Auf die Lagerungstemperatur achten

Krebserregendes Benzol in Akne-Präparaten

Stuttgart - 29.05.2024, 07:00 Uhr

Akne-Präparate sollten unter den in den Fachinformationen angegebenen Bedingungen aufbewahrt werden, nur dann können Hersteller die Stabilität gewährleisten. (Foto: okrasiuk / AdobeStock)

Akne-Präparate sollten unter den in den Fachinformationen angegebenen Bedingungen aufbewahrt werden, nur dann können Hersteller die Stabilität gewährleisten. (Foto: okrasiuk / AdobeStock)


Topika mit dem Wirkstoff Benzoylperoxid spielen im OTC-Bereich eine wichtige Rolle bei der Akne-­Behandlung. Doch ein amerikanisches Labor hat nun Benzol in diesen Produkten nachweisen können.

Akne zählt zu den häufigsten Haut­erkrankungen weltweit, gerade während der Pubertät sind rund 70 bis 90 % der Jugendlichen betroffen. Doch auch im erwachsenen Alter kann die entzündliche Erkrankung auftreten. Dabei kommt es zu Pickeln, Pusteln und Komedonen, die sich überwiegend auf talgdrüsenreicher Haut im Gesicht und Nacken bilden, seltener sind auch Brust und Rücken betroffen. Bei der Entstehung der Akne handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen: Die Talgdrüsen der Haut produzieren eine erhöhte Menge an Talg, gleichzeitig bildet die Haut verstärkt Hornmaterial (Hyperkeratose) und verstopfen die Ausführungsgänge der Talgdrüsen. Die dadurch entstehenden Mit­esser stellen gute Nährböden für Bakterien dar, in den Talgdrüsen kommt vor allem zu einer Ansiedelung von Propionibacterium acnes. Diese verstoffwechseln den Talg und können eitrige Entzündungsprozesse auslösen.

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Benzoylperoxid wird aufgrund seiner antimikrobiellen und indirekt keratoplastischen Wirkung schon seit Jahrzehnten zur Behandlung der Akne eingesetzt. Der Wirkstoff ist nicht verschreibungspflichtig und spielt daher im Bereich der Selbstmedikation eine große Rolle. Zahlreiche Präparate wie Aknefug® Oxid Mild, Akneroxid®, B.P.O. Cobustin, Benzaknen® oder Cordes® BPO sind als Gele, Cremes oder auch Suspensionen erhältlich. Die Konzentration des Wirkstoffs beträgt 3 %, 5 % oder 10 %, die niedrig dosierten Formulierungen werden im Gesicht oder bei empfindlicher Haut angewendet, die höher konzentrierten Darreichungsformen auf Brust und Rücken oder wenn Patienten auf die niedrige Benzoylperoxid-Konzentration nicht ausreichend ansprechen. Im Bereich von Schleimhäuten darf die Substanz nicht angewendet werden. Häufig wird Benzoylperoxid auch mit verschreibungspflichtigen lokalen Retinoiden kombiniert, hierbei ist auf eine zeitlich versetzte Applikation zu achten.

Wie wirkt Benzoylperoxid?

Benzoylperoxid ist eine Peroxid-Verbindung aus zwei Benzoesäuremolekülen (s. Abb.). Grundsätzlich ist die Sauerstoff-Sauerstoff-Einfachbindung in Peroxiden labil, sie wird leicht homolytisch gespalten und bildet Radikale. Auch beim Benzoylperoxid entstehen in der Haut durch Spaltung der Einfachbindung reaktive Sauerstoffverbindungen, die für die antibakterielle, antiseborrhoische und schälende Wirkung verantwortlich sind. Im Einzelnen wirken die reaktiven Verbindungen antimikrobiell gegen zahlreiche Bakterien, insbesondere gegen Propionibakterien, im Unterschied zu antibiotischen Wirkstoffen entwickeln die Bakterien keine Resistenzen gegen Benzoylperoxid. Weiterhin hemmt die Substanz das Zellwachstum in den Talgdrüsen und sorgt für eine Verkleinerung der Korneozyten, den hornbildenden Zellen der obersten Hautschicht.

Was ist für die Beratung wichtig?

