Verlorene Kinderjahre

Pubertas praecox: Wann wie behandeln?

05.06.2024, 07:00 Uhr

Zu früh im Körper eines Erwachsenen? Kinder mit vorzeitig einsetzender Pubertät stehen vor körperlichen und psychischen Herausforderungen. (Foto: Sergio/Adobe Stock)

Zu früh im Körper eines Erwachsenen? Kinder mit vorzeitig einsetzender Pubertät stehen vor körperlichen und psychischen Herausforderungen. (Foto: Sergio/Adobe Stock)


Das Timing der Pubertät ist vorrangig genetisch bestimmt. Doch aufgrund von Übergewicht sowie anderen beeinflussbaren Umweltfaktoren gibt es immer mehr Kinder mit einer Pubertas praecox, einer verfrühten Pubertät. Bei ihnen verstärken sich die üblichen psychischen Herausforderungen in dieser Lebensphase, denn sie wachsen zunächst über Gleichaltrige hinaus, ecken an, um am Ende kleiner dazustehen als ihre Altersgenossen.  Denn diese sind nur körperlich frühreif ‒ die Seele hinkt hinterher. Welche Behandlungsoptionen gibt es? 

Im Durchschnitt beginnt die Pubertät heute bei Mädchen etwa ab dem zehnten Lebensjahr, bei Jungen um das zwölfte Lebensjahr. Doch findet man immer mehr Mädchen, die eine Brustentwicklung (Thelarche) bereits ab dem Alter von acht Jahren aufweisen, und Buben, bei denen das Hodenwachstum ab neun Jahren zu beobachten ist. Solche „Frühstarter und Frühstarterinnen“ haben einen frühen, aber noch nicht pathologisch verfrühten Beginn der Geschlechtsreife-Entwicklung [1]. Sie sind abzugrenzen von Kindern, bei denen eine verfrühte Pubertät (Pubertas praecox) diagnostiziert wird. Nach traditioneller Definition ist dies der Fall, wenn sich die primären Geschlechtsmerkmale bei Mädchen vor dem vollendeten achten und bei Buben vor dem vollendeten neunten Lebensjahr entwickeln. Diese Altersgrenzen gehen auf Studien aus den 1960er Jahren zurück, obwohl der Trend in westlichen Ländern schon seit Jahrzehnten hin zu jüngeren Altersstufen geht. Doch die Leitlinien wurden bis heute nicht angepasst – vermutlich aus Sorge, dass Kinder mit einer pathologischen Ursache für die verfrühte Pubertät nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Mädchen seien von einer Pubertas praecox weitaus (bis zu 15-fach) häufiger betroffen als Jungen. Angaben zur Häufigkeit reichen von 29 aus 100.000 Mädchen (USA) bis 92 aus 100.000 (Dänemark). In einer US-Longitudinalstudie von 2004 bis 2011 wurde bei 10% der kaukasischen Mädchen unter acht Jahren, 15% der hispanischen und 23% der Mädchen schwarzer Hautfarbe eine Brust­entwicklung festgestellt – allerdings ohne biochemische Marker heranzuziehen.

Bekannte und neue Pubertätstreiber

Der seit vielen Jahren fortschreitende Trend zur früheren Pubertät wird mit verschiedenen Faktoren in Zusammenhang gebracht. Zunächst mit der wachsenden Zahl adipöser Kinder: In vermehrtem Fettgewebe entsteht eine größere Menge des „Sättigungshormons“ Leptin, das dem Gehirn bei einem gewissen Fettdepot auch die Bereitschaft zur sexuellen Reife signalisiert. Dickere Kinder können sich so früher zu Erwachsenen entwickeln. Zu beobachten war ein entsprechender Effekt während der Coronapandemie: Europäische Länder ebenso wie die USA und China berichteten von um 20 bis 30% steigenden Inzidenzen verfrühter Pubertät. „Aber auch, wenn das Gewicht herausgerechnet wurde, blieb ein Plus an Fällen von Pubertas praecox“, sagt Prof. Dr. Bettina Gohlke, Leiterin der Kinder-Endokrinologie der Univer­sitätskinderklinik Bonn. Der Trend sei multifaktoriell bedingt. Dazu passe, dass bei Jungen der Zusammenhang zwischen Übergewicht und verfrühter Pubertät weniger deutlich ist als bei Mädchen. Schon frühere Studien hätten ergeben, dass Kinder unter höherer psychosozialer Belastung körperlich früher reifen. Von daher werden emotionaler Stress und Schlafstörungen in Zusammenhang mit der Pandemie als Pubertätstreiber diskutiert, ebenso wie direkte Effekte von SARS-CoV-2. Unklar sei bisher, ob sich der Anstieg der Inzidenzen mit dem Abklingen der Pandemie wieder verflüchtige [3].

