweden­tabletten. Das Nahrungsergänzungsmittel wurde ursprünglich für Skilangläufer und Bergsteiger entwickelt und erstmals beim „Wasa-Lauf“ in Schweden eingesetzt, daher auch der Name. Das hochdosierte Präparat (250 mg NaCl pro Tablette) soll den Salzverlust beim starken Schwitzen im Leistungssport ausgleichen und so Krämpfen vorbeugen. Besonders verbreitet sind Schwedentabletten daher bei Sportlern, die Marathon, Triathlon, Radrennen, Langlauf, Bergsteigen und ähnliche Sportarten betreiben. Durch die spezielle Galenik ruft die relativ große Menge Kochsalz keine Übelkeit hervor, der Überzug erlaubt die geschmacksneutrale Einnahme. Im Leistungssport werden bei starkem Schweißverlust alle halbe Stunde vier Tabletten mit viel Flüssigkeit eingenommen [13, 14].

Neben Afrika zählt China zu den Ländern, die am meisten Kochsalz konsumieren [7]. Wenig verwunderlich, dass dort etliche Studien zur Kochsalzsubstitution stattfanden. In der Salt Substitute and Stroke Study (SSASS) wurden sogar ganze Dörfer randomisiert: ein Teil der Dörfer verwendete weiterhin Kochsalz für ihre Speisen, die Kontrollgruppe eine Mischung aus 75% NaCl und 25% KCl. Es zeigte sich, dass in der Interventionsgruppe im Zeitraum von fünf Jahren 14% weniger Schlaganfälle (29 vs. 34 pro 1000 Studienteilnehmer) auftraten. Auch waren schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (49 vs. 56 Ereignisse pro 1000 Personenjahre) und Todesfälle jeglicher Ursache (39 vs. 45 Ereignisse) in der Salzersatzgruppe deutlich seltener [8, 9]. Interessanter Aspekt der Studie: die mittlere Kochsalzzufuhr bei der untersuchten chinesischen Bevölkerung lag bei 10,75 g pro Tag. 

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Der aufmerksame Leser erinnert sich vielleicht an dieser Stelle, dass auch bei der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft initiierten Studie jeder zweite Mann und mehr als jede dritte Frau einen ähnlich hohen Salzkonsum über 10 g pro Tag aufwiesen [1, 9].

In einem kürzlich publizierten systematischen Review mit Metaanalyse haben zwei unabhängige Gutachter nach randomisierten kontrollierten Studien in den Datenbanken von unter anderem Pubmed, Embase, Cochrane gesucht, in denen Kochsalzersatz wie KCl und Co. gegen keine Intervention oder Kochsalz über mindestens sechs Monate untersucht worden war. Von den acht eingeschlossenen randomisierten Studien haben sieben in China oder Taiwan statt­gefunden. Es zeigte sich in sechs Studien (n = 27.770), dass die Probanden, die Kochsalzersatzprodukte verwendet hatten, eine geringere Gesamtsterblichkeit als die Kontrollgruppe aufwies en (Relatives Risiko [RR] = 0,83, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,73 bis 0,95). Auch war ein geringfügig gesenktes Risiko für schwere kardiale Komplikationen (Mace, major adverse cardiac event) in drei Untersuchungen mit insgesamt 23.215 Probanden ersichtlich (RR = 0,85, 95%-KI: 0,7 bis 1,0) [10].

Sind Kochsalzersatzprodukte sicher für normotensive Menschen?

Lange gab es nur wenige und kontroverse Berichte, wie sich der Gebrauch von Kochsalzersatzmitteln auf normotensive Menschen auswirkt. Mehr Licht ins Dunkle könnte eine vor wenigen Wochen veröffentlichte randomisierte Studie aus China bringen. Es handelt sich dabei um eine Post-Hoc-Analyse der Decide Salt Untersuchung, einer multizentrischen, cluster-randomisierten Studie mit 48 Altenpflege­heimen, die über zwei Jahre nachbeobachtet worden waren. 

Die Auswertung erfolgte an 611 Probanden in einem mittleren Alter von 71,4 Jahren und einem mittleren Blutdruck von systolisch 121,9 mmHg, diastolisch 74,4 mmHg. Untersucht werden sollte, wie Salzsubstitution bei normotensiven Menschen die Inzidenz für Hyper- und Hypotonie beeinflusst. Es zeigte sich, dass die Senioren, die das Kochsalzersatzprodukt (62,5% NaCl, 25% KCl, 12,5% Aromen und Spuren von Aminosäure) zum Würzen genommen hatten, eine signifikant niedrigere Inzidenz für Bluthochdruck aufwiesen als die Personen, die normales Kochsalz verwendet hatten (11,7 vs. 24,3 pro 100 Personenjahre, adjustierte Hazard Ratio [aHR] = 0,6, p = 0,02). Gleichzeitig konnte kein Anstieg an Hypotonien in der Interventionsgruppe erkannt werden (9,0 vs. 9,7 pro 100 Patientenjahre, adjustiertes relatives Risiko = 1,10). 

