Verbesserte Funktionsparameter und weniger Symptome bei Diabetikern

Semaglutid punktet bei Herzinsuffizienz

27.05.2024, 11:45 Uhr

Trotz geringerer Gewichtsabnahme bei Typ-2-Diabetikern mit Adipositas besserte das Inkretinmimetikum Semaglutid in einer Studie deren Herzschwäche. (Foto: IMAGO / Ulrich Roth)

Trotz geringerer Gewichtsabnahme bei Typ-2-Diabetikern mit Adipositas besserte das Inkretinmimetikum Semaglutid in einer Studie deren Herzschwäche. (Foto: IMAGO / Ulrich Roth)


Letztes Jahr gab Novo Nordisk bekannt, dass sein GLP-1-Rezeptor-Agonist Semaglutid in einer Phase-III-Studie mit adipösen Patienten nicht nur das Gewicht reduzierte, sondern auch die Symptomatik der Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion verbesserte. Neue Daten einer Parallelstudie zeigen jetzt, dass auch die Herzen von Typ-2-Diabetikern mit Adipositas von Semaglutid profitieren.

Immer mehr Menschen leiden an einer Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF). Bei dieser Krankheit pumpt das Herz zwar noch normal, die sich versteifende linke Herzkammer füllt sich aber nicht mehr ausreichend mit Blut. Das äußert sich bei den Betroffenen unter anderem in Kurzatmigkeit, eingeschränkter Müdigkeit und Wassereinlagerungen in den Beinen. Ein Grund für die zunehmenden Patientenzahlen mit HFpEF liegt in der steigenden Prävalenz von Adipositas, die bei der Entstehung dieser Form der Herzinsuffizienz mitwirkt [1]. Bereits im letzten Jahr zeigte die von Novo Nordisk finanzierte Phase-III-Studie (STEP HFpEF), dass die medikamentöse Gewichtsreduktion mit Semaglutid bei adipösen HFpEF-Patienten die Symptomatik verbesserte [2]. Parallel startete der Hersteller eine zweite Phase-III-Studie mit adipösen Typ-2-Diabetikern, deren Ergebnisse nun vorliegen (STEP HFpEF DM) [3].

Weniger Gewichtsverlust bei Typ-2-Diabetikern

Insgesamt wurden 616 Teilnehmer rekrutiert (medianes Alter 69 Jahre), die die Diagnosekriterien Typ-2-Diabetes und Adipositas (BMI > 30 kg/m2, Median 36,9 kg/m2) erfüllten. Über ein Jahr erhielten sie nach Randomisierung entweder wöchentliche Injektionen mit 2,4 mg Semaglutid (inkl. einer 16-wöchigen Auftitration) oder Placebo. Schon länger ist bekannt, dass Sema­glutid bei Typ-2-Diabetikern zu weniger Gewichtsverlust führt als bei adipösen Patienten, was diese Studie erneut bestätigt: Über den Studienzeitraum führten die Semaglutid-Injektionen zu einer Gewichtsabnahme von 9,8%. Mit Placebo verloren die Teilnehmer nur 3,4% (Differenz von 6,4%; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 5,2 bis 7,6; p < 0,001). Zum Vergleich die STEP-HFpEF-Daten mit adipösen Patienten: Ihr Körpergewicht sank mit Semaglutid um 13,3%, mit Placebo um 2,6%. Die Autoren vermuten unter anderem die anabole Wirkung von Insulin und insulinotropen Wirkstoffen dahinter.

Stärkere Herzen

Trotz geringerer Gewichtsabnahme bei Typ-2-Diabetikern mit Adipositas besserte das Inkretinmimetikum die Herzschwäche. Die Studienärzte beurteilten die Symptomatik anhand des klinischen Teils des Kansas-Cardiomyopathy-Fragebogens, mit dem Daten zu Herzinsuffizienz-bezogenen Symptomen und verschiedenen Funktionsparametern erhoben werden (KCCQ-CSS). Der Score reicht von 0 bis 100, höhere Punktzahlen zeigen weniger Symptome und körperliche Anstrengung an. Semaglutid führte zu einer Verbesserung auf der Skala um 13,4 Punkte. Mit Placebo erhöhte sich der Wert um 6,7. Die Unterschiede waren signifikant (Differenz: 7,3; 95%-KI = 4,1 bis 10,4; p < 0,001) und lagen in der gleichen Größenordnung wie STEP-HFpEF-Daten von adipösen Patienten (Semaglutid: +16,6; Placebo: +8,7; Differenz: 7,8). Die Studienautoren lesen daraus zweierlei ab: Einerseits stellt die neue Studie die Daten zu Semaglutid bei Herzinsuffizienz auf eine breitere Basis. Andererseits profitierten Diabetiker mit Adipositas in einem ähnlichen Maße von dem GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Adipöse, obwohl sie weniger Gewicht verloren. Das könnte darauf hinweisen, dass nicht nur der Gewichtsverlust allein die Symptome verbessert, sondern auch direkte kardiale Effekte des GLP-1-Rezeptor-Agonist eine mögliche Rolle spielen, so die Wissenschaftler.