Pestizide und andere endokrine Störer

Als weiterer Einfluss auf die Geschlechtsentwicklung werden endokrine Disruptoren (endocrine-disrupting chemicals, EDC) angenommen, hormonartig wirkende Stoffe, die hauptsächlich aus synthetisch hergestellten Materialien stammen, darunter Pestizide, Lösemittel, sowie Kunststoffprodukte mit Bisphenol A und Phthalaten. Sie kommen aber auch in Pflanzen und entsprechenden Arzneimitteln als Phytoestrogene vor. Die Wirkungen der EDCs sind komplex, Studien zu Pubertas praecox oft inkonsistent. Bisphenol A (BPA) beispielsweise wirkt in niedriger Dosis am Estrogenrezeptor agonistisch und in höherer Dosis am Androgen­rezeptor antagonistisch. Die mittlerweile regulatorisch eingeschränkte Substanz war lange Zeit auch in Baby­flaschen aus Polycarbonat zu finden. Phthalate, die Weichmacher in zahlreichen Kunststoffprodukten aus Polyvinylchlorid (PVC), haben ein ähnliches, hormonartiges Wirkprofil und könnten zudem die Androgen-Synthese beeinflussen. Eine Reihe von Studien zu Auswirkungen von Phthalaten bestätigten eine Assoziation mit verfrüht einsetzender Pubertät, andere wiederum nicht, wobei die Art der Phthalate (hoch- oder niedermolekular) und das Alter der Kinder bei Expo­sition eine Rolle spielen. Auch unter der Vielzahl an Pesti­ziden sind mindestens 100 als endokrine Disruptoren identifiziert worden, ohne dass ihre estrogenen, antiandrogenen und antiprogesteronen Effekte je extensiv studiert worden wären [4].

Mehr zum Thema

Im Kommen: Leitlinie zu Diagnostik und Behandlung transidenter Jugendlicher

Gratwanderung Pubertätsblockade

Last, not least: die Gene!

Nicht zu beeinflussen ist der stärkste Prädikator des Einsetzens der Geschlechtsreife: die genetische Veranlagung. In der allgemeinen Bevölkerung ist sie für 50 bis 80% der Bandbreite im Timing der Pubertät verantwortlich. Mädchen, bei denen die Pubertät im Alter von sechs bis acht Jahren einsetzt, haben meist eine idiopathische oder eben genetisch bedingte, zentrale vorzeitige Pubertät (central precocious puberty, CPP – siehe Kasten „Kisspeptin, Trigger der Pubertät“). Auffällig ist, dass in Familien mit einer Häufung von zentraler vorzeitiger Pubertät in 30% der Fälle Mutationen des Gens MKRN3 nachweisbar sind. Es codiert für ein Protein, das die Aktivität des die Pubertät initiierenden Peptidhormons Kisspeptin unterdrückt. Mädchen mit MKRN3-Mutation starten im Median schon mit sechs Jahren in die Pubertät, Jungen bereits im Alter von acht Jahren.

Kisspeptin, Trigger der Pubertät

Biochemisch gesehen beginnt die zentrale, also im zentralen Nervensystem ausgelöste Pubertät mit der Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden(HHG)- Achse (s. Abb). Als primärer Trigger der komplexen hormonellen Interaktion gilt das im Hypothalamus gebildete Peptidhormon Kisspeptin, dessen Name nicht auf das englische Wort für Küssen zurückgeht, sondern auf das codierende KiSS1-Gen.

Der Hypothalamus bildet neben anderen Liberinen das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH, Gonadoliberin), welches er an die Hypophyse (Glandula pituitaria, Hirnanhangdrüse) entsendet. Der Hypophysenvorderlappen bildet daraufhin die Gonadotropine FSH (follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon). Diese stimulieren die Gonaden zur Bildung der Sexualsteroide: Testosteron in den Hoden beziehungsweise Estrogen in den Eierstöcken.

