RETAXFALL DES MONATS

Cave: Preisanker bei Verbandmitteln

30.05.2024, 09:15 Uhr

Leere Schubladen: Lieferengpässe betreffen auch Verbandmittel. Damit die Apotheke beim Austausch gegen eine lieferfähige Alternative keine Retaxation riskiert, muss der durch die Verordnung gesetzte Preisanker beachtet werden. (Foto: DAZ/Alex Schelbert)

Leere Schubladen: Lieferengpässe betreffen auch Verbandmittel. Damit die Apotheke beim Austausch gegen eine lieferfähige Alternative keine Retaxation riskiert, muss der durch die Verordnung gesetzte Preisanker beachtet werden. (Foto: DAZ/Alex Schelbert)


Ist ein verordnetes Präparat nicht lieferbar, so steht die Apotheke vor der Herausforderung, eine liefer­fähige Alternative auszuwählen, die gemäß den geltenden Verträgen auch abrechnungsfähig ist. Dabei spielt der durch die Verordnung gesetzte Preisanker eine entscheidende Rolle. Bei der Abgabe von Verbandmitteln gelten besondere Regeln.

Bei der Entscheidung, ob in der Apotheke auf ein GKV-Rezept ein Original oder abhängig vom Preis einer der gelisteten Importe abgegeben wird, lauern verschiedene Retaxfallen, die auch nach dem ALBVVG (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz) Bestand haben. Unter anderem ist der Preisanker zu berücksichtigen – wird dieser ohne Dokumentation auf dem Rezept überschritten, droht eine Retaxation. Dies wird vor allem dann pro­blematisch, wenn von ärztlicher Seite bereits ein Import verordnet wurde, denn bekanntermaßen sind aus der langen Liste der im Handel befind­lichen Importpräparate bei Weitem nicht immer alle lieferbar. Bei Verbandmitteln gestaltet sich die Situa­tion noch etwas komplizierter als bei Arzneimitteln, vor allem wenn Lieferengpässe die Versorgung erschweren.

Rahmenvertrag greift bei Verbandmitteln nicht

Die Regelungen zum Original-Import-Vergleich sind in § 13 des Rahmen­vertrags festgehalten. Da dieser die Abgabe von Arzneimitteln regelt, greifen die Vorgaben auch nur für Arznei­mittel, nicht aber für Verbandmittel. Bei Verbandmitteln ist das abzugeben, was auf dem Rezept verordnet wurde. Was dies in der Praxis bedeuten kann, musste kürzlich eine Apotheke erleben. Verordnet war im vorliegenden Fall der Import „Allevyn Ag Adhesive 12,5 × 12,5 cm Wundverband 10 St. Apoho PZN 14329910“.

Da dieser nicht lieferbar war, gab die Apotheke alternativ einen verfügbaren Import ab. Dieser war jedoch etwas teurer als das verordnete Produkt. Die Apotheke legte auch Großhandelsbelege vor und dokumentierte die Vorgehensweise mit einem handschriftlichen Vermerk auf dem Rezept, da eine eigene Sonder-PZN für Lieferschwierigkeiten bei Verbandmitteln nicht existiert.

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Problematisch ist, dass solche Korrekturmöglichkeiten bei Verbandmitteln für Apotheken in den Lieferverträgen derzeit nicht vorgesehen sind. Es gilt „nur“ das Wirtschaftlichkeitsgebot. Und so erhielt die Apotheke im Nachgang eine Differenzretax, die zum Glück mit unter 5 Euro nicht hoch ausfiel. In der Retaxbegründung bezog sich die Krankenkasse auf den geltenden Arzneiliefervertrag, der die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots fordert: „Die Leistungen müssen nach § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein.“ Die Apotheke hinterfragte die Retaxation, denn sie hatte bei dieser Verordnung mutmaßlich das wirtschaftlichste (weil einzig lieferbare) Präparat ab­gegeben. Ebenso bedauerlich ist, dass es gerade bei Verbandmitteln nicht die Möglichkeit gibt, durch Korrektur/Dokumentation auf dem Rezept die Versicherten zeitnah zu versorgen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund hinderlich, da (wie eingangs beschrieben) ärztlicherseits nicht darauf geachtet wird (werden kann), einen preisgünstigen, aber zeitgleich auch lieferbaren Import aus der Fülle an Verbandmittel­importen auszuwählen.

DAP-Arbeitshilfe zur Abgabe von Verbandstoffen

Das DeutscheApothekenPortal (DAP) bietet diverse Arbeitshilfen an, mit ­denen sich Fehler bei der Rezeptbelieferung vermeiden lassen, beispielsweise eine Arbeitshilfe, mit der Sie retaxsicher Verbandstoffe abgeben.

Welche Vorgehensweise ist korrekt?

Solange es für Verbandmittel zumindest für den Fall von Lieferschwierigkeiten keine ähnlichen Korrekturmöglichkeiten wie bei Arzneimittelrezepten gibt, müssen die Apotheken in solchen Fällen ein neues Rezept durch die Arztpraxis erwirken. Dies steht jedoch einer zeitnahen und unbürokratischen Versorgung der Versicherten entgegen. Auch im vorliegenden Fall hätte die Apotheke das Rezept auf das lieferbare Präparat ändern lassen müssen, um die Retaxation zu verhindern. Da dies nicht geschah und die Dokumentation/Begründung bei Abweichungen vom verordneten Mittel bei Verbandstoffen nicht vertraglich geregelt und anerkannt ist, ist die ausgesprochene Retaxation formal korrekt. Um es Apotheken bei solchen Rezepten leichter zu machen, wäre eine Möglichkeit, zumindest bekannten Praxen, aus denen häufig Verbandmittelrezepte in die Apotheke gelangen, eine Liste mit typischerweise lieferbaren Firmen zu nennen oder bei diesen Praxen auf die Verordnung der Erstanbieterpräparate zu drängen. So wäre eine schnelle Versorgung möglich. Ansonsten bleibt bei Lieferschwierigkeiten nur die Änderung des Rezepts auf eine verfügbare Alternative, um einer Retaxation vorzubeugen. |


Christina Dunkel, DAP


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