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Die sekundären Endpunkte untermauern die Ergebnisse: So erhöhte Sema­glutid u. a. die zurückgelegte 6-Minuten-Gehstrecke um 12,7 Meter (Placebo: -1,6 m) und reduzierte die Blutwerte des C-reaktiven Proteins um 42,0% (Placebo: -12,8%). Semaglutid verbesserte außerdem die Glucosekontrolle, der HbA1c lag 0,8% niedriger als in der Placebogruppe, ohne dass Hypogly­kämien auftraten.

Additive Effekte mit SGLT-2-Inhibitoren?

Gegenüber adipösen Patienten nehmen Diabetiker mit Adipositas andere Begleitmedikamente ein. Auch das macht die Studie interessant. Denn die SGLT-2-Inhibitoren Dapagliflozin (Forxiga®) und Empagliflozin (Jardiance®) sind seit Kurzem zur Therapie von Herz­insuffizienz zugelassen, auch mit erhaltener Ejektionsfraktion. Ein knappes Drittel der Studienteilnehmer nahm diese ein. Additive Effekte von Sema­glutid und SGLT-2-Inhibitoren auf die Symptomatik machten sich zwar zahlenmäßig bemerkbar, erreichten jedoch keine statistische Signifikanz. In Kombination mit der Einnahme eines SGLT-2-Inhibitors zu Studienbeginn erhöhte Semaglutid die KCCQ-CSS-Scores der Teilnehmer placebobereinigt um 5,3 Punkte (95%-KI = -0,2 bis 10,7). Wurde kein SGLT-2-Inhibitor eingenommen, konnte die Einnahme von Semaglutid die Scores um 8,3 Punkte verbessern (95%-KI = 4,5 bis 12,1). Der Gewichtsverlust fiel mit SGLT-2-Inhibitor geringer aus (-4,7%, 95%-KI = -6,7 bis -2,8) als ohne (-7,2%, 95%-KI = -8,7 bis -5,8), blieb aber statistisch signifikant.

Weniger Krankenhaus­behandlungen

Eine explorative Analyse zeigte außerdem, dass 28 Patienten aus der Placebogruppe wegen einer Verschlechterung ihrer Herzinsuffizienz im Krankenhaus behandelt werden mussten und nur 7 aus der Semaglutid-Gruppe. Auch die Ergebnisse der STEP-HFpEF-Studie offenbarten einen solchen Trend. Ähnliches gilt für die Ergebnisse zur Sicherheit der Therapie, denn schwere Nebenwirkungen traten signifikant häufiger in der Placebogruppe auf und betrafen vielfach das Herz. Insgesamt führten unerwünschte Wirkungen aber in der Semaglutid-Gruppe etwas häufiger zum Abbruch der Therapie (10,6% vs. Placebo 8,2%), oft waren gastrointestinale Nebenwirkungen der Auslöser. Die gefürchteten Retinopathien traten nicht häufiger auf.

Am Tag der Veröffentlichung der Ergebnisse stellte der Hauptprüfarzt Dr. Mikhail N. Kosiborod die Daten auf den Scientific Sessions of the American College of Cardiology (ACC) 2024 in Atlanta vor, von denen die Onlineplattform Medscape berichtete [4]. Seine Einschätzung: „Insgesamt zeigen die beiden Studien, dass eine Behandlung mit Semaglutid ein wertvoller therapeutischer Ansatz bei Menschen mit einer Adipositas-bedingten HFpEF ist“.

Literatur

[1] Borlaug BA et al. Obesity and heart failure with preserved ejection fraction: new insights and pathophysio- logical targets. Cardiovasc Res 2023;118: 3434-50

[2] Kosiborod MN et al. Semaglutide in Patients with Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity. NEJM 2023;389:1069-1084

[3] Kosiborod MN et al. Semaglutide in Patients with Obesity-Related Heart Failure and Type 2 Diabetes. NEJM 2024;390:1394-1407

[4] Bosworth T. Semaglutid fährt weiteren Erfolg ein: Auch Menschen mit HFpEF, Adipositas und zusätzlich Typ-2-Diabetes profitieren. Artikel auf Medscape vom 15. April 2024, https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4913625#vp_1


Dr. Tony Daubitz, Apotheker
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von zpObMNxIHGf am 19.06.2024 um 20:51 Uhr

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