Statement des europäischen SCCS

Was Apothekerinnen über Titandioxid in Kosmetika wissen sollten

Stuttgart - 28.05.2024, 15:15 Uhr

Sonnenschutz zum Sprühen ist praktisch – aber gesundheitlich auch unbedenklich? (Foto: Kirill Gorlov / AdobeStock)

Sonnenschutz zum Sprühen ist praktisch – aber gesundheitlich auch unbedenklich? (Foto: Kirill Gorlov / AdobeStock)


Titandioxid ist nicht gleich Titandioxid. So ist nicht nur sein Einsatz in Lebensmitteln, Arzneimitteln, Kosmetika zum oralen oder dermalen Gebrauch unterschiedlich einzuschätzen – auch innerhalb einer solchen Gruppe sind die zahlreichen verschiedenen Modifikationen und Anwendungsformen von Titandioxid bei einer Risikoeinschätzung zu berücksichtigen. Das betont aktuell das europäische „Scientific Committee on Consumer Safety“.

Anders als in Lebensmitteln ist Titandioxid in Arzneimitteln weiterhin als Hilfsstoff erlaubt. Angestrebt wird dessen Ersatz in Arzneimitteln allerdings auch – für April 2024 hatte die europäische Arzneimittelbehörde EMA angekündigt, das Thema neu bewerten zu wollen. Bislang gibt es aber keine neue Veröffentlichung der EMA zum Thema. 

Titandioxid erneut ins Gespräch brachte im Februar dieses Jahres allerdings der Entwurf eines Gutachtens des europäischen „Scientific Committee on Consumer Safety“ (SCCS), in dem es um die Verbrauchersicherheit von Titandioxid in Kosmetik geht.

Darin wurde etwa hervorgehoben, dass Studien gezeigt haben, dass Mundschleimhautzellen anfällig für die Aufnahme von (Titandioxid-)Nanopartikeln sind. Dass immer mehr Hersteller Titandioxid-freie Zahnpasta anbieten, kann man also nur begrüßen.

Titandioxid-Nanotypen RM09 und RM11 in oralen Kosmetika unbedenklich?

Nun hat das SCCS am 23. Mai seine finale Stellungnahme zu Titandioxid veröffentlicht. Im Kontrast zum mittlerweile verbotenen Titandioxid-Lebensmittelzusatzstoff E171 hebt das SCCS hinsichtlich Kosmetik hervor, dass Titandioxid für kosmetische Produkte in viele verschiedene Materialien unterschieden werden muss – 44 Pigmenttypen und 40 Nanotypen. Lediglich 13 unbeschichtete Pigmenttypen könnten mit E171 als gleichwertig angesehen werden. Somit reiche die derzeitige Datenlage nicht aus, um ein Genotoxizitätsrisiko von Titandioxid in Kosmetika zur oralen Anwendung auszuschließen.

Lediglich zwei Nanotypen von Titandioxid – RM09 und RM11 – scheinen auf Basis der vorgelegten Daten nicht genotoxisch zu sein. Als sicher für Mundpflegeprodukte stuft das SCCS sie dennoch (noch) nicht ein, weil Informationen zur Aufnahme der Nanotypen über die Mundschleimhaut fehlen.

Kein Titandioxid-Sonnenschutz zum Sprühen

Bereits im April 2014 und März 2017 (SCCS/1516/13 und SCCS/1580/16) hatte sich das SCCS zu Titandioxid in Nanoform als UV-Filter in Kosmetika geäußert. Auch damals bezog sich seine Einschätzung nur auf Titandioxid unter bestimmten Bedingungen. So durfte die Konzentration etwa nicht 25 % überschreiten, während Titandioxid hauptsächlich in der Modifikation Rutil (mit maximal 5 % Anatas) vorliegen dürfe, hieß es. Auch dürfen beispielsweise nur bestimmte Beschichtungen zum Einsatz kommen, sodass das SCCS den Einsatz von Nano-Titandioxid zum Aufbringen auf gesunder Haut oder Haut mit Sonnenbrand als sicher erachtet. Nicht als sicher gilt jedoch dessen Einsatz in Produkten, die man einatmen kann – das ist auch in der Kosmetikverordnung festgehalten. 

In der Natur kommt Titandioxid in den drei Modifikationen Anatas, Rutil und Brookit vor. E171 besteht aus Anatas und/oder Rutil. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft Titandioxid als möglicherweise karzinogen für den Menschen (Gruppe 2B) ein. 

Quelle: DAZ 32/2021, Ulrich Schreiber, M. Sc. Toxikologe

Den Einschätzungen von 2014 und 2017 bleibt das SCCS nun auch 2024 treu. Aber eben nur hinsichtlich bestimmter, bereits bewerteter Titandioxid-Sorten und Titandioxid-Beschichtungen. Für andere Arten seien neue Daten zur dermalen Absorption erforderlich, heißt es.

In der aktuellen Juni-Ausgabe des Verbrauchermagazins Ökotest wurden Sonnencremes für Kinder bewertet: Entsprechend des aktuellen SCCS-Statements finden die Verbraucherschützer Titandioxid als UV-Schutzfilter – außer für die Lippen und in Sprayform – „weiterhin okay“. Sie heben hervor, dass manche chemischen UV-Filter mehr Risiken mit sich bringen können als Titandioxid, der als physikalischer Sonnenschutz auf der Hautoberfläche liegen bleibt.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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