Steigende Estrogen-Spiegel regen bei Mädchen das Brustdrüsenwachstum an, was körperlich den Beginn der zentralen Pubertät widerspiegelt. Bei Jungen vergrößern sich entsprechend die Hoden. Bei beiden Geschlechtern beschleunigen sich das Längenwachstum und die Skelettreifung.

In der Regel zeitgleich mit der GnRH-gesteuerten Entwicklung der primären Geschlechtsmerkmale, aber physiologisch durch andere Hypothalamus-Hormone gesteuert, bilden die Nebennierenrinden erste Androgene (Adrenarche). Sie induzieren das Wachstum von Schamhaaren, Achselhaaren und die geruchsstarke Schweißbildung. Die Adrenarche unterliegt nicht dem GnRH-Regelkreis: Erst das Brust- beziehungsweise Hodenwachstum zeigt eine Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse und damit das Einsetzen der zentralen Pubertät an.

Im Falle einer zentralen vorzeitigen Pubertät (central pre­cocious puberty, CPP) ist die Entwicklung hinsichtlich Merkmalen, Abfolge und Geschwindigkeit unverändert, nur eben verfrüht. Die zentrale oder GnRH-abhängige Pubertas praecox, auch Pubertas praecox vera ge­nannt, ist zu unterscheiden von der selteneren Pseudo-Pubertas praecox, einer vorzeitigen Pubertätsentwicklung ohne Aktivierung der GnRH-Neurone, etwa durch Androgene der Nebennierenrinde (Adrenarche) [2, 5].

Abb.: Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse Die Produktion von Kisspeptin, einem Peptidhormon, das in spezialisierten Kernen des Hypothalamus gebildet wird, gibt den Startschuss für die Pubertät. Nach Bindung an seine Rezeptoren am Hypothalamus schüttet dieser pulsatil Gonadoliberin (GnRH) aus, das an der Hypophyse zur Freisetzung der beiden Gonadotropine FSH und LH führt. Diese wiederum stimulieren in den Gonaden die Produktion der Sexualhormone, welche die Ausbildung der primären Geschlechtsmerkmale bewirken.

Bilden sich weibliche Geschlechtsmerkmale in noch jüngerem Alter aus, besteht ein starker Verdacht eines Tumors im Gehirn, der sich bei 25% der Mädchen mit zentraler vorzeitiger Pubertät unter sechs Jahren bestätigt. Bei Jungen, bei denen die CPP insgesamt seltener ist als bei Mädchen, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Gehirnpathologie als Ursache deutlich höher: In Fallserien wurden 25 bis 60% angegeben. Der häufigste Tumor bei Kindern mit zentraler vorzeitiger Pubertät ist ein GnRH-produzierendes Hamartom des Hypothalamus, eine Gewebefehlbildung, die sich im Unterschied zur Neoplasie nicht autonom ausbreitet. Wegen der Möglichkeit solcher ernster Gehirnpathologien sollte jeder Verdacht auf eine zentrale vorzeitige Pubertät, insbesondere bei Jungen, eine Vorstellung in einem Zentrum für pädiatrische Endokrinologie veranlassen.

Was der Endokrinologe untersucht

Die Basisdiagnostik des Endokrinologen besteht in Anam­nese (neurologische Erkrankungen), Familienanamnese (Pubertätsbeginn der Eltern und Geschwister) und der körperlichen Untersuchung mit Bestimmung der Pubertätsstadien nach Tanner. Bei Jungen erfolgt die Hodenvolumenmessung mittels Orchidometer. Die Knochenreifung kann durch Röntgen der Hand bestimmt werden [5]. Goldstandard der CPP-Diagnostik ist ein Stimulationstest der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse mit Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) oder dem synthetischen GnRH-Analogon Leuprorelin. Führt er zu einem Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH) über 5 U/l, ist eine Aktivierung dieses endokrinen Regulationswegs anzunehmen. Bei der Unterscheidung zwischen GnRH-abhängiger und GnRH-unabhängiger Pubertas pracox hilft der stimulierte LH/FSH-Quotient, der im ersteren Fall > 1 ist, im letzteren Fall < 1. Die direkte LH-Messung ohne Stimulation ist mittels ultrasensitiver Essays möglich, aber weniger aussagekräftig. Das gilt auch für die Bestimmung der Testosteron- und Estrogen-Spiegel. Ist eine zentrale vorzeitige Pubertät laborbestätigt, kann mit einer Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels eine Gehirnpathologie als Ursache abgeklärt werden. Die Bildgebung ist eher für Mädchen unter sechs Jahren und für Jungen angezeigt; routinemäßige MRT werden nicht empfohlen.