Insgesamt konnte unter den Ersatzprodukt-Gruppe kein Anstieg des mittleren systolischen und diastolischen Blutdrucks (-0,3 ± 11,9 bzw. 0,2 ± 7,1 mmHg) verzeichnet werden, in der Kochsalz-Gruppe hingegen schon (systolisch +7,0 ± 14,3, diastolisch 2,1 ± 7,5 mmHg). Die Autoren schlussfolgern, dass Kochsalzersatz bei älteren chinesischen Bürgern das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, senken kann, ohne dabei das Risiko für Hypotonie zu erhöhen [11].

Kochsalzsubstitution in der Praxis noch kein Usus

Trotz all dieser vielversprechenden Studienergebnisse scheint sich die Kochsalzsubstitution in der Praxis immer noch nicht durchgesetzt zu haben. In einem Review haben Wissenschaftler untersucht, inwieweit die Erkenntnisse über Nutzen und Schaden von Kalium-haltigen Kochsalz­ersatzprodukten bereits in bestehenden Leitlinien berücksichtigt wurden. 

Das Ergebnis war ernüchternd. In den 32 untersuchten Hypertonie-Leitlinien und in den 14 untersuchten Leitlinien zu chronischen Nierenerkrankungen waren die Empfehlungen durchweg inkonsistent. Die Autoren empfehlen daher den Gremien der entsprechenden Leitlinien, diese zu prüfen und mit den neuesten Erkenntnissen anzupassen, damit der Gebrauch von Kochsalzersatz sich mehr in der Bevölkerung implementiert [7]. 

Auch in der im letzten Jahr erschienenen Bluthochdruck-Leitlinie der European Society of Hypertension sehen die Autoren großes Potenzial in der Kochsalzreduktion und in der Kalium-Erhöhung. Allerdings sprechen sie keine Empfehlung für Kochsalzersatzprodukte aus, sondern verweisen vielmehr auf eine gesunde Ernährung mit Kalium-reichen Produkten wie Aprikosen, Bananen, Karotten, verschiedenen Nüssen und Fischarten [12]. |

 

Literatur

 [1] Salzzufuhr in Deutschland: Ergebnisse der DEGS- und KiGGS-Studie, Informationen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/degs-salzstudie.html, Stand: März 2024

 [2] Wer an Salz spart, beugt Herzinfarkt und Schlaganfall vor, Informa­tionen des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e. V., www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/wer-an-salz-spart-beugt-herzinfarkt-und-schlaganfall-vor.html, Stand: 5. Juni 2007

 [3] Huang L et al. Effect of dose and duration of reduction in dietary sodium on blood pressure levels: systematic review and meta-analysis of randomised trials. BMJ 2020:368:m315

 [4] Zidek, W. Kann eine Salzsubstitution oder -reduktion bei arterieller Hypertonie Arzneimittel ersetzen? Innere Medizin 2022;63:1097-1104. https://doi.org/10.1007/s00108-022-01312-0

 [5] Zählt Kochsalzersatz in der Nährwerttabelle zu Salz? Informationen der Verbraucherzentrale, www.lebensmittelklarheit.de/fragen-antworten/zaehlt-kochsalzersatz-der-naehrwerttabelle-zu-salz, Stand: 10. Juni 2022

 [6] Ditmer B. Diätsalz ‒ ein gesunder Kochsalzersatz. www.salze-online.de/diaetsalz.html, Abruf am 11. April 2024

 [7] Xu X et al. Potassium-Enriched Salt Substitutes: A Review of Recommendations in Clinical Management Guidelines.Hypertension 2024;81:400-414, https://doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.123.21343

 [8] Salzersatz mit Kaliumchlorid hat offenbar Vorteile für Herz und Gefäße. Informationen des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e.V., https://www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/salzersatz-mit-kaliumchlorid-hat-offenbar-vorteile-fuer-herz-und-gefaesse.html, Abruf am 11. April 2024

 [9] Neal B et al. Effect of Salt Substitution on Cardiovascular Events and Death. N Engl J Med 2021;385:1067-1077, DOI: 10.1056/NEJMoa2105675

[10] Greenwood H et al. Long-Term Effect of Salt Substitution for Cardiovascular Outcomes: A Systematic Review and Meta-Analysis. Annals of Internal Medicine 2024. https://doi.org/10.7326/M23-262

[11] Zhang X et al. Effect of a Salt Substitute on Incidence of Hypertension and Hypotension Among Normotensive Adults. Journal of the American College of Cardiology 2024;83(7):711-722

[12] Mancia G et al. 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension Endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA), Journal of Hypertension 41(12):p 1874-2071, December 2023. | DOI: 10.1097/HJH.0000000000003480

[13] Die Original Maria Hilf Schwedentabletten, Informationen der Kolbpharma GmbH, www.schwedentabletten.de, Abruf am 12. April 2024

[14] Mariahilf-Apotheke Schwedentabletten, Informationen der Mariahilf-Apotheke München, https://mariahilf-apotheke.de/schwedentabletten/, Abruf am 12. April 2024


Marina Buchheit-Gusmão, Apothekerin
redaktion@daz.online


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