Normalerweise werden Zubereitungen mit Benzoylperoxid ein- bis zweimal täglich nach der Reinigung dünn auf die betroffenen Hautstellen appliziert. Die Behandlungsdauer liegt meist zwischen vier bis zehn Wochen. In den ersten Tagen der Anwendung kann es zu Hautreizungen wie Rötungen, Brennen oder Juckreiz kommen, diese Beschwerden klingen aber im Laufe der Therapie ab. Ein Austrocknen und leichtes Schälen der Haut gehört zur Wirkungsweise der Substanz. In der Beratung sollten die Betroffenen auch informiert werden, dass sich in der ersten Zeit das Hautbild zunächst verschlechtern kann. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass die Substanz Haare und Kleidung ausbleichen kann. Nach strenger Indikationsstellung können topische Benzoylperoxid-Präparate auch in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden.

Benzol in Akne-Präparaten nachgewiesen

Das US-amerikanische Labor Valisure fand nun hohe Werte von Benzol in Akne-Präparaten mit Benzoylperoxid [Doheny 2024]. Es gab sogar eine Aufforderung an die Food and Drug Administration (FDA) entsprechende Produkte zurückzurufen. Die getesteten Präparate enthielten mehr als das 800-Fache des von der FDA festgelegten Grenzwertes von 2 ppm für Benzol. Laut David Light, Geschäftsführer von Valisure, handelt es sich dabei nicht um Verunreinigungen mit Benzol aus kontaminierten Inhaltsstoffen, sondern das Benzol stammt vermutlich aus der Zersetzung von Benzoylperoxid selbst. Wie bereits beschrieben besitzt Benzoylperoxid eine labile Sauerstoff-Sauerstoff-Bindung, durch Spaltung dieser Bindung unter Einfluss von Licht oder Wärme entstehen reaktive Sauerstoff-Spezies, die für die gewünschte Wirkung verantwortlich sind. Es können aber auch Benzoyloxyradikale gebildet werden, die sich unter Freisetzung von Kohlenstoffdioxid in Phenylradikale zersetzen können. Aus diesen gebildeten Phenyl­radikalen kann dann unter anderem Benzol entstehen (s. Abb.).

Abb.: Möglicher Abbaumechanismus von Benzoylperoxid zu Benzol (nach [Kucera K et al. 2024])

Benzol wirkt karzinogen

Benzol zählt zu den karzinogenen Stoffen der Kategorie 1A. Solche Sub­stanzen können beim Menschen bekanntermaßen Krebs auslösen. Die krebserzeugende Wirkung kommt durch die oxidative Biotransformation zustande, Benzol wird im Körper am aromatischen Ring zu einem Epoxid oxidiert. Dabei handelt es sich um eine hochreaktive Substanz, die mit zahlreichen biologischen Verbindungen reagieren und das Erbgut schädigen kann. Bei wiederholter Exposition kommt es zu schweren Schäden im blutbildenden System und im Immunsystem, es können Anämien und Leuk­ämien entstehen. Wie für alle krebserzeugenden Substanzen gibt es auch für Benzol keinen sicheren Grenzwert für eine Exposition. Arzneimittel dürfen kein Benzol enthalten, die Sub­stanz ist auch der Liste der bedenklichen Stoffe zu finden und darf nicht zu Rezepturarzneimitteln verarbeitet werden [Bedenkliche Rezepturarzneimittel 2018]. Der bereits erwähnte Grenzwert der FDA von 2 ppm gilt nur für Produkte, bei denen zur Herstellung Benzol verwendet werden muss.

Welche Messverfahren wurden eingesetzt?

Zum Nachweis von Benzol in Akne-Präparaten dient ein Gaschromatograph (GC) mit einem Massenspektrometer (MS). Mit Hilfe der Gaschromatographie wird das zu untersuchende Stoffgemisch aufgetrennt und anschließend durch ein Massenspektrometer identifiziert und quantifiziert. Das Labor Valisure hat 175 Akne-Präparate untersucht, davon enthielten 99 Produkte Benzoylperoxid, in den anderen 76 waren andere Substanzen wie Salicylsäure enthalten. In allen untersuchten Produkten ohne Benzoylperoxid konnte kein Benzol gefunden werden bzw. lagen die Werte unter dem Grenzwert von 2 ppm. Bei den Produkten mit Benzoylperoxid sah das anders aus, hier konnte schon bei normalen Temperaturen in 94 Präparaten Benzol nachgewiesen werden. Wurde die Temperatur auf 50 °C erhöht, so konnten in einigen Produkten teilweise Werte von 1500 ppm Benzol gefunden werden. Die durchgeführte Untersuchung konnte also zeigen, dass sich in Akne-Präparaten mit Benzoylperoxid eine nicht unerhebliche Menge an Benzol bilden kann. Die leicht flüchtige Verbindung kann teilweise auch aus der Verpackung in die Umgebungsluft entweichen. David Light, der Geschäftsführer des amerikanischen Labors, hat Patent zur Herstellung lagerstabiler Formulierungen mit Benzoylperoxid beantragt. Darin soll ein Abbau zu Benzol verhindert werden.