Gonadoliberine zur Therapie

Die Freisetzung der Sexualhormone ist ein Wachstums­booster. „Vorzeitig pubertierende Kinder schießen zunächst rascher in die Höhe, doch die Sexualhormone, die das Wachstum erst beschleunigen, sorgen auch dafür, dass es verfrüht endet, indem die Wachstumsfugen geschlossen werden“, erklärt der Münchner Endokrinologe Prof. Dr. Günter Stalla. Das Estrogen-bedingte vorzeitige Reifen und Schließen der Epiphysenfugen, der Wachstumszonen der Knochen, führt bei Mädchen wie Jungen mit ausgeprägter zentraler vorzeitiger Pubertät zu einer reduzierten Körpergröße im Erwachsenenalter. Das Erreichen einer Endgröße, die dem genetischen Potenzial entspricht, ist daher das primäre Ziel der pharmakologischen Therapie mit GnRH-Agonisten.

Zur Verfügung stehen in Deutschland und Österreich Leuprorelinacetat und Triptorelinacetat, eine Übersicht der Fertigarzneimittel gibt die Tabelle. Die synthetischen GnRH-Analoga sind zugelassen zur Behandlung der Pubertas praecox vera bei Mädchen unter neun Jahren und Jungen unter zehn Jahren, außerdem zur Diagnostik und Therapie des fortgeschrittenen hormonabhängigen Prostatakarzinoms beziehungsweise von Uterusmyomen und Endometriose. Das Nonapeptid Leuprorelin ist ein synthetisches GnRH-Analogon mit erhöhter Peptidase-Resistenz und damit längerer Halbwertszeit. Seine Bindungs­affinität zum GnRH-Rezeptor liegt 80- bis 100-fach höher als beim natürlichen Hormon [6]. Triptorelin ist ein synthetisches Decapeptid mit ähn­lichen Eigenschaften [7]. Entscheidend für die angestrebte permanente Suppression der HHG-Achse ist, dass die synthetischen GnRH-Analoga bei therapeutischer Dauer­anwendung die GnRH-Rezeptoren der Hypophyse permanent blockieren ‒ im Gegensatz zum physiologischen GnRH, das in pulsatiler Weise vom Hypothalamus freigesetzt wird. Die Therapie mit den Analoga bewirkt nach einer kurzen initialen Stimulation der GnRH-Rezeptoren deren Desensibilisierung (down regulation). In der Folge kommt es zu einer reversiblen hypophysären Suppression der Gonadotropin-Freisetzung mit nachfolgendem Abfallen der Estradiol- beziehungs­weise Testosteron-Spiegel [6, 7].

Tab. 1: Synthetische GnRH-Analoga, die in Deutschland für die Therapie der Pubertas praecox zugelassen sind [Lauer-Taxe, Stand 1. April 2024]

WirkstoffFertigarzneimittelApplikationDosierung nach Körpergewicht
Leuprorelin­acetatEnantone-Paed® Monats-Depot 1,88 mgsubkutan, alle 28 Tage (Injektionsstelle monatlich wechseln)

< 20 kg: 1,88 mg

> 20 kg: 3,75 mg (2 Dosen)

Enantone® Monats-Depot 3,75 mg

< 20 kg: 1,88 mg (halbe Dosis)

> 20 kg: 3,75 mg

Trenantone® 11,25 mgsubkutan, alle drei Monate

< 20 kg: 5,625 mg (halbe Dosis)

> 20 kg: 11,25 mg

TriptorelinacetatDecapeptyl® N 3,75 mgsubkutan oder tief intramuskulär (Injektionsstellen ständig wechseln) Tag 0, 14 und 28, dann alle vier Wochen

< 20 kg: 1,875 mg (halbe Dosis)

20 bis 30 kg: 2,5 mg (2/3-Dosis)

> 30 kg: 3,75 mg (gesamte Dosis)

Die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie mit GnRH-Agonisten, die auch für andere hormonabhängige Krankheiten eingesetzt werden, ist auch für die Pubertas praecox gut belegt. Eine häufige Nebenwirkung sind Knochen- und Gelenkschmerzen, die in Zusammenhang mit einer Lockerung der Epiphysenfugen aufgrund der geringen Östrogenkonzentration während der Behandlung stehen. Mädchen und ihre Eltern sollten über eine weitere häufige Nebenwirkung im Bilde sein: das Auftreten vaginaler Blutungen zu Beginn der Therapie. Im weiteren Verlauf auftretende Schmierblutungen können auf eine Unter­dosierung hindeuten [6].

