Der aufmerksame Leser erinnert sich vielleicht an dieser Stelle, dass auch bei der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft initiierten Studie jeder zweite Mann und mehr als jede dritte Frau einen ähnlich hohen Salzkonsum über 10 g pro Tag aufwiesen [1, 9].
In einem kürzlich publizierten systematischen Review mit Metaanalyse haben zwei unabhängige Gutachter nach randomisierten kontrollierten Studien in den Datenbanken von unter anderem Pubmed, Embase, Cochrane gesucht, in denen Kochsalzersatz wie KCl und Co. gegen keine Intervention oder Kochsalz über mindestens sechs Monate untersucht worden war. Von den acht eingeschlossenen randomisierten Studien haben sieben in China oder Taiwan stattgefunden. Es zeigte sich in sechs Studien (n = 27.770), dass die Probanden, die Kochsalzersatzprodukte verwendet hatten, eine geringere Gesamtsterblichkeit als die Kontrollgruppe aufwies en (Relatives Risiko [RR] = 0,83, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,73 bis 0,95). Auch war ein geringfügig gesenktes Risiko für schwere kardiale Komplikationen (Mace, major adverse cardiac event) in drei Untersuchungen mit insgesamt 23.215 Probanden ersichtlich (RR = 0,85, 95%-KI: 0,7 bis 1,0) [10].
Sind Kochsalzersatzprodukte sicher für normotensive Menschen?
Lange gab es nur wenige und kontroverse Berichte, wie sich der Gebrauch von Kochsalzersatzmitteln auf normotensive Menschen auswirkt. Mehr Licht ins Dunkle könnte eine vor wenigen Wochen veröffentlichte randomisierte Studie aus China bringen. Es handelt sich dabei um eine Post-Hoc-Analyse der Decide Salt Untersuchung, einer multizentrischen, cluster-randomisierten Studie mit 48 Altenpflegeheimen, die über zwei Jahre nachbeobachtet worden waren.
Die Auswertung erfolgte an 611 Probanden in einem mittleren Alter von 71,4 Jahren und einem mittleren Blutdruck von systolisch 121,9 mmHg, diastolisch 74,4 mmHg. Untersucht werden sollte, wie Salzsubstitution bei normotensiven Menschen die Inzidenz für Hyper- und Hypotonie beeinflusst. Es zeigte sich, dass die Senioren, die das Kochsalzersatzprodukt (62,5% NaCl, 25% KCl, 12,5% Aromen und Spuren von Aminosäure) zum Würzen genommen hatten, eine signifikant niedrigere Inzidenz für Bluthochdruck aufwiesen als die Personen, die normales Kochsalz verwendet hatten (11,7 vs. 24,3 pro 100 Personenjahre, adjustierte Hazard Ratio [aHR] = 0,6, p = 0,02). Gleichzeitig konnte kein Anstieg an Hypotonien in der Interventionsgruppe erkannt werden (9,0 vs. 9,7 pro 100 Patientenjahre, adjustiertes relatives Risiko = 1,10).
Insgesamt konnte unter den Ersatzprodukt-Gruppe kein Anstieg des mittleren systolischen und diastolischen Blutdrucks (-0,3 ± 11,9 bzw. 0,2 ± 7,1 mmHg) verzeichnet werden, in der Kochsalz-Gruppe hingegen schon (systolisch +7,0 ± 14,3, diastolisch 2,1 ± 7,5 mmHg). Die Autoren schlussfolgern, dass Kochsalzersatz bei älteren chinesischen Bürgern das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, senken kann, ohne dabei das Risiko für Hypotonie zu erhöhen [11].
Kochsalzsubstitution in der Praxis noch kein Usus
Trotz all dieser vielversprechenden Studienergebnisse scheint sich die Kochsalzsubstitution in der Praxis immer noch nicht durchgesetzt zu haben. In einem Review haben Wissenschaftler untersucht, inwieweit die Erkenntnisse über Nutzen und Schaden von Kalium-haltigen Kochsalzersatzprodukten bereits in bestehenden Leitlinien berücksichtigt wurden.