Reaktion der Hersteller

Unter anderem reagierte die Firma Reckitt als Hersteller eines Benzoylperoxid-haltigen Akne-Präparats auf die Ergebnisse, indem noch einmal herausgestellt wurde, dass „die Produkte und ihre Inhaltsstoffe unter den auf der Verpackung beschriebenen Lagerbedingungen stabil sind“ [Clearasil Statement 2024]. Die vom Labor Valisure gewonnenen Daten wären unter unrealistischen Bedingungen erhalten worden. Bei der durchgeführten thermischen Degradation wird die Lagertemperatur auf eine höhere als auf der Verpackung angegebene Temperatur erhöht, um so die Zersetzung über einen längeren Zeitraum zu simulieren. Andere Hersteller reagierten ähnlich und forderten mehr Daten, die sich auf den Einsatz der Präparate im normalen Alltag beziehen.

Lagerungshinweise beachten

John Barbieri, Assistant Professor of Dermatology an der Harvard Medical School, weist in einem Kommentar auf X darauf hin, dass die erhaltenen Ergebnisse auf jeden Fall ernst genommen werden müssen. Zur abschließenden Bewertung fordert auch er mehr Daten bei realen Lagerbedingungen. Barbieri gibt auch zu Bedenken, dass Benzoylperoxid zur topischen Therapie der Akne ein wichtiger Arzneistoff ist. Würde dieser zur lokalen Behandlung wegfallen, müssten möglicherweise orale Arzneimittel eingenommen werden, auch diese sind nicht ohne Risiko. Bis zur Vorlage weiterer Daten sollte den Patienten daher geraten werden, Akne-Präparate mit Benzoylperoxid nicht bei hohen Temperaturen zu lagern. Bei heißen Temperaturen kann eine Aufbewahrung im Kühlschrank sinnvoll sein. Außerdem sollten die Produkte keinesfalls nach Ablauf des Verfallsdatums mehr verwendet werden. In den Fachinformationen der in Deutschland erhältlichen Präparate wird eine Aufbewahrung bei Temperaturen nicht über 25 °C empfohlen, teilweise auch eine Lagerung im Kühlschrank zwischen 2 und 8 °C.

Literatur

Akne ‒ Acne vulgaris. Informationen des Universitätsspital Zürich, www.usz.ch/krankheit/akne/

Aknefug® Oxid Mild 3%; 5%; 10%. Fachinformation, Dr. August Wolff GmbH & Co. KG, Stand: Juli 2021

Barbieri J. auf dem Nachrichtendienst X am 16. März 2024

Bedenkliche Rezepturarzneimittel. Informationen der Arzneimittelkomission der Deutschen Apotheker (AMK), DAZ 2018;23:108

Begründung zu Benzol. Bekanntmachungen zu Gefahrstoffen 910, Ausschuss für Gefahrstoff, Stand: November 2012, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), www.baua.de

Clearasil Statement. Reckitt Benckiser Group plc. vom 6. März 2024, https://reckitt.com/us/newsroom/latest-news/news/2024/march/clearasil-statement

Doheny K. Krebserregendes Benzol in Akne-Präparaten mit Benzoylperoxid: Was sollten Ärzte darüber wissen und Patienten raten? Medscape, 26. April 2024, https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4913645?ecd=WNL_mdplsfeat_240507_mscpedit_de_etid6496733&uac=469355CK&impID=6496733#vp_1

Kucera K, Zenzola N, Hudspeth A et al. Benzoyl Peroxide Drug Products Form Benzene. Research Letter, 14. März 2024, Environmental Health Perspectives 2024;132(3)CID: 037702, https://doi.org/10.1289/EHP13984


Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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