In den USA sind zur Therapie der Pubertas praecox weitere, höhere Dosierungen und Depotformen (z. B. für sechs Monate) von Leuprorelin und Triptorelin am Markt, außerdem wei­tere GnRH-Analoga wie Buserelin, Histrelin und Nafarelin. Das Histrelin-Implantat zeigte eine Wirksamkeit von mindestens zwei Jahren.

Begrenzte Daten zum Effekt

Es gibt leider nur wenige randomisierte kontrollierte Studien zum Effekt der GnRH-Therapie auf das primäre Therapieziel, das Erreichen der vollen Körpergröße. Einfluss darauf haben vor allem der Startzeitpunkt und die Dauer der Behandlung. Beginnt sie bei Mädchen im Alter unter sechs Jahren, kann ein Zuwachs der vorausgesagten Körpergröße von durchschnittlich neun bis zehn Zentimetern erwartet werden. Bei Jungen geht man von einer ähnlichen Größenordnung aus. In der größten Gruppe von Betroffenen, Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren, ist der Nutzen der Behandlung weniger klar. Leitlinien empfehlen bei Mädchen ab sieben Jahren, die Entwicklung zunächst zu beobachten.

Mit einem frühzeitig heranreifenden Körper zu leben und „anders“ zu sein als Gleichaltrige, ist für viele Frühpubertierende belastend und nervenaufreibend, für Mädchen mehr als für Jungen. Studien zum Wert der Therapie für das psychische Befinden der jungen Kinder sind allerdings widersprüchlich. Eine Besserung von mentalem Stress ist nicht belegt, gleichwohl plausibel, denn: Eindeutig nach­gewiesen ist ein Zusammenhang zwischen einer früh einsetzenden Geschlechtsreife-Entwicklung und später ein­setzenden psychosozialen und psychischen Problemen, vor allem von Depressionen [1].

Literatur

[1] Sonnenmoser M. Frühe Pubertät: Psychologisches Rüstzeug nötig. Deutsches Ärzteblatt PP15 2016;9:403

[2] Zevin EL, Eugster EA. Central precocious puberty: a review of diagnosis, treatment, and outcomes. Lancet Child Adolesc Health 2023;7(12):886-896; doi: 10.1016/S2352-4642(23)00237-7

[3] dpa. Rätselhafte Corona-Folge ‒ vermehrt frühe Pubertät. Süddeutsche Zeitung, 21. Februar 2024

[4] Lee JE et al. Early-life exposure to endocrine-disrupting chemicals and pubertal development in girls. Ann Pediatr Endocrinol Metab 2019;24(2):78-91; doi: 10.6065/apem.2019.24.2.78

[5] Pubertas praecox. S1-Leitlinie der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED). AWMF Reg.-Nr. 174-015, Version 1.0, Stand April 2019

[6] Fachinformation Enatone® Monats-Depot, Stand Juli 2022

[7] Fachinformation Decapeptyl® N 3,75 mg, Stand März 2023


Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Wann eine vorzeitig einsetzende Pubertät medikamentös behandelt werden sollte

Verlorene Kinderjahre

Kisspeptin steuert Sexualverhalten

Kein KiSS, kein Sex?

Verfrühte Schambehaarung bei Kindern durch versehentlichen Kontakt mit Testosteron-Externa

Testosteron auf Abwegen

Im Kommen: Umfassende Leitlinie zu Diagnostik und Behandlung transidenter Jugendlicher

Gratwanderung Pubertätsblockade

Im Kommen: Leitlinie zu Diagnostik und Behandlung transidenter Jugendlicher

Gratwanderung Pubertätsblockade

Beratung zu Arzneimitteln vor und während einer Kinderwunschbehandlung

Ungewollt kinderlos

Bei Intersexualität ist das Geschlecht schwer zu differenzieren

Nicht eindeutig männlich oder weiblich

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.