Das Ergebnis war ernüchternd. In den 32 untersuchten Hypertonie-Leitlinien und in den 14 untersuchten Leitlinien zu chronischen Nierenerkrankungen waren die Empfehlungen durchweg inkonsistent. Die Autoren empfehlen daher den Gremien der entsprechenden Leitlinien, diese zu prüfen und mit den neuesten Erkenntnissen anzupassen, damit der Gebrauch von Kochsalzersatz sich mehr in der Bevölkerung implementiert [7].
Auch in der im letzten Jahr erschienenen Bluthochdruck-Leitlinie der European Society of Hypertension sehen die Autoren großes Potenzial in der Kochsalzreduktion und in der Kalium-Erhöhung. Allerdings sprechen sie keine Empfehlung für Kochsalzersatzprodukte aus, sondern verweisen vielmehr auf eine gesunde Ernährung mit Kalium-reichen Produkten wie Aprikosen, Bananen, Karotten, verschiedenen Nüssen und Fischarten [12]. |
Literatur
[1] Salzzufuhr in Deutschland: Ergebnisse der DEGS- und KiGGS-Studie, Informationen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/degs-salzstudie.html, Stand: März 2024
[2] Wer an Salz spart, beugt Herzinfarkt und Schlaganfall vor, Informationen des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e. V., www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/wer-an-salz-spart-beugt-herzinfarkt-und-schlaganfall-vor.html, Stand: 5. Juni 2007
[3] Huang L et al. Effect of dose and duration of reduction in dietary sodium on blood pressure levels: systematic review and meta-analysis of randomised trials. BMJ 2020:368:m315
[4] Zidek, W. Kann eine Salzsubstitution oder -reduktion bei arterieller Hypertonie Arzneimittel ersetzen? Innere Medizin 2022;63:1097-1104. https://doi.org/10.1007/s00108-022-01312-0
[5] Zählt Kochsalzersatz in der Nährwerttabelle zu Salz? Informationen der Verbraucherzentrale, www.lebensmittelklarheit.de/fragen-antworten/zaehlt-kochsalzersatz-der-naehrwerttabelle-zu-salz, Stand: 10. Juni 2022
[6] Ditmer B. Diätsalz ‒ ein gesunder Kochsalzersatz. www.salze-online.de/diaetsalz.html, Abruf am 11. April 2024
[7] Xu X et al. Potassium-Enriched Salt Substitutes: A Review of Recommendations in Clinical Management Guidelines.Hypertension 2024;81:400-414, https://doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.123.21343
[8] Salzersatz mit Kaliumchlorid hat offenbar Vorteile für Herz und Gefäße. Informationen des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e.V., https://www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/salzersatz-mit-kaliumchlorid-hat-offenbar-vorteile-fuer-herz-und-gefaesse.html, Abruf am 11. April 2024
[9] Neal B et al. Effect of Salt Substitution on Cardiovascular Events and Death. N Engl J Med 2021;385:1067-1077, DOI: 10.1056/NEJMoa2105675
[10] Greenwood H et al. Long-Term Effect of Salt Substitution for Cardiovascular Outcomes: A Systematic Review and Meta-Analysis. Annals of Internal Medicine 2024. https://doi.org/10.7326/M23-262
[11] Zhang X et al. Effect of a Salt Substitute on Incidence of Hypertension and Hypotension Among Normotensive Adults. Journal of the American College of Cardiology 2024;83(7):711-722
[12] Mancia G et al. 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension Endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA), Journal of Hypertension 41(12):p 1874-2071, December 2023. | DOI: 10.1097/HJH.0000000000003480
[13] Die Original Maria Hilf Schwedentabletten, Informationen der Kolbpharma GmbH, www.schwedentabletten.de, Abruf am 12. April 2024
[14] Mariahilf-Apotheke Schwedentabletten, Informationen der Mariahilf-Apotheke München, https://mariahilf-apotheke.de/schwedentabletten/, Abruf am 12. April 2024
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