Bei Antipsychotika-induzierter Akathisie

Vitamin B6 lindert Bewegungsunruhe

03.06.2024, 07:00 Uhr

Akathisie äußert sich mit ausgeprägtem Bewegungsdrang, vor allem der Beine. (Foto: Andrey Popov / AdobeStock)

Akathisie äußert sich mit ausgeprägtem Bewegungsdrang, vor allem der Beine. (Foto: Andrey Popov / AdobeStock)


Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können mit einem hohen Leidensdruck assoziiert sein. Verschiedene pharmakologische Behandlungsoptionen stehen dann zur Verfügung – die Evidenzlage ist jedoch oft dürftig. In einer systematischen Übersichtsarbeit wurden nun einzelne Wirkstoffe bei Antipsychotika-assoziierter Bewegungsunruhe nach ihrem klinischen Outcome miteinander verglichen. Neben Vitamin B6 waren auch weitere Kandidaten gut wirksam.

Akathisie ist eine häufige unerwünschte Wirkung unter Antipsychotika, die sich in einer starken inneren Unruhe, der Unfähigkeit stillzusitzen und ausgeprägtem Bewegungsdrang vor allem der Beine äußert. 14 bis 35 % der Patienten unter Anti­psychotika-Behandlung entwickeln die stark beeinträchtigende Nebenwirkung, die schon zu Beginn, aber auch erst nach Wochen oder Monaten der Therapie auftreten kann. In der klinischen Praxis stellt sie aufgrund des erhöhten Suizidrisikos und der einhergehenden Non-Adhärenz eine besondere Herausforderung dar [1, 2]. Die Pathogenese der Akathisie ist noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden ein Ungleichgewicht mehrerer Neurotransmittersysteme in tegmentalen und nigrostriatalen Bereichen sowie eine Beteiligung freier Radikale. Antipsychotika der ersten Generation bergen ein höheres Risiko für die unerwünschte Wirkung (s. Tab.) [2, 3].

Tab.: Akathisiehäufigkeit unter Anti­psychotika der ersten (Typika) und zweiten (Atypika) Generation
Anti­psychotikum1./2. GenerationUAW Akathisie
Amisulprid2.+
Aripiprazol2.++
Cariprazin2.++
Clozapin2.+
Flupentixol1.+++
Fluphenazin1.+++
Haloperidol1.+++
Melperon1.0/+
Olanzapin2.+
Paliperidon2.+
Perphenazin1.++
Pipamperon1.++
Quetiapin2.+
Risperidon2.+
Sertindol2.+
Ziprasidon2.+/++
Zuclopenthixol1.+++

0 = nicht vorhanden, + = selten, ++ = gelegentlich, +++ = häufig

(qualitativ abgeschätzte klinische Erfahrungswerte nach Leitlinie) [2]

Suboptimale Therapiegrundlage

Leiliniengerechte Behandlungsoptionen der Antipsychotika-induzierten Akathisie umfassen eine 

  • Dosisreduktion, 
  • Präparateumstellung oder ein 
  • Absetzen 

der auslösenden Medikation. Aufgrund mangelnder Evidenz werden erst in zweiter Instanz pharmakologische Interventionen empfohlen [2].

Französische Wissenschaftler nahmen die unzureichende Entscheidungsgrundlage zum Anlass, im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse die Wirksamkeit verschiedener zum Einsatz kommender Wirkstoffe bei Akathisie miteinander zu vergleichen. Dazu wurden 15 randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Studien mit 492 Probanden ausgewertet, in denen eine medikamentöse Therapie mit einem Placebo verglichen wurde [1].

Erstplatziertes Vitamin B6

Das beste Wirksamkeits-Verträglichkeits-Profil konnte dabei für Vitamin B6 (600 mg täglich über 5 Tage) gezeigt werden, gefolgt von Mirtazapin (15 mg täglich über 5 Tage) und Biperiden (12 mg täglich über 14 Tage). Als wirksame Alternativen mit schlechterer Verträglichkeit erwiesen sich Mianserin (15 mg täglich über 5 Tage), Trazodon (100 mg täglich über 5 Tage) und Propranolol (50 mg täglich über 8 Tage). Für Cyproheptadin reichte die Datenlage für einen umfassenden Wirksamkeitsbeleg nicht aus. Keine Überlegenheit gegenüber Placebo zeigten Clonazepam, Zolmitriptan und Valproat. Die Einnahme von Mirtazapin, Mianserin, Trazodon und Biperiden führte häufig zu Sedierung, was bei einhergehender Schlaflosigkeit jedoch von Vorteil sein kann. Biperiden war mit anticholinergen Wirkungen wie Mundtrockenheit, Propranolol hauptsächlich mit Hypotonie verbunden.

Bei Mianserin und Mirtazapin kam es in 10 bis 20 % der Fälle zu einem Nichtansprechen [1].

Begrenzte Aussagekraft

Der mechanistische Einfluss von Vitamin B6 auf Akathisie-Symptome ist noch nicht vollständig verstanden. Die aktive Form Pyridoxal-5-Phosphat ist an der Biosynthese von Dopamin und anderen Neurotransmittern be­teiligt und spielt eine Rolle als Antioxidans und Radikalfänger.

Für die anderen Wirkstoffe wird unter anderem die Beteiligung eines 5-HT2A-Rezeptorantagonismus diskutiert [3].

Laut Studienautoren bietet die Übersichtsarbeit wichtige Implikationen für die klinische Praxis. Angesichts der geringen Anzahl eingeschlossener Studien sowie begrenzter Stichprobenumfänge seien die Ergebnisse jedoch mit Vorsicht zu interpretieren [1].

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Literatur

[1] Gerolymos C et al. Drug efficacy in the treatment of antipsychotic-induced akathisia: A systematic review and network meta-analysis. JAMA Netw Open 2024;7(3):e241527

[2] S3-Leitlinie Schizophrenie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), AWMF-Register Nr. 038-009, Stand: März 2019

[3] Miodownik C et al. Vitamin B6 versus Mianserin and placebo in acute neuroleptic-induced akathisia: a randomized, double-blind, controlled study. Clin Neuropharmacol. 2006;29(2):68-72


Apothekerin Judith Esch, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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